rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Anrechnungsverfügung bei cum/ex-Geschäften

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird die Kapitalertragsteueranrechnungsbescheinigung von dem ausstellenden Kreditinstitut widerrufen, obliegt es dem Steuerpflichtigen die Erhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden- bzw. Dividendenkompensationszahlungen anhand anderer geeigneter Beweismittel nachzuweisen.
  2. Der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer durch den Emittent der Aktien berechtigt nicht zur Anrechnung der Steuer bei Dividendenkompensationszahlungen.
  3. Eine mehrfache Anrechnung von Kapitalertragsteuer trotz einmaliger Entrichtung ist nicht gesetzesgemäß.
  4. Die Anrechnungsbescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG liefert zum einen den Anscheinsbeweis für die entrichtete Kapitalertragsteuer. Zum anderen hat sie Tatbestandsmerkmalsfunktion bei § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 EStG.
  5. Das Geltendmachen von Kapitalertragsteuer als Abzugsteuer in Kenntnis der Nichterhebung der Steuer stellt trotz Vorliegens einer Anrechnungsbescheinigung eine arglistige Täuschung i.S.d. § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO dar.
 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1, § 45a Abs. 3, § 44 Abs. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 2; AO § 130 Abs. 2 Nrn. 3, 2

 

Streitjahr(e)

2006, 2007, 2008

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 15.07.2013; Aktenzeichen 2 BvR 2594/12)

 

Tatbestand

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Bescheide über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen für die Jahre 2006 bis 2008. Streitig ist die Rückforderung der angerechneten Kapitalertragsteuer.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das die Verwaltung eigener Vermögenswerte, insbesondere den Handel mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung zum Gegenstand hat. Alleiniger Gesellschafter ist Herr G 1. Er ist zugleich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Als weiterer alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer war bis zum 24.12.2008 Herr G 2 bestellt, dessen Geschäftsführungsbefugnis bei Rechtsgeschäften von über 50.000 EUR jedoch insoweit eingeschränkt war, als er dafür der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurfte.

In den Jahren 2006 bis 2008 tätigte die Antragstellerin Geschäfte mit marktgängigen Aktien deutscher Aktiengesellschaften, die überwiegend im Dax 30 und vereinzelt im M-Dax gelistet waren. Die Aktien wurden kurz vor bzw. am Tag der jeweiligen Hauptversammlung „cum dividende” gekauft und kurz nach der Dividendenzahlung wieder verkauft. Dazu hatte die Antragstellerin der BANK 1, die zugleich die Konten- und Wertpapierdepots der Antragstellerin führte, einen schriftlichen Auftrag zur Ausführung von Wertpapier- und Derivatgeschäften erteilt, in dem die Einzelgeschäfte genau bezeichnet waren (vgl. Anlage 1 bis 3 zum Antragsschriftsatz der Antragstellerin vom 18.05.11). Die BANK 1 führte die erteilten Wertpapiergeschäfte auftragsgemäß durch. Das Risiko von Kursschwankungen sicherte die Antragstellerin mit sog. Kurssicherungsgeschäften ab. Insgesamt betrugen die Anschaffungskosten für die von der Antragstellerin erworbenen Aktien im Jahr 2006 3.717.759.808 EUR, im Jahr 2007 5.779.073.986 EUR und im Jahr 2008 6.390.993.567 EUR. Die ausgezahlten Netto-Dividenden wurden auf dem Konto der Antragstellerin bei der BANK 1 gutgeschrieben. Die BANK 1 bescheinigte der Antragstellerin per Jahressteuerbescheinigungen für die Streitjahre den Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf die Dividendenerträge.

Das Finanzamt erließ daraufhin am 28.08.2007 einen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2006, in dem es Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge in Höhe von 22.972.800 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.263.504 EUR anrechnete. Der Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2007 erging am 11.06.2008 und sah eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge in Höhe von 37.956.440 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.087.604,20 EUR vor. In dem am 09.06.2009 erlassenen Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 rechnete das Finanzamt Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge in Höhe von 46.470.140 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.555.257,37 EUR an.

Die in den Körperschaftsteuerbescheiden festgesetzten Beträge wurden an die Antragstellerin erstattet. Dies führte zu einer Erstattung von 22.815.413,09 EUR in 2006, 37.192.138,59 EUR in 2007 und 46.363.050,99 EUR in 2008. Der Bescheid für 2008 wurde am 29.01.2010 zur Vornahme eines Verlustrücktrages aus 2009 in Höhe von 14.992 EUR geändert, was zu einer weiteren Erstattung von insgesamt 2.372,70 EUR führte. Alle erlassenen Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung, die bisher nicht abgeschlossen ist und in der es insbesondere um die Rechtmäßigkeit der Anrechnung von Steueranrechnungsbeträgen auf Dividenden geht, wurde festgestellt, dass die vorgenommenen Aktiengeschäfte alle außerhalb der Börse als sog. OTC-Geschäfte abgewickelt wurden. Der Aktienhandel (sog. cu...

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