Betriebliche Gesundheitsförderung: Steuerfrei

Seit dem 1.1.2008 sind bestimmte betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen steuerfrei; inzwischen sind dies bis zu 600 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Wird diese Grenze überschritten oder ist die Begünstigung einer Maßnahme umstritten, kann es zur Besteuerung der Leistungen kommen.

Betriebliche Gesundheitsförderung steuerfrei

Nachdem in der Vergangenheit immer wieder über die Lohnsteuerfreiheit bestimmter arbeitgeberseitiger Gesundheitsförderungsmaßnahmen gestritten wurde, bleiben aufgrund des § 3 Nr. 34 EStG seit dem 1.1.2008

  • bestimmte Leistungen des Arbeitgebers
  • zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung
  • bis zu 600 EUR pro Mitarbeiter und Jahr

steuerfrei.

Konkret heißt es im Gesetz: „Steuerfrei sind … zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung,  Zielgerichtetheit und Zertifizierungen den Anforderungen der §§ 20 und 20b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genügen, soweit sie 600 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.“

Neben der zu begrüßenden Erhöhung des Freibetrags auf 600 EUR ab dem 1.1.2020 stellt die seit dem 1.1.2019 geltende Forderung nach der Zertifizierung der Gesundheitsförderungsmaßnahmen eine gewisse Hürde dar. Hier hat der Gesetzgeber aber zumindest eine Übergangsregelung geschaffen (§ 52 Abs. 4 Satz 6 EStG): Für bereits vor dem 1.1.2019 begonnene unzertifizierte Gesundheitsmaßnahmen ist die Zertifizierungspflicht erstmals maßgeblich für Sachbezüge, die nach dem 31.12.2019 gewährt werden.

Hinweis: Das FG Bremen hatte noch vor nicht allzu langer Zeit (Urteil v. 11.2.2016,  1 K 80/15 (5), DStR 2016, S. 6, DStRE 2016, S. 1153) entschieden, dass für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 34 EStG nicht die Erfüllung der im „Leitfaden Prävention” aufgestellten Voraussetzungen, insbesondere eine besondere Zertifizierung der Anbieter, verlangt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn die vom Arbeitgeber bezuschussten Maßnahmen Mindestanforderungen an Qualität und Zielgerichtetheit erfüllen. Diese sind jedenfalls dann erfüllt, wenn die betreffenden Maßnahmen durch Physiotherapeuten, Heilpraktiker und qualifizierte Fitnesstrainer erbracht werden. Nun hat der Gesetzgeber seine Sichtweise offensichtlich verschärft. Mit Klagen hiergegen wird zu rechnen sein; wir werden darüber berichten!

Praxis-Tipp: Die Einführung des § 3 Nr. 34 EStG hat die betriebliche Praxis deutlich vereinfacht, denn bis zu einem Betrag von 600 EUR kann die Prüfung prinzipiell entfallen – ganz unabhängig davon, ob die Arbeitgeberleistung wirklich im überwiegenden betrieblichen Interesse liegt oder nicht. Aber: Dies gilt nur, wenn die Gesundheitsmaßnahme zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird und es sich um eine zertifizierte Maßnahme handelt.

Freibetrag, keine Freigrenze

Der Betrag von 600 EUR ist ein Freibetrag, keine Freigrenze. Überschreitet die Leistung des Arbeitgebers also den Betrag von 600 EUR, so ist lediglich der übersteigende Betrag steuer- und sozialversicherungspflichtig!

Praxis-Tipp: Bei Überschreiten des Freibetrags von 600 EUR ist natürlich die Frage des „überwiegenden betrieblichen Interesses“ wieder von Bedeutung. Denn: Kann diese Frage bejaht werden, bleibt auch der überschreitende Betrag lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei.

Hinweis: Diese steuerfreien Leistungen werden nicht auf die monatliche Sachbezugsfreigrenze von 44 EUR (§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG) angerechnet, da diese nur lohnsteuerpflichtige Bezüge erfasst. Die Maßnahmen im Sinne des § 3 Nr. 34 EStG hingegen sind steuerfrei.

Persönlicher Anwendungsbereich: Für wen gilt die steuerliche Begünstigung?

Die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 34 EStG begünstigt alle Arbeitnehmer. Insofern sind auch Geschäftsführer betroffen, da sie steuerrechtlich ebenfalls als Arbeitnehmer gelten.

Mehrfacher Anspruch des Freibetrags bei Arbeitsplatzwechsel

Der Freibetrag von 600 EUR bezieht sich auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers innerhalb eines Jahres oder bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen kann der Freibetrag entsprechend mehrfach in Anspruch genommen werden.

Keine Kostenübernahme für Sportvereine oder Fitnessstudios

Da insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen entsprechende Gesundheitsförderungsmaßnahmen nicht immer im Betrieb anbieten können, sind auch Verträge mit zertifizierten externen Anbietern solcher Leistungen möglich und üblich. Die Übernahme von Mitgliedsbeiträgen zu Sportvereinen oder Fitnessstudios (z.B. FG Bremen, Urteil v. 23.3.2011, 1 K 150/09 (6), DStRE 2012, 144) ist grundsätzlich nicht begünstigt. Ausnahmen sind jedoch möglich, wenn z. B. ein Rückenschulungskurs in Anspruch genommen wird und der Trainer eine entsprechende Ausbildung und Qualifikation aufweist. Andernfalls kommt es zu einer Lohnversteuerung.

