Rz. 435

§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wurde mir Wirkung ab dem Vz 2023 durch JStG v. 16.12.2022[1] neu gefasst. Danach sind nach dem 31.12.2022 fertiggestellte Gebäude, bei denen es sich nicht um Gebäude i. S. d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG handelt, nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG jährlich mit 3 % abzuschreiben. Für entsprechende Gebäude, die vor dem 1.1.2023 und nach dem 31.12.1924 bzw. vor dem 1.1.1925 fertig gestellt worden sind, gilt nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b bzw. c EStG ein AfA-Satz von 2 bzw. 2,5 %. Die Regelung in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG wurde nicht entsprechend angepasst. Nach Auffassung der Finanzverwaltung setzt die AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG unter Heranziehung von Sinn und Zweck der Regelung voraus, dass die tatsäch­liche Nutzungs­dauer bei einem Gebäude i. S. d. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG weniger als 33 1/3 Jahre beträgt. Handelt es sich um Gebäude i. S. d. § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a, b bzw. c EStG ist maßgebend eine tatsächliche Nutzungsdauer von weniger als 33 1/3, 50 bzw. 40 Jahre. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, kann anstelle der AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende AfA vorgenommen werden.[2] Anzuwenden ist die Auffassung der Finanzverwaltung auf alle noch offenen Fälle.[3] M. E. ist der Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich zu folgen. Vor dem Hintergrund der Regelung in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG hätte es sich aber angeboten, von tatsächlichen Nutzungsdauern von weniger als 33, 50 bzw. 40 Jahren auszugehen. Mit einer gesetzlichen Anpassung von § 7 Abs. 4 S. 2 EStG an die veränderte Regelung in § 7 Abs. 4 S. 1 EStG ist zu rechnen.

 

Rz. 435a

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG hat der Stpfl. ein Wahlrecht. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ist nicht analog auf die Fälle, in denen die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes die gesetzliche Nutzungsdauer übersteigt, anzuwenden.[4] Ausgeübt werden kann das Wahlrecht sowohl zu Beginn des AfA-Zeitraums als auch im Laufe des AfA-Zeitraums. Letzteres setzt voraus, dass dem Stpfl. die dafür maßgebenden Umstände erst nachträglich bekannt werden.[5] Dabei kommt es für den Fall des nachträglichen Wechsels nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung des Gebäudes von einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer auszugehen war. Maßgebend ist vielmehr allein eine Prognose, die aus der Sicht des Vz zu treffen ist, in dem die erhöhte AfA geltend gemacht wird. Sofern erst nachträglich eine erhöhte AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG vorgenommen wird, ist die verbleibende tatsächliche Restnutzungsdauer mit der gesetzlichen Nutzungsdauer abzüglich der bereits verstrichenen Nutzungsdauer zu vergleichen.[6] Das Wahlrecht erfasst sowohl den Übergang von § 7 Abs. 4 S. 1 EStG auf § 7 Abs. 4 S. 2 EStG als auch – der Stpfl. ist zur erhöhten AfA nur berechtigt, nicht aber verpflichtet – den Übergang von § 7 Abs. 4 S. 2 EStG auf § 7 Abs. 4 S. 1 EStG. Mehrere Beteiligte, in deren Gesamthands- oder Bruchteilseigentum das betreffende Gebäude steht, müssen das Wahlrecht einheitlich ausüben. Nicht zulässig ist ein Wechsel von der degressiven Gebäude-AfA zur AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG.[7]

 

Rz. 436

Wird das Wahlrecht im Laufe des AfA-Zeitraums ausgeübt, ist ab dem Zeitpunkt der Verkürzung der Nutzungsdauer der zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer zu verteilen. Die AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ist dabei so zu bemessen, dass die AfA-Bemessungsgrundlage nach Ablauf der Nutzungsdauer voll abgeschrieben ist. Entfallen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG, es kommt z. B. zu einer Verlängerung der tatsächlichen Nutzungsdauer aufgrund nachträglicher Herstellungskosten, ist die Summe aus Restwert und nachträglichen Herstellungskosten auf die durch Schätzung neu zu ermittelnde tatsächliche Restnutzungsdauer zu verteilen. Hierbei darf allerdings die Addition von bisheriger Nutzungsdauer und Restnutzungsdauer nicht zu einer Überschreitung der in § 7 Abs. 4 S. 1 EStG gesetzlich festgelegten Nutzungsdauer führen.[8] Mindestens sind also die AfA-Sätze nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG anzuwenden. Die Vornahme von nachträglichem Herstellungsaufwand führt aber nur dann zu einer Verlängerung der Nutzungsdauer, wenn die für die Bewohnbarkeit maßgebende mutmaßliche Haltbarkeitsdauer der Bausubstanz in ihrer Gesamtheit dies gewährleistet.

 

Rz. 437

Der Begriff der tatsächlichen Nutzungsdauer ist in § 11c Abs. 1 S. 1 EStDV geregelt. Maßgebend ist danach der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende tatsächliche Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, die die Nutzungsdauer eines Gebäudes begrenzen können.[9] Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, wobei die technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer regelmäßig zusammenfallen. Ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge