Tz. 671

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

In der Praxis besonders umstritten ist die Übertragung oder Überlassung von sog Geschäftschancen.

Eine Geschäftschance ist die konkrete Möglichkeit, aus einem noch abzuschließenden Geschäft einen Gewinn (Vorteil) zu erzielen, soweit sich dieser nicht bereits aus anderen WG oder schwebenden Geschäften ergibt (zB die konkrete Möglichkeit, ein WG zu einem günstigen Preis erwerben zu können oder ein Geschäftsangebot). Die Geschäftschance stellt ein immaterielles WG dar. Sie kann Gegenstand einer Einlage sein.

Eine Geschäftschance kann grds nur zus mit einem Aufgabenbereich übertragen und gesondert vergütet werden. Eine gesonderte Vergütung kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Geschäftschance eine objektiv werthaltige Position verkörpert (s Urt des BFH v 08.11.2000, DStR 2001, 571). Aus den nach der Übertragung bzw Überlassung erzielten Verlusten bzw Gewinnen darf nicht ohne Weiteres auf das (Nicht)Vorliegen von Geschäftschancen geschlossen werden. Ist die Existenz eines Vermögensvorteils aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters zu bestimmen, so kann jeder Umstand herangezogen werden, der ihm einen Rückschluss auf die Werthaltigkeit am Stichtag erlaubt hätte.

 

Tz. 672

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Werden Geschäftschancen unentgeltlich auf ein verbundenes Unternehmen verlagert, kommt eine stliche Gewinnkorrektur beim übertragenden Unternehmen unter folgenden Voraussetzungen in Betracht:

Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die sich bietende Geschäftschance tats wahrgenommen (s Urt des BFH v 12.06.1997, FR 1997, 773), und
die Geschäftschance muss dem Unternehmen, das diese Chance abgibt, zuzurechnen sein. Es muss allein oder überwiegend in den Händen dieses Unternehmens liegen, die Chance wahrzunehmen (s Urt des FG Münster v 08.06.1979, EFG 1980, 44).
Eine Geschäftschance kann einem Unternehmen zugerechnet werden, wenn das Geschäft unter den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand oder die typische Geschäftstätigkeit fällt und mind eine der nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
das Unternehmen hat bereits Interesse an dem Geschäft geäußert oder sogar schon Vertragsverhandlungen geführt;
das Geschäftsangebot ist ausdrücklich an das Unternehmen bzw den GF als Gesellschaftsorgan herangetragen worden;
der Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person hat die Geschäftschance mit Mitteln oder Personal des Unternehmens realisiert;
das Unternehmen ist von der Personal-, Sach- und Finanzausstattung her in der Lage, die Geschäftschance zu nutzen (s Urt des BFH v 12.06.1997, FR 1997, 73).
 

Tz. 673

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Zu diesem Bereich besteht für reine Inl-Fälle eine umfangreiche Rspr (s § 8 Abs 3, Tz 850ff). Bei der Übertragung auf Ausl-Fälle stellt sich vor allem die Frage, ob auch die Handlungsalt einer Verlagerung auf einen Auftragsfertiger und damit die "faktische Gewinnabsaugung" zu berücksichtigen ist. Dies ist zu bejahen, da dies dem Grundsatz des Fremdverhaltens nach § 1 AStG entspricht.

Die Fremdpreisbandbreite für Geschäftschancen orientiert sich an den zukünftigen Ergebnisbeiträgen, mit denen das bisher tätige sowie das die Funktion übernehmende Unternehmen bei vorsichtiger Prognose rechnen konnte.

Gerade bei der Übertragung von Geschäftschancen ist zu beachten, dass mit der Übertragung der Funktion auch Risiken mit übergehen können, die angemessen zu berücksichtigen sind. So geht zB im Falle der Zentralisierung der Finanzierung auf eine ausl Gesellschaft nicht die "Brutto-Marge" über, sondern auch die entspr Risiken sind preismindernd zu berücksichtigen.

 

Tz. 674

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Die nachfolgende Übersicht zeigt die wichtigsten, den Fremdpreis bestimmenden Risiken, die den entspr Funktionen gegenüberstehen:

 
Funktionen (preismindernde) Risiken
Forschung und Entwicklung, Design, Produktion, Montage, Qualitätskontrolle, Verpackung, Kundendienst Fehlgeschlagene Forschung bzw Produktentwicklung, Garantierisiko
Materialbeschaffung, Lagerhaltung Vorratsrisiko
Vertrieb, Werbung, Marketing, Inkasso, Marktforschung Wechselkursrisiko, Forderungsausfall, Preisverfall, Marktrisiko (Änderung der technischen bzw modischen Ansprüche), Geschäftsstrategie
Transport Transportschäden, Diebstahl
Aus-/Weiterbildung Mitarbeiterfluktuation
Versicherung, Leasing, Finanzierung, Immobilienverwaltung, Treasury Versicherungsschäden, Kursschwankungen

Zum Verhältnis der Geschäftschancenlehre zur Regelung der Funktionsverlagerung (Abgrenzung zur vGA bzw verdeckten Einlage) s Tz 14ff.

Die Abgrenzung zu den anderen Regelungen soll anhand folgendem Bsp erläutert werden:

 

Beispiel:

Der Zulieferer X GmbH (inl MG) ist als Hersteller, Entwickler und Vertreiber von Zulieferteilen im Fahrzeugbau tätig und ist Eigentümer sämtlicher wes immaterieller WG (Patente, Know-how, Marke, Kundenbeziehungen) im Konzern.

Die X Mexiko (EG) stellt ab März 04 als Auftragsfertiger für ihren Gesellschafter X CH (TG der X GmbH) das Produkt A für den Fahrzeughersteller F in d...

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