Praxis-Tipp: Ein Ausweg aus der Lohnversteuerung von nicht begünstigten Mitgliedsbeiträgen bietet die Sachbezugsfreigrenze für Sachbezugsleistungen des Arbeitgebers bis zur Höhe von 44 EUR im Monat (Lohnsteuerpflicht der Erstattung von Kosten für Fitnessstudios als Barlohn ergibt sich aus § 19 Abs. 1 EStG i.V.m. R 19.3 LStR, die Steuerfreiheit im Rahmen der 44-EUR-Sachbezugsfreigrenze ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG). Durch den Arbeitgeber übernommene Mitgliedsbeiträge bleiben dann bis zu diesem Betrag steuerfrei, sofern es sich um eine monatliche Zahlung handelt. Achtung: Es ist nicht möglich, die Freibeträge von drei Monaten zusammenzufassen und pro Quartal eine Zahlung zu leisten.

Praxis-Tipp: Das Niedersächsische FG (Urteil v. 13.3.2018, 14 K 204/16, EFG 2018, 942) hat zum Zufluss des geldwerten Vorteils aus einer unentgeltlichen oder begünstigten Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio entschieden, dass dieser den teilnehmenden Arbeitnehmern monatlich zufließt, sofern sie keinen über die Dauer eines Monats hinausgehenden unentziehbaren Anspruch zur Nutzung des Studios haben. Auf die Dauer der vom Arbeitgeber gegenüber dem Anbieter der Trainingsmöglichkeit eingegangenen Vertragsbindung kommt es für die Beurteilung des Zuflusses beim Arbeitnehmer nicht an. Gegen dieses Urteil ist nun beim BFH (VI R 14/18) ein Revisionsverfahren anhängig, weil die Finanzverwaltung die Auffassung vertritt, dass sich der Wert des geldwerten Vorteils in dem Fall, dass der Arbeitgeber mit dem Fitnessstudio einen Vertrag über 12 Monate geschlossen hat, bereits mit der Übergabe des Mitgliedsausweises für den gesamten Zeitraum der Mitgliedschaft bemisst. Achten Sie also auf dieses Revisionsverfahren und halten Sie anderslautende Bescheide offen!

Auszahlung von Sachbezügen zulässig

Sachbezüge sind alle nicht in Geld bestehenden Einnahmen. Ob Barlöhne oder Sachbezüge vorliegen, entscheidet sich nach dem Rechtsgrund des Zuflusses, also danach, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber beanspruchen kann. Es kommt nicht darauf an, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber den Anspruch erfüllt und seinem Arbeitnehmer den zugesagten Vorteil verschafft. Laut BFH (Urteil v. 11.11.2010, VI R 27/09, BStBl II 2011, 386) liegen Sachbezüge (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 EStG) auch dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Zahlung an den Arbeitnehmer mit der Auflage verbindet, den empfangenen Geldbetrag nur in einer bestimmten Weise zu verwenden (Änderung der Rechtsprechung gegenüber Urteil v. 27.10.2004, VI R 51/03, BStBl II 2005, 137).

Gesundheitsförderung als zusätzliche Leistung des Arbeitgebers zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn 

Die Steuerfreiheit der Gesundheitsförderung i.S.d. § 3 Nr. 34 EStG setzt voraus, dass diese Leistung des Arbeitgebers „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht wird.

Der BFH hat seine Rechtsprechung (Urteile v. 1.8.2019, VI R 32/18, VI R 21/17 und VI R 40/17) zu der in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsnormen oder anderen steuerbegünstigenden Normen des EStG enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ geändert. Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung (u.a. BFH, Urteile v. 19.9.2012, VI R 54/11, BStBl II 2013, 395 und VI R 55/11, BStBl II 2013, 398) kommt es nicht mehr darauf an, dass der zusätzliche Arbeitslohn vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich geschuldet wird. Voraussetzung sei nur, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel). Ansonsten liege eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor (Rz. 30 zu Urteil VI R 32/18).

Das BMF ist dieser Rechtsauffassung mit Schreiben v. 5.2.2020 - IV C 5 - S 2334/19/10017 :002 nun entgegengetreten. Danach gilt zu der Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ aus Sicht der Finanzverwaltung im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung abweichend von der neuen BFH-Rechtsprechung und über den Einzelfall hinaus zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung weiterhin Folgendes:

Im Sinne des EStG werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht, wenn

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht

wird. Dies gilt im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Es sind somit im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt.

Aufzeichnung im Lohnkonto

Der Arbeitgeber muss steuerfreie Bezüge im Lohnkonto aufzeichnen. Dies kann nur aufgrund eines seitens des Betriebsstättenfinanzamtes genehmigten Antrages unterbleiben; Voraussetzung hierfür ist z.B., dass es sich um Fälle von geringer Bedeutung handelt oder aber, dass die Nachprüfung auch in anderer Weise sichergestellt ist. 
Zusätzlich zu den betragsmäßigen Aufzeichnungen im Lohnkonto muss der Arbeitgeber auch die übrigen relevanten Unterlagen aufheben, wie z.B. Nachweise über die Zertifizierung der Maßnahme, Teilnahmebescheinigungen u.a.m.