Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht reicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG nicht für die Annahme einer „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG aus.
  2. Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Angehörigen, für die er keinen Anspruch auf Kindergeld (mehr) besitzt, unentgeltlich überlassene Wohnung gleichzeitig auch einem einkommensteuerlich gemäß § 32 EStG zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich zu Wohnzwecken zur Verfügung stellt.
  3. Eine Aufteilung des Kaufpreises in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil ist nicht vorzunehmen.
 

Normenkette

EStG § 10 f., § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3, §§ 32, 9 Abs. 1 S. 1; GG Art. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.05.2022; Aktenzeichen IX R 28/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob es sich bei der Veräußerung der Wohnung in A-Stadt vom xx. Dezember 2016 um ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt. Ferner ist die Höhe des durch den Beklagten nach § 23 Abs. 3 EStG ermittelten Veräußerungsgewinns streitig.

Der Kläger war im Streitjahr Angestellter bei der C-AG und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG). Die Klägerin war im Streitzeitraum nicht berufstätig. Am xx.xx.2017 reichten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim Beklagten ein mit welcher der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärte. Weitere steuerpflichtige Einkünfte erzielten die Kläger nach eigenen Angaben nicht. Der Beklagte veranlagte zunächst antragsgemäß und erließ am xx.xx.2017 einen Einkommensteuerbescheid für 2016, welcher gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand.

Aufgrund einer Veräußerungsanzeige vom xx. Dezember 2016 erhielt der Beklagte davon Kenntnis, dass die Klägerin durch Kaufvertrag vom xx. Dezember 2016 eine 4-Zimmer-Wohnung nebst Keller in einem Mehrfamilienhaus in A-Stadt zu einem Verkaufspreis von 350.000 €, einschließlich Inventar in Höhe von 20.000 €, veräußert hatte. Auf Nachfrage des Beklagten erläuterten die Kläger am xx.xx.2018 hierzu, dass es sich bei der Veräußerung um ein nichtsteuerpflichtiges Geschäft gehandelt habe. Die Wohnung sei am xx. April 2010 zu einem Kaufpreis von 130.000 €, welcher in bar entrichtet worden sei, erworben worden. Die Wohnung sei ab Erwerb bis zur Veräußerung durch die am xx. Mai 1989 geborenen Söhne der Kläger T und O im Rahmen ihres …-Studiums an der TU A-Stadt genutzt worden. Jeder der Söhne habe über ein großes Zimmer zur eigenen Nutzung verfügt. Darüber hinaus habe es ein gemeinsames Wohnzimmer sowie eine gemeinsam genutzte Küche gegeben. Das 3. (Gäste-) Zimmer sei vom dritten Sohn der Kläger, dem am xx. Dezember 1991 geborenen Sohn D, an einigen Wochenenden genutzt worden. Eine Fremdvermietung habe nicht stattgefunden. Während eines halbjährigen Auslandsaufenthalts der Zwillinge hätten diese ihre Zimmer „wohl untervermietet“ und die Einnahmen zur Begleichung ihrer Mieten in I bzw. P verwendet. Die Klägerin habe aus der Wohnung keine Erträge erwirtschaftet.

Mit Schreiben vom xx.xx.2018 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass die Veräußerung einer Wohnung als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich steuerbar sei, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre betrage. Ausgenommen hiervon seien lediglich Wohnungen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt würden. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liege dabei auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung einem Kind, für das er einen Anspruch auf Kindergeld habe, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen habe. Die unentgeltliche Überlassung an andere – auch unterhaltsberechtigte – Angehörige stelle keine Nutzung in diesem Sinne dar. Für die Söhne T und O hätten die Kläger lediglich bis Mai 2014 (Vollendung des 25. Lebensjahres) einen Anspruch auf Kindergeld gehabt. Daher sei die Wohnung ab Juni 2014 nicht mehr im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG genutzt wurde.

Im Anschluss an dieses Schreiben ergänzten die Kläger ihren Vortrag dahingehend, dass der Sohn D nach seinem Eintritt ins Studium zum Wintersemester 2011 seine Aufenthalte bei seinen Brüdern kontinuierlich gesteigert habe und ab Oktober 2013 ganz nach A-Stadt gezogen sei. Begünstigt sei dieses durch das Studententicket und der relativ kurzen Bahnfahrt von A-Stadt nach B-Stadt gewesen. Die noch zu besuchenden Veranstaltungen an der Uni B-Sta...

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