Betriebliche Gesundheitsförderung: Steuerfrei

Seit dem 1.1.2008 sind bestimmte betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen steuerfrei; inzwischen sind dies bis zu 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Wird diese Grenze überschritten oder ist die Begünstigung einer Maßnahme umstritten, kann es zur Besteuerung der Leistungen kommen.

Betriebliche Gesundheitsförderung steuerfrei

Nachdem in der Vergangenheit immer wieder über die Lohnsteuerfreiheit bestimmter arbeitgeberseitiger Gesundheitsförderungsmaßnahmen gestritten wurde, bleiben aufgrund des § 3 Nr. 34 EStG seit dem 1.1.2008

  • bestimmte Leistungen des Arbeitgebers
  • zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung
  • bis zu 600 EUR pro Mitarbeiter und Jahr

steuerfrei.

Hinweis: Einzelheiten zum Steuerfreibetrag nach § 3 Nr. 34 EstG sind im BMF-Schreiben vom 20.4.2021, IV C 5 – S 2342/20/10003 :003Umsetzungshilfe zur steuerlichen Anerkennung von Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nummer 34 EStG“ geregelt (BStBl I 2021, 700).

Konkret heißt es zu § 3 Nr. 34 EStG: „Steuerfrei sind … zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung,  Zielgerichtetheit und Zertifizierungen den Anforderungen der §§ 20 und 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) genügen, soweit sie 600 Euro im Kalenderjahr und Arbeitnehmer nicht übersteigen.“

Neben der zu begrüßenden Erhöhung des Freibetrags auf 600 EUR ab dem 1.1.2020 stellt die seit dem 1.1.2019 geltende grundsätzliche Forderung nach der Zertifizierung der Gesundheitsförderungsmaßnahmen eine gewisse Hürde dar. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen (§ 52 Abs. 4 Satz 11 EStG): Für bereits vor dem 1.1.2019 begonnene unzertifizierte Gesundheitsmaßnahmen ist die Zertifizierungspflicht erstmals maßgeblich für Sachbezüge, die nach dem 31.12.2019 gewährt werden.

Praxis-Tipp: Die Einführung des § 3 Nr. 34 EStG hat die betriebliche Praxis deutlich vereinfacht, denn bis zu einem Betrag von 600 EUR kann die Prüfung prinzipiell entfallen – ganz unabhängig davon, ob die Arbeitgeberleistung wirklich im überwiegenden betrieblichen Interesse liegt oder nicht. Aber: Dies gilt nur, wenn die Gesundheitsmaßnahme zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird und es sich um eine zertifizierte Maßnahme handelt.

Nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitgebers

Die Finanzverwaltung lässt allerdings auch zu, dass unter näher genannten Umständen auch nicht zertifizierte Präventionskurse seitens des Arbeitgebers steuerfrei sein können. Für im Auftrag des Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte erbrachte Präventionskurse besteht mangels Beteiligung der gesetzlichen Krankenkassen keine Zertifizierungsmöglichkeit. Eine Zertifizierung von Präventionskursen durch die Krankenkassen oder einer von ihr beauftragten dritten Stelle sieht das SGB V nur für die Fälle vor, in denen es sich um Kurse handelt, die die Krankenkassen für ihre Versicherten als Leistungen zur primären Prävention nach § 20 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 SGB V erbringen. Nicht zertifizierte Leistungen des Arbeitgebers zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention können somit nach § 3 Nr. 34 EStG unter folgenden Voraussetzungen steuerfrei sein. Erforderlich hierfür ist, dass

  • die Leistungen Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsförderungsprozesses sind, der nach § 20b SGB V bezuschusst wurde, beziehungsweise wird, oder
  • die nicht zertifizierten Präventionskurse hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen des § 20 SGB V genügen und sie im Auftrag eines Arbeitgebers allein für dessen Beschäftigte durchgeführt sowie vom Leistungsanbieter nicht mit demselben Konzept auch für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten werden.

Der vom Arbeitgeber allein für dessen Beschäftigte erbrachte Präventionskurs genügt jedenfalls dann den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V, wenn er inhaltlich mit einem bereits zertifizierten und geprüften Kurskonzept eines Fachverbands oder einer anderen Organisation (zum Beispiel Kursinhalt „Rücken-Fit”) identisch ist. Der Kursleiter hat das von ihm genutzte zertifizierte Kurskonzept zu benennen und schriftlich zu bestätigen, dass der angebotene Präventionskurs entsprechend den vorgegebenen Stundenverlaufsplänen durchgeführt wird.

Zum Nachweis der Qualifikation hat der Kursleiter schriftlich zu versichern, dass seine Qualifikation den Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Zertifizierung von Kursangeboten in der individuellen verhaltensbezogenen Prävention entspricht.

Die Erklärung des Kursleiters zum verwendeten Kurskonzept und zu seiner Qualifikation sind als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.

