Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelfallentscheidung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Masseverbindlichkeit

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Teilurteil vom 25.10.2005; Aktenzeichen 5 Ca 582/04 Mü)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.04.2008; Aktenzeichen 6 AZR 368/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird dasTeilurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim – Gerichtstag Mühldorf – Gz.: 5 Ca 582/04 Mü – vom25. Oktober 2005 geändert:

Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, an die Klägerin

EUR 3.864,– (i. W.: dreitausendachthundertvierundsechzig) brutto

nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus EUR 1.403,– (i. W.: eintausendvierhundertdrei Euro) seit 1. Januar 2004,

aus weiteren EUR 1.177,60 (i. W.: eintausendeinhundertsiebenundsiebzig 60/100 Euro) seit 1. Februar 2004

undaus weiteren EUR 1.283,40 (i. W.: eintausendzweihundertdreiundachtzig 40/100 Euro) seit 1. März 2004 als Masseschuld zu zahlen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt, nachdem sie zunächst – erfolglos – gegenüber dem Insolvenzschuldner (Beklagter zu 1.) Vergütungsansprüche geltend gemacht hat, ihre Vergütung nunmehr vom Insolvenzverwalter (Beklagter zu 3.).

Über das Vermögen des Beklagten zu 1. ist mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – Mühldorf a. Inn vom 11. März 2003 (IN 310/02) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 3. zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Der Beklagte zu 1. hatte als natürliche Person bis November 2002 eine Druckerei betrieben und sie dann stillgelegt. Allerdings hat er ab 17. oder 18. Februar 2003 seinen Druckbetrieb unter der neuen Einzelfirma „Pr.” fortgesetzt, wovon jedoch der Beklagte zu 3. bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnisse hatte. Davon erfuhr Letzterer wohl erst Mitte Mai 2003.

Die Klägerin war seit 17. Februar 2003 in einer 30-Stunden-Woche zu einem Stundenlohn in Höhe von EUR 9,20 brutto beim Beklagten zu 1. beschäftigt. Dieser hat ihr für die Monate Dezember 2003 eine Abrechnung ihrer Arbeitsleistung in Höhe von EUR 1.403,– brutto, für Januar 2004 in Höhe von EUR 1.177,60 brutto und für Februar 2004 in Höhe von EUR 1.128,15 brutto erteilt, jedoch keine Zahlungen geleistet.

Der Beklagte zu 3. hat als Insolvenzverwalter dem Beklagten zu 1. unter dem 22. Mai 2003 eine „Freigabeerklärung” mit folgendem Inhalt erteilt:

„Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn – Insolvenzgericht – vom 11.03.2003 wurde über Ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

Folge dieses Eröffnungsbeschlusses ist gem. § 35 InsO, dass sämtliches Vermögen, welches Ihnen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterfällt.

Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreiben Sie einzelkaufmännisch einen Betrieb als Drucker. § 811 Nr. 5 ZPO sieht vor, dass sämtliche betriebsnotwendige Gegenstände, die dem Einkommenserwerb durch die Tätigkeit dienen, nicht der Pfändung unterfallen.

Die Möglichkeit einer Verwertung und damit einer Anreicherung der dem Verfahren zur Verfügung stehenden liquiden Masse ist infolge dessen ausgeschlossen.

Auf Grundlage dieses Umstandes macht der Unterzeichnende von seinem Recht gem. § 80 InsO Gebrauch und gibt die unmittelbar für die selbständige Erwerbstätigkeit des Schuldners benötigten Betriebsmittel aus dem Beschlag der Masse frei.

Diese Freigabe erfasst auch den sog. Neuerwerb des Schuldners. Hiermit sind diejenigen Betriebsmittel angesprochen, welche der Schuldner auf Grundlage seiner gewerblichen Tätigkeit erwirbt und für die Fortführung seines Betriebes einsetzt. Nicht erfasst sind die betrieblichen Gewinne des Schuldners. Diese unterliegen einer gesonderten Vereinbarung des Unterzeichnenden mit dem Schuldner und sind in Entsprechung zu § 850c ZPO an die Insolvenzmasse abzuführen.

Eine Verwaltungs- und/oder Verfügungsbefugnis des Unterzeichnenden über diese Gegenstände besteht somit nicht mehr …”

Nachdem die Klägerin zwar in ihrer Zahlungsklage gegenüber dem Beklagten zu 1. auf Vergütung ihrer geleisteten Arbeit für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 17. Februar 2004 in Höhe von insgesamt EUR 3.864,– brutto nebst gesetzlicher Zinslast vor dem Arbeitsgericht erfolgreich war, unterlag sie vor dem Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 30. November 2004 (8 Sa 679/04).

Nunmehr verfolgt sie die gleichen Ansprüche gegen den Beklagten zu 3.

Dieser hat in der Niederschrift über den Gerichts- und Prüfungstermin am Amtsgericht – Insolvenzgericht – Mühldorf a. Inn vom 13. Mai 2003 u. a. beantragt, „den Geschäftsbetrieb des Herrn R., wieder aufgenommen 3 ½ Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aus dem Massebeschlag freigeben zu dürfen. Vor Freigabe wird der Schuldner jedoch verpflichtet, zu erklären, Mindestgewinne zu erzielen in Höhe eines vergleichbaren angestellten Druckers und weiters einen Mindestbetrag an die Insolvenzmasse abzuführen …” Dem Antrag wurde stattgegeben.

Die Klägerin hat vor dem Ar...

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