Rn. 343

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Die Realisation eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs 4 EStG iVm § 17 Abs 2 S 1 EStG hat nach der Rspr des BFH drei zentrale Voraussetzungen:

(1) Der Auflösungstatbestand muss zivilrechtlich vorliegen (s Rn 348ff).
(2) Die Höhe der Zuteilung und Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen muss im Wesentlichen feststehen; dies betrifft die Vermögenslage der Gesellschaft (s Rn 360f).
(3) Die Höhe der AK muss feststehen; dies betrifft folglich die Vermögenslage der Gesellschafter (s Rn 362ff).
 

Rn. 344

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Nur wenn diese drei Bedingungen kumulativ erfüllt sind, ist der entsprechende Realisationszeitpunkt gegeben. Es besteht kein Wahlrecht, in welchem VZ der Auflösungsgewinn/-verlust geltend gemacht werden kann (BFH vom 03.06.1993, VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162).

Sofern auf den Zeitpunkt der Löschung der KapGes im HR abgestellt werden würde, käme dies jedoch einem Wahlrecht für den Zeitpunkt der Versteuerung gleich, da die Gesellschafter den Zeitpunkt der Löschung bestimmen können. Durch das Vorziehen des Realisationszeitpunktes nimmt die Rspr den Gesellschaftern diesen Gestaltungsspielraum (Preetz, GmbHR 2007, 1022).

 

Rn. 345

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Für die Ermittlung des Auflösungsgewinns/-verlustes gelten die GoB, so dass wie bei der Veräußerung (punktuelles Ereignis) eine Stichtagsbewertung vorzunehmen ist (BFH vom 01.07.2014, IX R 47/13, BStBl II 2014, 786). Nachträgliche Änderungen sind unabhängig vom Zufluss/Abfluss entsprechend § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO ex nunc zu berücksichtigen (s Rn 255ff).

 

Rn. 346

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

In der Praxis besteht häufig zwischen dem StPfl und der FinVerw Uneinigkeit, in welchem VZ ein Auflösungsverlust (seltener: -gewinn) zu berücksichtigen ist. Hier gilt die Empfehlung, diesen so frühzeitig wie möglich – also bereits im VZ der zivilrechtlichen Auflösung der KapGes (im Regelfall Liquidationsbeschluss der Gesellschafter (s Rn 348ff)) – geltend zu machen (glA Eppers, EFG 2009, 1646) und bis zu einer abschließenden Entscheidung alle weiteren VZ verfahrensrechtlich offenzuhalten (ggf über Einsprüche). Zumindest sollten alle möglichen/denkbaren VZ offengehalten werden, solange keine bestandskräftige Veranlagung des Gesellschafters mit Berücksichtigung des Auflösungsverlustes vorliegt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein Auflösungsverlust iSd § 17 ggf endgültig nicht berücksichtig wird, da er im falschen VZ geltend gemacht wurde.

Um Unklarheiten hinsichtlich der zeitlichen Berücksichtigung eines Verlustes iSd § 17 EStG zu vermeiden, kann auch eine Veräußerung der Beteiligung zu einem symbolischen Kaufpreis iHv EUR 1 und eine anschließende Liquidation in Erwägung gezogen werden. Der BFH hat im Urteil vom 13.12.2018 eine Verlustrealisation durch Veräußerung grundsätzlich toleriert (BFH vom 13.12.2018, III R 13/15, BFH/NV 2019, 1069; Fuhrmann, NWB 2020, 150 (157)).

 

Rn. 347

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Einer tatsächlichen Verständigung kommt keine Bindungswirkung zu, wenn FA und StPfl einen Umstand als Geschäftsgrundlage zugrunde gelegt haben, der von vornherein gefehlt hat. Im Streitfall des BFH vom 11.04.2017, IX R 24/15, BFH/NV 2017, 1382 wurde ein insolvenzbedingter Auflösungsverlust für das Streitjahr 2007 geltend gemacht. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens wurde eine tatsächliche Verständigung getroffen, wonach in tatsächlicher Hinsicht von einem im Jahr 2005 entstandenen Verlust ausgegangen werden sollte. Erst bei der Umsetzung der Vereinbarung stellte das FA fest, dass der ESt-Bescheid des Gesellschafters für das Jahr 2005 verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar ist. Der BFH entschied, dass in diesem Fall der StPfl an die tatsächliche Verständigung nicht mehr gebunden sei, da ein wesentlicher Umstand, den die Parteien als gemeinschaftliche Grundlage der Verständigung vorausgesetzt haben, nicht vorliege und ein Festhalten an der Vereinbarung für den StPfl nicht mehr zumutbar sei.

a) Zivilrechtlicher Auflösungstatbestand

 

Rn. 348

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Die Entstehung eines Auflösungsverlustes oder eines Auflösungsgewinns iSd § 17 Abs 4 EStG setzt eine zivilrechtliche Auflösung als wesentliches Tatbestandsmerkmal voraus. Von der zivilrechtlichen Auflösung ist die Beendigung der Gesellschaft bzw die Liquidation zu unterscheiden, was für das Entstehen des Auflösungsverlustes/-gewinns jedoch nicht Voraussetzung ist. Die Auflösung ist nicht nur deshalb Voraussetzung, weil vorher die einzelnen Grundlagen des Auflösungsverlustes/-gewinns idR nicht feststehen, sondern vor allem auch, weil der Tatbestand des § 17 Abs 4 EStG die (zivilrechtliche) Auflösung der KapGes erfordert (BFH vom 03.10.1989, VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361; BFH vom 03.06.1993, VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162; BFH vom 14.06.2000, XI R 39/99, BFH/NV 2001, 302).

 

Rn. 349

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Bei der Auflösung wird der ursprüngliche Zweck der Gesellschaft geändert. Der neue Zweck ist das Abwickeln der Gesellschaft. Dabei bleibt die Gesellschaft als wirtschaftliche Einheit weiterhin...

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