Erbschaftsteuer: Freibetrag wird nur einmal gewährt

Bei der Vererbung von Vermögen kann eine Nacherbschaft angeordnet werden. Das Vermögen wird dann bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Zwischenerben gesichert und verwaltet. Erst wenn der Nacherbfall eintritt (wenn z. B. der Zwischenerbe verstirbt oder eine andere Bedingung eintritt), geht das gesamte Erbe an den Nacherben. So können z. B. Großeltern festlegen, dass zuerst eine Tante vor den Enkeln erbt. Die späteren Erben können jedoch nur einen Freibetrag für die gesamte Erbschaft nutzen.

Mitunter währt die Freude über ein beträchtliches Vermögen im Falle einer Erbschaft recht kurz. Dies gilt vor allem dann, wenn die Erbschaftsteuer das Erbe stärker mindert als zunächst von den Beteiligten gedacht. Möglich ist dies zum Beispiel, wenn Freibeträge unerwartet bereits verbraucht wurden und daher nicht genutzt werden können, wie ursprünglich angenommen. So erging es Geschwistern in einem Fall, über den der Bundesfinanzhof (BFH Urteil vom 01.12.2021 - II R 1/20) zuletzt entschieden hat.

Freibetrag bei einer Folge von Erbschaften

Sowohl der bereits 1966 verstorbene Großvater als auch die 1992 verstorbene Großmutter hatten die Geschwister zusammen mit anderen als Erben bestimmt. Allerdings waren sie alle nur als Nacherben vorgesehen. Das bedeutet, dass das Vermögen erst zu einem späteren Zeitpunkt auf sie übergehen sollte. Denn die festgelegte Erbreihenfolge besagte, dass zuvor noch eine Tante der beiden Geschwister als Vorerbin bedacht wurde. Erst bei deren Tod im Jahr 2015 ging das gesamte Erbe unter anderem an die Geschwister.

In ihrer Erbschaftsteuererklärung stellten diese den Antrag, ihr Verwandtschaftsverhältnis zu den Großeltern als Basis für die Besteuerung zu berücksichtigen. Da der Vater der Geschwister bereits verstorben war, legte das zuständige Finanzamt bei der Steuerberechnung einen Freibetrag von 400.000 EUR zugrunde. Die Erben waren allerdings der Meinung, dass ihnen dieser Betrag zweimal zustehen müsste – einmal als Nacherben des Großvaters und einmal als Nacherben ihrer Großmutter. Ihre entsprechende Klage wies das Finanzgericht München jedoch ab. Ihre Entscheidung begründeten die Richter damit, dass das Vermögen von derselben Vorerbin auf die Geschwister übergegangen war. Im Sinne der Erbschaftsteuer handelt es sich dadurch um einen Erbfall.

Unterschied zwischen Zivilrecht und Steuerrecht

Der Bundesfinanzhof bestätigte in der anschließenden Revision die Entscheidung der Vorinstanz. Denn im Finanzrecht gilt eine andere Betrachtung als im Zivilrecht. So wäre zivilrechtlich zunächst die Tante Erbin des Großvaters und später der Großmutter gewesen. Im nächsten Schritt würden nach ihrem Tod unter anderem die Geschwister ebenfalls jeweils die Großeltern beerben. Finanzrechtlich gelten sie dagegen lediglich als Erben der Tante. Entsprechend ergibt sich daraus, dass der Freibetrag nur einmal genutzt werden kann.

Hat auch die Tante die Geschwister als Erben eingesetzt, handelt es sich nach dem Zivilrecht sogar um zwei Erbfälle. Der erste würde dabei das von den Großeltern in der Form des Nacherbes erhaltene Vermögen betreffen, der andere das von der Tante erhaltene. Steuerrechtlich verschmilzt aber auch in diesem Fall das Erbe zu einer Erbmasse. Juristen sprechen hier von einem "einheitlichen Erwerb vom Vorerben".

Gewährung des Freibetrags

Den Geschwistern steht demnach nur ein Freibetrag zu. Im vorliegenden Fall beträgt dieser 400.000 EUR, da sie die Möglichkeit des Erbschaftsteuerrechts nutzten, die Versteuerung anhand des Verhältnisses zu den Großeltern zu beantragen. Das heißt, wird die Erbfolge in mehreren Schritten gestaltet, besteht für die Nacherben ein Wahlrecht in Bezug auf den Freibetrag. Diesen Antrag kann jeder von ihnen individuell stellen. Anzugeben ist dabei das Verhältnis zum Erblasser. Gewährt wird ihnen damit der für sie günstigste Freibetrag.  

Über diesen Betrag hinaus kann dann jedoch kein weiterer Freibetrag in Anspruch genommen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob wie bei den Geschwistern sowohl Großvater als auch Großmutter – und damit also 2 Erblasser – Vermögen übertragen haben oder ob auch das Erbe der Tante schließlich zusammen mit den übrigen Werten an die Erben fließt. Lediglich für den Fall, dass der erhaltene Freibetrag durch das Erbe der Großeltern nicht aufgebraucht würde, könnte er auf den ergänzenden Erbfall angerechnet werden.

Praxis-Tipp: Wissenswertes zur zeitlich versetzten Erbfolge

Bei einem Vorerben handelt es sich im Grunde um einen "Erben auf Zeit". Dabei muss der Übergang von Vermögen auf den Nacherben nicht zwingend erst mit dem Tod des Vorerben geschehen. So kann ein Erblasser testamentarisch auch einen anderen Zeitpunkt festlegen. Denkbar ist hier zum Beispiel die Volljährigkeit des späteren Erben. Entscheidend für denjenigen, der zeitlich befristet das Erbe antritt, ist die eingeschränkte Verfügungsmacht über das Vermögen. Denn dieses muss dem Nacherben ungekürzt weitergegeben werden. Anders ist es nur dann, wenn der Vorerbe im Testament von bestimmten Einschränkungen befreit wurde.


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Schlagworte zum Thema:  Erbschaftsteuer, Freibetrag, BFH-Urteile