Rn. 327

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz wird durchbrochen durch den steuerlichen Wahlrechtsvorbehalt (s Rn 328ff) sowie steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte gesetzlicher (s Rn 333) sowie rechtsprechungsseitiger Herkunft (s Rn 334). Hieraus resultieren die unter s Rn 336 dargestellten Varianten der Bezugskonstellation von HB u StB und zwingende bzw optionale Abweichungen zwischen HB und StB (s Rn 337ff).

ba) Steuerlicher Wahlrechtsvorbehalt (§ 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG)

baa) Inhalt

 

Rn. 328

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Die materielle Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB (§ 5 Abs 1 S 1 Hs 1 EStG) wird ausgeschlossen ("es sei denn"), wenn iRd Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts ein anderer Ansatz gewählt wird oder wurde (§ 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG), vorausgesetzt die steuerliche Verzeichnispflicht nach § 5 Abs 1 S 2, 3 EStG wird erfüllt. Konsequenz des steuerlichen Wahlrechtsvorbehalts ist, dass steuerliche Wahlrechte unabhängig von der HB, dh steuerlich autonom ausgeübt werden können. Dies ist auch dann möglich, wenn eine (wirksame) HB nicht erstellt wurde, es also nur den steuerlichen und keinen "anderen Ansatz" gibt (Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz 203 (März 2018).

Die Ausübung eines steuerlichen Wahlrecht erfolgt iRd steuerlichen Gewinnermittlung, dh iRd StB (§ 60 Abs 2 S 2 EStDV) bzw der steuerlichen Überleitungsrechnung (§ 60 Abs 2 S 1 EStDV). Wirksam wird die Wahlrechtsausübung mit Übermittlung einer StB iSd § 5b Abs 1 S 3 EStG bzw der Zusätze und Anmerkungen zur HB iSd § 5b Abs 1 S 2 EStG, dh der steuerlichen Überleitungsrechnung. Ab diesem Zeitpunkt ist der StPfl für den betreffenden sowie nachfolgende Bilanzstichtage an die Wahlrechtsausübung gebunden. Die Bedeutung der Verpflichtung zur Übermittlung einer E-Bilanz (§ 5b EStG) geht damit über eine rein verfahrensrechtliche Vorschrift, die die gesetzlichen Anordnungen zur Abgabe der Steuererklärung (§ 25 EStG, § 31 KStG) für bilanzierende Unternehmen ergänzt, hinaus. Da mit der elektronischen Übermittlung der steuerlichen Gewinnermittlungsdaten (StB oder HB mit Überleitungsrechnung) eine wirksame Ausübung steuerlicher Wahlrechte verbunden ist, hat die Vorschrift im Ergebnis auch materielle Bedeutung.

Mit wirksamer Ausübung ist das steuerliche Wahlrecht für das wahlrechtsbegründende Ereignis grundsätzlich verbraucht. § 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG schließt GoB-Abweichungen aufgrund in der Vergangenheit ausgeübter steuerlicher Wahlrechte ein. Es wird explizit darauf abgestellt, ob ein anderer Ansatz gewählt "wird oder wurde". Die Änderung eines ausgeübten steuerlichen Wahlrechtes ist nur im Rahmen und unter den Restriktionen einer Bilanzänderung iSd § 4 Abs 2 S 2 EStG möglich.

bab) Reichweite

 

Rn. 329

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Vom steuerlichen Wahlrechtsvorbehalt erfasst sind sowohl steuerliche Ansatz- als auch Bewertungswahlrechte. Der Wortlaut des § 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG bezieht sich konkret zwar lediglich auf den steuerlich gewählten "anderen Ansatz", die Dokumentationsregelung des § 5 Abs 1 S 2 EStG stellt mit Inbezugnahme des "Werts" von WG gleichwohl klar, dass auch Bewertungswahlrechte eingeschlossen werden.

Umstritten sind die konkret vom Wahlrechtsvorbehalt erfassten Ansatz- und Bewertungswahlrechte. Problematisch ist zT bereits die Identifikation von Wahlrechten, dh die Feststellung, ob eine steuerliche Norm ein Wahlrecht beinhaltet. Ursächlich hierfür ist ein teils zu vermissender eindeutiger Normwortlaut, der dem Rechtsanwender zweifelsfrei ein Wahlrecht signalisiert ("kann" vs "darf" vs "darf nur"). Weiterhin ist strittig, ob der steuerliche Wahlrechtsvorbehalt – entsprechend des ohne Einschränkungen formulierten § 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG – jegliche steuerliche Wahlrechte ohne Ansehen ihrer Motivation (steuersubventionell/fiskalisch motiviert/Vereinfachung) oder der

GoB-Konformität der Wahlmöglichkeiten umfasst oder zu beschränken ist.

Nach Auffassung der FinVerw ist der steuerliche Wahlrechtvorbehalt weit auszulegen, er umfasst alle Wahlrechte, die sich aus dem Gesetz oder Verwaltungsanweisungen ergeben, unabhängig davon, ob ein korrespondierendes handelsrechtliches Wahlrecht besteht oder das Wahlrecht lediglich einseitig steuerlich besteht (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 12f, 16; vgl auch Stobbe, DStR 2008, 2433; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 929; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 976; Herzig/Briesemeister, DB 2010, 917; Dörfler/Adrian, Ubg 2009, 387; Kirsch, Stbg 2009, 320; Ortmannn-Babel/Bolik/Gageur, DStR 2009, 935; Ott, StuB 2009, 470; Theile, DStR 2009, 2384; Werth, DStZ 2009, 509f; Klein, NWB 2010, 2044ff; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl 2015, Kap C, Rz 596; Schmidt/Usinger in Beck'scher Bilanz Komm, 11. Aufl 2018, § 243 Rz 112; Winkeljohann/Buchholz in Beck'scher Bilanz Komm, 11. Aufl 2018, § 274 Rz 122, 125; Schubert/Adrian in Beck'scher Bilanz Komm, 11. Aufl 2018, § 274 Rz 144f; Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz 202 (März 2018); Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz 60, 37. Aufl 2018).

 

Rn. 330

Stand: EL 134 – ET: 02/2019

Die Diskussion um die Reichweite des steuerlichen Wahlrechtsvorbehalts hat sich ins...

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