Rz. 22

[Autor/Stand] Originär liegt die ausschließliche Zuständigkeit zur Verfolgung von Straftaten bei der StA[2]. § 386 AO enthält die Grundbestimmung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen StA und FinB im Steuerstrafverfahren. Sie regelt die funktionelle Zuständigkeit der FinB im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren[3], während die Aufgaben und Befugnisse der Steuer- und Zollfahndung in §§ 208, 404 AO normiert sind. § 386 AO für sich betrachtet ist eine reine Kompetenzzuweisungsnorm, keine Ermächtigungsgrundlage (letztere ergeben sich jeweils aus §§ 399, 400, 401 bzw. § 402 AO i.V.m. § 385 AO und den jeweiligen StPO-Bestimmungen).

 

Rz. 23

[Autor/Stand] Durch die Regelung des § 386 AO wird, sofern der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer gleichgestellten Straftat besteht, das Ermittlungsmonopol der StA (§ 152 Abs. 2, §§ 160, 161 StPO) nicht durchbrochen oder eingeschränkt[5], sondern nach Maßgabe der Abs. 2–4 modifiziert[6]. Die originäre Ermittlungsbefugnis der StA wird nicht durch § 386 Abs. 2 AO verdrängt, sondern tritt in eine ungleichartige, nachrangige Konkurrenz mit derjenigen der FinB. Die Kompetenz ist insofern ungleichrangig, als dass die StA das Verfahren jederzeit an sich ziehen kann.

So kann die StA bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Steuerhinterziehung von sich aus das Steuerstrafverfahren einleiten und in die Ermittlungen die FinB einschalten bzw. das Verfahren später zur selbständigen Durchführung an die FinB abgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 3 AO).

Es besteht heute nahezu Einigkeit darüber, dass die Ermittlungsbefugnis der FinB lediglich von der StA abgeleitet ist, wenn auch die Rechtsstellung der FinB unterschiedlich, teils auch missverständlich umschrieben und beurteilt wird[7].

 

Rz. 24

[Autor/Stand] Sofern die FinB die Ermittlungen wegen einer Steuerstraftat oder einer gleichgestellten Tat selbständig führt (§ 386 Abs. 2 AO), tritt sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse (§ 399 Abs. 1 und §§ 400, 401 AO) an die Stelle der StA. Es darf aber nicht übersehen werden, dass in den Fällen des § 386 Abs. 3 AO und § 386 Abs. 4 AO die selbständige Ermittlungsbefugnis ohne weiteres wieder auf die StA übergeht. Während dies nach Abs. 3 von Gesetzes wegen dann der Fall ist, sobald gegen den Beschuldigten wegen der Tat ein Haft- oder Unterbringungsbefehl erlassen wird bzw. Anklage erhoben werden soll (§§ 400, 401 AO), hat die StA gem. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO jederzeit die Möglichkeit, die Strafsache an sich zu ziehen, ohne hierfür nähere Gründe angeben zu müssen. Die FinB kann ihrerseits die Sache an die StA abgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO). Dies bedeutet, dass die Strafverfolgungskompetenz der FinB jederzeit auf die StA als allgemeine Ermittlungsbehörde übergehen kann. Die StA ist also auch für das Steuerstrafverfahren letztlich "Herrin des Ermittlungsverfahrens"[9], sie behält den Vorrang[10].

 

Rz. 25

[Autor/Stand] Andererseits folgt daraus nicht, dass die FinB nur als bloßes Hilfsorgan der StA tätig wird[12]. Solange sie die Ermittlungen selbständig führt, kann die StA ihr keine Weisungen erteilen oder ihr bestimmte Ermittlungen vorschreiben[13]. Eine Sachaufsicht ist damit nicht verbunden. Die FinB ist unabhängig von der StA zur Aufklärung der Steuerstraftat berechtigt (vgl. §§ 161, 161a, 162, 163a Abs. 3 StPO; s. auch § 385 Rz. 85 ff.) und nach dem Legalitätsprinzip auch verpflichtet (vgl. § 160 Abs. 2 und 3 StPO). Wenn die StA ihre Anregungen entgegen der Auffassung der FinB durchsetzen will, verbleibt ihr nur die Möglichkeit, gem. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO das Verfahren in Gänze an sich ziehen (s. Rz. 133 ff.). Die Verantwortung für die Ermittlungen liegt daher im selbständigen Ermittlungsverfahren allein bei den FinB. Auswirkungen ergeben sich auch mit Blick auf das Legalitätsprinzip. Die FinB können nach § 399 Abs. 1, § 400 AO im Anschluss an ein selbständig durchgeführtes Ermittlungsverfahren (§ 386 Abs. 1, 2 AO) einen Strafbefehl beantragen. Jedoch ist der FinB die Erhebung der öffentlichen Klage mittels einer Anklageschrift verwehrt. Die StA kann eine Steuerstrafsache gem. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO indes jederzeit an sich ziehen (Evokationsrecht), so dass zwar eine Durchbrechung des positiven, nicht aber des negativen Anklagemonopols der StA vorliegt.

 

Rz. 26

[Autor/Stand] Grundsätzliches zur Rollenverteilung zwischen FinB und StA in Steuerstrafverfahren hat der BGH in einem obiter dictum ausgeführt und hierbei die dominante Rolle der StA hervorgehoben[15]:

„Zwar hat die Finanzbehörde bei Verdacht einer Steuerstraftat (und Begleitdelikten gemäß § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO) im Grundsatz eine eigenständige Ermittlungskompetenz (§ 386 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO; vgl. auch Erb in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 160 Rdn. 11). Zudem bestimmt § 400 AO: ‚Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so beantragt die Finanzbehörde beim Richter den Erlass eines Strafbefehls, wenn die Strafsache zur Behandlung im Strafbefehlsverfahren geeignet erscheint; ist...

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