Rn. 94

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die Steuerabzugsverpflichtung entsteht nur, wenn der Leistende an den Leistungsempfänger eine Bauleistung erbringt (§ 48 Abs 1 S 1 EStG). Der Begriff der Bauleistung ist im Gesetz definiert. Nach § 48 Abs 1 S 3 EStG sind unter Bauleistungen alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

 

Rn. 95

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Der Gesetzgeber knüpfte mit dieser Legaldefinition bewusst an die Begriffsbestimmung in § 211 Abs 1 S 2 SGB III aF an (BT-Drucks 14/4658, 10; kritisch: Eggers, StuB 2001, 1149). § 211 Abs 1 S 2 SGB III idF bis zum 31.03.2006 und die Nachfolgevorschriften (seit 01.04.2006: § 175 Abs 2 S 2 SGB III; seit 01.04.2012: § 101 Abs 2 S 2 SGB III) definieren die Bauleistungen zum Zwecke der Beschäftigungsförderung (Saison-Kurzarbeitergeld). Dabei wird die Förderung in § 1 Baubetriebe-VO (BaubetrV) auf bestimmte zugelassene Betriebe bzw bestimmte Bauleistungen begrenzt. Diese Begrenzung lässt sich auf die Steuerabzugsverpflichtung gemäß § 48 Abs 1 S 1 EStG nicht übertragen. Dementsprechend ist bereits in der Gesetzesbegründung ausgeführt worden, dass auch die in § 2 BaubetrV aufgeführten Arbeiten (von nicht geförderten Betrieben) Bauleistungen iSd § 48 Abs 1 S 3 EStG sind (BT-Drucks 14/4658, 10; so auch Tz 4 BMF BStBl I 2022, 1229).

 

Rn. 96

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

vorläufig frei

1. Bauwerk

 

Rn. 97

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Da die Bauleistungen der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen müssen, ist für die Steuerabzugsverpflichtung von Bedeutung, was unter einem "Bauwerk" zu verstehen ist. Der Begriff des "Bauwerks" iSv § 48 Abs 1 S 3 EStG orientiert sich an dem Zweck, die Steuerabzugsverpflichtung für das gesamte Baugewerbe zu implementieren. Der Begriff des "Bauwerks" ist deshalb weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur Gebäude oder unbewegliche Wirtschaftsgüter, sondern darüber hinaus auch Scheinbestandteile iSv § 95 BGB, Betriebsvorrichtungen iSv § 68 Abs 2 S 1 Nr 2 BewG und technische Anlagen, die aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichen Geräten hergestellt und mit dem Erdboden verbunden sind oder infolge ihrer eigenen Schwere ortsfest auf ihm ruhen (vgl BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351; FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959; Tz 4 BMF BStBl I 2022, 1229 unter Hinweis auf BAG v 21.01.1976, 4 AZR 71/75; ebenso: Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; Apitz, StBp 2002, 322; aA Schwenke, BB 2001, 1533). Ausreichend ist eine mittelbare Verbindung mit dem Erdboden (vgl FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959: Aufdach-Photovoltaikanlage; aus anderen Gründen aufgehoben: BFH I R 67/17, BFH/NV 2020, 681).

Soweit der BFH bei der Anwendung des § 13b Abs 2 Nr 4 S 1 UStG ein engeres Begriffsverständnis vertreten hat (BFH V R 7/14, BStBl II 2015, 682; BFH V B 83/15, BFH/NV 2016, 1309: Betriebsvorrichtungen sind keine Bauwerke), steht dies einer normspezifischen Auslegung des Begriffs in § 48 Abs 1 S 3 EStG nicht entgegen (BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351; FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959).

Auch die engere zivilrechtliche Rspr ist nicht übertragbar (zB BGH VIII ZR 318/12, NJW 2014, 845: Photovoltaikanlage auf einem Dach ist kein Bauwerk). Dementsprechend können auch Leistungen in Bezug auf folgende Anlagen Bauleistungen iSd § 48 Abs 1 S 3 EStG sein (ähnlich: Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52):

  • Brücken,
  • Gleisanlagen,
  • Flutlichtmasten,
  • Hochregallager,
  • Außenanlagen (zB Hofbefestigungen, Umzäunungen; vgl Schmitt/Seitz, Stbg 2001, 669),
  • Straßen und Platzbefestigungen,
  • Brunnen,
  • andere unterirdische Anlagen,
  • Schwimmbecken,
  • Photovoltaikanlagen (Freiland-Anlagen: BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351; Aufdach-Anlagen: FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959; Bayerisches LfSt v 16.09.2015, S 2272.1.1–3/8 St32: bis zum 31.12.2015 wird das Unterlassen des Steuerabzugs nicht beanstandet),
  • Windkraftanlagen (zivilrechtlich Scheinbestandteil des Grundstücks: BGH V ZR 52/16, NJW 2017, 2099),
  • Industrieanlagen (zB Montagebänder, Kran-, Kiesförder- und Müllverbrennungsanlagen),
  • komplexe Einrichtungsgegenstände (zB Geschäftseinrichtungen, Mietereinbauten, passgenau geplante und gefertigte Einbauküchen). Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Bauwerk wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gemäß § 94 BGB wird (Beck/Girra, NJW 2002, 1079).
 

Rn. 98

Stand: EL 160 – ET: 10/2022

Die Bezugnahme auf das "Bauwerk" wirkt im Hinblick auf die in der BaubetrV genannten Bauleistungen begrenzend. So sind beispielsweise Leistungen zur Entwässerung von Grundstücken (§ 1 Abs 2 Nr 2 BaubetrV), Bohrarbeiten (§ 1 ...

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