Rz. 35

Nach einem entsprechenden Abzug auf der Ebene des Freibetrags ist nach § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG die Steuer für den Erwerb der Nacherbschaft und den Erwerb des freien Vermögens des Vorerben jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde – die Anknüpfung an den Steuersatz auf den Gesamterwerb wirkt wie ein Progressionsvorbehalt und ist gesetzestechnisch erforderlich, um eine ungerechtfertigte Begünstigung durch die Aufspaltung in 2 einzelne Erwerbe nach dem Verhältnis zum Erblasser einerseits und dem Verhältnis zum Vorerben andererseits zu vermeiden.[1] Für jeden der beiden Erwerbe gilt nicht nur § 14 ErbStG mit der Berücksichtigung früherer Erwerbe im Verhältnis zum Erblasser bzw. zum Vorerben, sondern auch der Härteausgleich nach § 19 Abs. 3 ErbStG.[2]

 
Praxis-Beispiel

Eine Erblasserin setzt ihre Tochter zur Vorerbin und ihren Sohn zum Nacherben ein. Der Sohn ist alleiniger Erbe seiner Schwester. Bei Eintritt des Nacherbfalls beantragt der Sohn die Besteuerung der Nacherbschaft im Verhältnis zur Erblasserin gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG. Die Nacherbschaft hat einen Steuerwert i. H. v. 500.000 EUR, das freie Vermögen der Vorerbin einen Steuerwert i. H. v. 100.000 EUR. Auf den Gesamterwerb i. H. v. 600.000 EUR kommt nach § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG lediglich der Freibetrag für die Vorerbschaft i. H. v. 400.000 EUR gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zur Anwendung, da dieser vollständig ausgeschöpft wurde (kein Restfreibetrag). Für die Besteuerung des Gesamterwerbs nach § 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG beläuft sich für einen verbleibenden Betrag i. H. v. 200.000 EUR (= 600.000 EUR ./. 400.000 EUR) der Steuersatz bei Anwendung der Steuerklasse I (Verhältnis zur Erblasserin) auf 11 % und bei Anwendung der Steuerklasse II (Verhältnis zur Vorerbin) auf 20 %. Die Steuer auf die Nacherbschaft beträgt 11.000 EUR (= 500.000 EUR ./. 400.000 EUR = 100.000 EUR × 11 %), die Steuer auf das freie Vermögen der Vorerbin 20.000 EUR (= 100.000 EUR × 20 %) und die Steuer auf den Gesamterwerb 31.000 EUR (= 11.000 EUR + 20.000 EUR).

[1] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 6 Rz. 21; RFH v. 16.7.1942, III 13/42, RStBl 1942, 935.
[2] § 19 ErbStG Rz. 13 ff.; Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 6 Rz. 29.

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