Rn. 444

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Werden dem Erwerber multiple Beschränkungen bzgl der Nutzung und Verwertung des erworbenen WG auferlegt und dem Veräußerer korrespondierende Nutzungs-/Verwertungsrechte ggf kombiniert mit einem freien Widerrufsvorbehalt der Übertragung gewährt, die kumuliert dazu führen, dass dem Erwerber die freie Nutzung und Verwertung des WG verwehrt bleibt, kann dies abhängig von den Umständen im konkreten Einzelfall dazu führen, dass kein Zurechnungswechsel erfolgt, weil die wesensbestimmenden Herrschaftsmerkmale für das jeweilige WG gerade nicht auf den Erwerber übergegangen sind. Dieser erwirbt dann zwar zivilrechtliches, nicht aber wirtschaftliches Eigentum. Zugleich ist der Kaufvertrag nicht in wirtschaftlichem Sinne erfüllt, so dass beim Übertragenden keine Gewinnrealisation eintritt.

BFH verneinte etwa im Fall einer (unentgeltlichen) Grundstücksübertragung (aus dem BV) den Übergang wirtschaftlichen Eigentums bei folgenden kumulierenden Beschränkungen des Erwerbers (BFH vom 05.05.1983, IV R 43/80, BStBl II 1983, 631; vgl auch BFH vom 17.06.1998, XI R 55/97, BFH/NV 1999, 9):

  • langfristiges Veräußerungs- und Belastungsverbot (mindestens auf Lebenszeit des Übertragenden zzgl weiterer 15 Jahre),
  • Widerrufsmöglichkeiten auf Lebenszeit des Übertragenden zzgl weiterer 15 Jahre bei

    • Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
    • Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz durch einen Gläubiger des Erwerbers (was einen Zugriff der Gläubiger des Erwerbers auf das WG ausschloss),
    • Versterben ohne Hinterlassen von Abkömmlingen,
    • groben Undank des Erwerbers,

      jeweils einschließlich Sicherung durch Rückauflassungsvormerkung und unwiderruflicher Bevollmächtigung des Übertragenden zur Rückübertragung;

  • Zwang zur Fortführung des Pachtvertrages (dh keine freie Nutzungsmöglichkeit durch Bebauung, anderweitige Vermietung) ohne Befugnis zur Anpassung des Pachtentgelts und zudem der Verpflichtung zur darlehensweisen Überlassung des Pachtentgelts an den Pächter (das Pachtentgelt stand dem Erwerber damit nicht zur freien Verfügung, sondern kam ihm allenfalls in Gestalt einer frühestens 15 Jahre nach dem Tod des Übertragenden fälligen Darlehensforderung zugute).

Die das Eigentum kennzeichnende Rechtsmacht zur Nutzung und Verwertung des Grundbesitzes waren durch die kumulierenden Beschränkungen und Widerrufsvorbehalte hier beim Übertragenden verblieben.

Strukturierte Übertragungsvorgänge, die formal zu einem Eigentumswechsel führen, im Ergebnis aber so ausgestaltet sind, dass der Übertragende seine Befugnisse am übertragenen WG tatsächlich nicht verliert, können im Einzelfall ebenfalls einen Zurechnungswechsel verhindern (so zu einem Sonderfall des strukturierten Wertpapierdarlehens BFH vom 18.08.2015, I R 88/13, BStBl II 2016, 961).

 

Rn. 445

Stand: EL 171 – ET: 02/2024

Einzelne Beschränkungen, die dem Erwerber auferlegt werden, hindern dagegen Zurechnungswechsel und Gewinnrealisation im Regelfall nicht. Im Einzelnen zur Rspr bzgl Grundstücken s Rn 170lf. Ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot für eine Sperrfrist führt für sich genommen nicht dazu, dass das betroffene WG nicht dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist (BFH vom 28.10.2008, IX R 96/07, BStBl II 2009, 45 (Veräußerungssperre 1 Jahr für Anteile an KapGes iS § 17 EStG); BFH vom 16.11.1984, VI R 39/80, BStBl II 1985, 136 (Veräußerungssperre 2 Jahre für Belegschaftsaktien); vgl auch BFH vom 27.03.1981, VI R 132/78, BStBl II 1981, 577 (Veräußerungssperre 10 Jahre für Belegschaftsaktien); BFH vom 7.4.1989, VI R 73/86, BStBl II 1989, 927 (Veräußerungssperre 2 Jahre für nicht verbriefte Arbeitnehmer-Genussrechte; BFH vom 28.07.1999, X R 38/98, BStBl II 2000, 653 zur lebenslangen Veräußerungssperre bei Übertragung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt); vgl auch BMF vom 12.11.2014, BStBl I 2014, 1467 Rz 215). Beim Veräußerer tritt trotz befristeter Veräußerungssperre des Erwerbers Realisation ein. Dies gilt auch dann, wenn die Verbote durch Auflassungsvormerkung gesichert sind (BFH vom 26.11.1998, IV R 39/98, BStBl II 1999, 263 (zum gesicherten Veräußerungsverbot bei Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt).

Für ein isoliertes Belastungsverbot gilt Entsprechendes. Auch Rückfallklauseln im Fall der Betriebsaufgabe (BFH vom 17.06.1998, XI R 55/97, BFH/NV 1999, 9), bei vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei verbilligter Überlassung von Aktien durch den ArbG führen nicht zum Verlust des wirtschaftlichen Eigentums (BFH vom 26.11.1998 IV R 39/98, BStBl II 1999, 263; BFH vom 28.03.2007, IX R 37/05, BFH/NV 2007, 1891; BFH vom 30.9.2008, VI R 67/05, BStBl II 2009, 292). Desgleichen führt der (temporäre) Nutzungsvorbehalt (einschließlich des Vorbehalts auf Lebenszeit einer Person) nicht bereits zu einem Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum (zum Vorbehaltsnießbrauch s Rn 451a).

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