Leitsatz

Das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht reicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG nicht für die Annahme einer "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG aus. Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die den Angehörigen, für die er keinen Anspruch auf Kindergeld (mehr) besitzt, unentgeltlich überlassene Wohnung gleichzeitig auch einem einkommensteuerlich gem. § 32 EStG zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich zu Wohnzwecken zur Verfügung stellt.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer einer 4-Zimmer-Wohnung, welche er an seine 3 Kinder zur Nutzung überließ. Da zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre lagen, ergab sich nach Auffassung des Finanzamtes ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG. Unter Hinweis auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vertrat der Kläger die Auffassung, dass wegen der als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu beurteilenden Überlassung der Wohnung an die Kinder ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nicht vorliege. Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nur dann anzunehmen sei, wenn die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (§ 32 EStG) unentgeltlich zur Nutzung überlassen werde. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt, da die Wohnung auch anderen unterhaltsberechtigten Personen zur gemeinsamen Nutzung überlassen worden sei.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des FG reicht allein das Bestehen einer zivilrechtlichen Unterhaltspflicht ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 EStG für die Annahme einer "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" nicht aus. Auch aus der Bezugnahme auf § 4 Satz 2 EigZulG, der eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch annehme, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen im Sinne des § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen werde, könne nicht geschlossen werden, dass auch im Rahmen des § 23 EStG die Überlassung an Angehörige, unabhängig von ihrer einkommensteuerlichen Berücksichtigung im Sinne von § 32 EStG den Ausnahmetatbestand auslöse. Vielmehr setze eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" voraus, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest "auch" selbst genutzt habe. Eine (teilweise) Nutzung der Wohnung durch das Kind sei dem Eigentümer als eigene Nutzung aber lediglich dann zuzurechnen, wenn diese Nutzungsüberlassung gleichzeitig mit einer Nutzung durch den Eigentümer einhergehe oder die Wohnung in ihrer Gesamtheit dem berücksichtigungsfähigen Kind zur alleinigen Nutzung überlassen werde. Auch eine Aufteilung auf einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil des Veräußerungsgewinns lehnte das FG ab.

 

Hinweis

Das FG hatte die Revision nicht zugelassen, da es bezüglich der Nutzungsüberlassung an nicht mehr kindergeldberechtigte Kinder des Klägers nicht von bisher veröffentlichten Entscheidungen andere Finanzgerichte oder des BFH abweiche. Der Kläger hat jedoch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und damit Erfolg gehabt, Az beim BFH IX R 28/21. Nun muss der BFH entscheiden. Vergleichbare Fälle sollten daher bis zur Entscheidung offengehalten werden.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil v. 16.06.2021, 9 K 16/20

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