Rn. 1

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

§ 32a EStG bestimmt den auf die Steuerbemessungsgrundlage (das zvE iSd § 2 Abs 5 EStG) anzuwendenden ESt-Tarif, dh den Steuersatz, nach dem die tarifliche ESt zu berechnen ist. Soweit nicht Sonderregelungen Anwendung finden (§§ 31, 32b, 32d, 34, 34a, 34b, 34c34d, 34e, 34 f, 34g, 35 EStG), ist die nach der Tarifvorschrift berechnete ESt die vom StPfl zu tragende steuerliche Belastung seines stpfl Einkommens. Mit der Anknüpfung an das Einkommen unterliegt die ESt in besonderem Maße dem aus Art 3 Abs 1 GG zu entnehmenden Gebot der Steuergerechtigkeit, nach dem die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden muss, BVerfG BStBl II 1977, 135; 1982, 717; 1984, 357; 1990, 653. Die Ausgestaltung des ESt-Tarifs steht dabei jedoch auch unter der Prämisse, das zur Finanzierung des Staatshaushalts erforderliche ESt-Aufkommen gerecht auf alle StPfl zu verteilen.

Die insoweit erforderliche Ausgestaltung des Tarifs ist allein eine politische Entscheidung, die nur vom Gesetzgeber getroffen werden kann und die der Nachprüfung durch die Gerichte weitgehend entzogen ist (BVerfG v 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BFH/NV Beilage 2006, 368; BFH BStBl II 1973, 754; 2001, 778; FG Mchn EFG 1997, 1024; FG Ha v 04.04.2012, 2 K 9/12; zu den formellen Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verfassungswidrigkeit des § 32a EStGBFH BStBl II 2010, 747 und BVerfG v 13.04.2012, 2 BvR 1384/10, StE 2012, 290). Die Gestaltungsfreiheit erstreckt sich auch auf die gesetzgeberische Verfolgung anderer Ziele, insb konjunktur-, wirtschafts- und sozialpolitischer Art.

Auch aus der zur VSt ergangenen Entscheidung des BVerfG BStBl II 1995, 655 ergeben sich keine für die Tarifgestaltung in § 32a EStG festgelegten Rahmenbedingungen für den Gesetzgeber. Das BVerfG hat zu Recht im sog Halbteilungsgrundsatz keine über die VSt hinausgehende eigene Aussage gesehen (BVerfG v 18.01.2006, 2 BvR 2194/99, BFH/NV Beilage 2006, 368; ebenso BFH BStBl II 1999, 771; Loschelder in Schmidt, § 32a EStG Rz 4; Englisch, StuW 2003, 237; Fischer, FR 1999, 1292; Leisner-Ebensperger, DStZ 2018, 910). Bei der Entscheidung aus dem Jahr 1995 ging es allein um die Frage, wo die "Grenze der Gesamtbelastung des Vermögens" durch eine VSt anzusetzen ist, die neben der ESt erhoben wird und zu den übrigen Steuern "hinzutritt". Eine VSt tritt als wiederkehrende Steuer jährlich wiederholend auf, während die Ertragssteuern darauf abzielen, einen tatsächlichen Hinzuerwerb nur einmal im Jahr seiner Entstehung steuerlich zu erfassen.

Ist der sog Halbteilungsgrundsatz zur VSt bei den Ertragssteuern nicht zu beachten, so ergibt sich auch aus Art 14 GG keine die Gesamtbelastung durch Ertragssteuern begrenzende Aussage. Es lässt sich insb aus dem Eigentumsgrundrecht keine allg verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten. Soweit die Belastung nach den allg Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit noch zulässig ist, ist das Eigentumsrecht auch nicht rechtswidrig beeinträchtigt. Allerdings stellt das BVerfG in seinem Beschluss v 18.01.2006 fest, dass die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen im Regelfall nicht so hoch sein darf, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt. Bei der Abwägung der steuerlichen Belastung muss dem Berechtigten ein privater Nutzen verbleiben. Eine Belastung durch ESt und GewSt von über 50 % liegt dabei noch im zulässigen Bereich. Dogmatisch bemerkenswert ist bei der Entscheidung des 2. Senats des BVerfG, dass er zwar einen grundrechtlichen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht des Art 14 GG durch die Ertragssteuer bejaht; jedoch diesen Eingriff iRd Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtlich gerechtfertigt ansieht. Damit beurteilt der 2. Senat die Rechtsfrage insoweit anders, als der 1. Senat, der der Ansicht war, dass Steuerlasten grundsätzlich den Schutzbereich des Art 14 GG unberührt lassen (s BVerfG BVerfGE 95, 300).

Eckpfeiler einer Einkommensbesteuerung, die sich iRd grundgesetzlichen Ordnung hält, sind:

 

Rn. 2

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

(1) Beachtung des Existenzminimums. Hierbei handelt es sich um die Einkommensteile, die zur Bestreitung des notwendigen Lebensbedarfs, der die Führung eines menschenwürdigen Lebens in der Gesellschaft ermöglicht, erforderlich sind und die deshalb keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit begründen mit der Folge, dass sie nicht mit ESt belegt werden dürfen (s Rn 10–12). Maßstab ist dabei eine auf den VZ bezogene Sichtweise, sodass das Existenzminimum im Jahr der Zahlung von Steuerschulden aus Vorjahren nicht um diese Steuerschulden zu erhöhen ist (BVerfG v 05.08.2002, 2 BvR 1920/00, StEd 2002, 578; BFH BFH/NV 2001, 34).
 

Rn. 3

Stand: EL 152 – ET: 08/2021

(2) Beachtung der Unterhaltsverpflichtungen. Sie sind ein besonderer, die Leistungsfähigkeit beeinträchtigender Umstand. Ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit darf die Rechtsordnung nicht einerseit...

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