Bauabzugsteuer: Fertigungsstraßen von Autoherstellern

Das FG Berlin-Brandenburg urteilte, dass automatisierte Fertigungsstraßen von Automobilherstellern keine "Bauwerke" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG sind, sodass Baumaßnahmen an diesen Straßen keinen Bauabzugsteuereinbehalt auslösen.

Automatisierte Fertigungsstraßen

Geklagt hatte ein Betrieb der Automobilindustrie, der – unter anderem bei Daimler, Audi und Opel – Fertigungsroboter zur Automobilproduktion programmiert hatte, die zuvor durch Dritte aufgestellt worden waren. Um die Roboter mit Strom zu verbinden, hatte sich der Betrieb eines ausländischen Subunternehmers bedient, der nicht über eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen (§ 48b EStG) verfügte, sodass der Leistungsempfänger (= der klagende Betrieb) nicht von der Pflicht zum Steuerabzug befreit war.

Die Roboter waren in den Werkhallen der Autohersteller auf automatisierten Fertigungsstraßen installiert worden, die aufgrund ihres hohen Eigengewichts auf den Estrichböden der Werkhallen ruhten und teilweise mit ihnen verschraubt waren. Alle zwei bis drei Jahre waren die kompletten Produktionsanlagen vollständig ab- und wieder aufzubauen, um den wechselnden Automodellzyklen gerecht zu werden. Der Subunternehmer verkabelte die Roboter mit Schaltschränken und Bedienpulten untereinander und verlegte Kabelrinnen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Fertigungsstraßen ein Bauwerk im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG waren und der auftraggebende Betrieb daher zum Einbehalt der 15%igen Bauabzugsteuer verpflichtet war.

Keine Festsetzung von Bauabzugsteuer

Das FG Berlin-Brandenburg urteilte, dass die Festsetzung von Bauabzugsteuer rechtswidrig war, da der Betrieb nicht zum Steuereinbehalt verpflichtet war. Bauleistungen sind nach § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG nur Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken und deren bestimmungsgemäßer Nutzung dienen. Die Fertigungsstraßen in den Werkhallen der Automobilhersteller waren keine Bauwerke, sondern elektrisch betriebene Maschinen. Im zivilrechtlichen Sinne dürfte es sich zwar um Scheinbestandteile der Werkhallen gehandelt haben.

Dennoch gelangte das FG zu der Ansicht, dass die Anlagen, die nur zur vorübergehenden Verwendung aufgebaut worden waren, selbst bei großzügiger begrifflicher Auslegung kein „Bauwerk“ sein können. Würde man unter den Begriff des Bauwerks jegliches "Erbaute" fassen, wäre jede schwerere Maschine innerhalb eines Bauwerks als Bauwerk zu qualifizieren - darunter dann sogar High-End-Hifi-Anlagen oder Klaviere. Dieses Begriffsverständnis ging dem FG zu weit, da es dazu führen würde, dass Bauabzugsteuer nicht nur – wie gesetzgeberisch gewollt – das Baugewerbe betreffen würde, sondern das gesamte verarbeitende Gewerbe.

Darüber hinaus waren die vorliegenden Verkabelungs- und Montageleistungen keine Bauleistungen, da sie weder unter den Kabelleitungstiefbau nach der Baubetriebe-Verordnung gefasst werden konnten noch unter Installationsmaßnahmen in Bezug auf die Gebäudetechnik. Die Verkabelung hatte nicht die Gebäudetechnik der Werkhallen betroffen, sondern allein die freistehend fixierten Roboter, Schaltschränke und Bedienpulte der Fertigungsstraße.

Revision beim BFH

Die Revision ist beim BFH anhängig, Az beim BFH I R 28/22. In diesem Verfahren wird höchstrichterlich zu klären sein, ob Scheinbestandteile im Sinne des § 95 BGB bzw. Betriebsvorrichtungen im Sinne des Bewertungsgesetzes, die sich innerhalb eines bestehenden Bauwerks befinden, auch isoliert betrachtet ein Bauwerk im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG sein können ("Bauwerk im Bauwerk").

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.6.2022, 6 K 6197/19



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