Freibetrag, keine Freigrenze

Der Betrag von 600 EUR ist ein Freibetrag, keine Freigrenze. Überschreitet die Leistung des Arbeitgebers also den Betrag von 600 EUR, so ist lediglich der übersteigende Betrag steuer- und sozialversicherungspflichtig!

Praxis-Tipp: Bei Überschreiten des Freibetrags von 600 EUR ist natürlich die Frage des „überwiegenden betrieblichen Interesses“ wieder von Bedeutung. Denn: Kann diese Frage bejaht werden, bleibt auch der überschreitende Betrag lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei.

Hinweis: Diese steuerfreien Leistungen werden nicht auf die monatliche Sachbezugsfreigrenze von 50 EUR (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG) angerechnet, da diese nur lohnsteuerpflichtige Bezüge erfasst. Die Maßnahmen im Sinne des § 3 Nr. 34 EStG hingegen sind steuerfrei.

Persönlicher Anwendungsbereich: Für wen gilt die steuerliche Begünstigung?

Die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 34 EStG begünstigt alle Arbeitnehmer. Insofern sind auch Geschäftsführer betroffen, da sie steuerrechtlich ebenfalls als Arbeitnehmer gelten.

Mehrfacher Anspruch des Freibetrags bei Arbeitsplatzwechsel

Der Freibetrag von 600 EUR bezieht sich auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers innerhalb eines Jahres oder bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen kann der Freibetrag entsprechend mehrfach in Anspruch genommen werden.

Auszahlung von Sachbezügen zulässig

Sachbezüge sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen (zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug vgl. BMF, Schreiben vom 15.03.2022, IV C 5 - S 2334/19/10007 :007, BStBl I, 2022, 242). In § 8 Absatz 1 Satz 2 EStG ist durch die neue Definition „Zu den Einnahmen in Geld gehören“ nun gesetzlich festgeschrieben, dass zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, grundsätzlich keine Sachbezüge, sondern Geldleistungen sind.

Der BFH (Urteil vom 11.11.2010 – VI R 27/09, BStBl II 2011, 386) hatte in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 27.10.2004 - VI R 51/03, BStBl II 2005, 137) noch geurteilt, dass Sachbezüge (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 EStG) auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbindet, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden. Lt. BMF-Schreiben vom 15.3.2022, Rz. 2 ist diese Rechtsprechung überholt.

Gesundheitsförderung als zusätzliche Leistung des Arbeitgebers zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn 

Die Steuerfreiheit der Gesundheitsförderung i.S.d. § 3 Nr. 34 EStG setzt voraus, dass diese Leistung des Arbeitgebers „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht wird.

Der BFH hat seine Rechtsprechung (Urteile vom 01.08.2019 - VI R 32/18, BStBl II 2020, 106; VI R 21/17 und VI R 40/17, BFH/NV 2019, 1341) zu der in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsnormen oder anderen steuerbegünstigenden Normen des EStG enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ geändert. Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (u.a. BFH Urteile vom 19.09.2012 - VI R 54/11, BStBl II 2013, 395 und VI R 55/11, BStBl II 2013, 398) kommt es nicht mehr darauf an, dass der zusätzliche Arbeitslohn vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich geschuldet wird. Voraussetzung sei nur, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel). Ansonsten liege eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor (Rz. 30 zu Urteil VI R 32/18).

Das BMF war dieser Rechtsauffassung mit einem Nichtanwendungserlass, Schreiben v. 5.2.2020 - IV C 5 - S 2334/19/10017 :002 entgegengetreten. Danach galt zu der Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ aus Sicht der Finanzverwaltung im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung abweichend von der neuen BFH-Rechtsprechung und über den Einzelfall hinaus zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung weiterhin Folgendes:

Im Sinne des EStG werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht, wenn

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht

wird. Mit Schreiben vom 5.1.2022, IV C 5 - S 2334/19/10017 :004 hat das BMF den Nichtanwendungserlass wieder aufgehoben.

Aufzeichnung im Lohnkonto

Der Arbeitgeber muss steuerfreie Bezüge im Lohnkonto aufzeichnen. Dies kann nur aufgrund eines seitens des Betriebsstättenfinanzamtes genehmigten Antrages unterbleiben; Voraussetzung hierfür ist z.B., dass es sich um Fälle von geringer Bedeutung handelt oder aber, dass die Nachprüfung auch in anderer Weise sichergestellt ist. 
Zusätzlich zu den betragsmäßigen Aufzeichnungen im Lohnkonto muss der Arbeitgeber auch die übrigen relevanten Unterlagen aufheben, wie z.B. ggf. Nachweise über die Zertifizierung der Maßnahme, Teilnahmebescheinigungen u.a.m. Insbesondere die Teilnahmebescheinigungen sind von besonderer Bedeutung, denn die Präventionskurse finden i.d. Regel außerhalb des Betriebsgeländes statt, so dass der Arbeitgeber keine Kontrolle über die Teilnahme seiner Arbeitnehmer hat.