Grenzen für Änderungen des Steuerbescheids bei Vorläufigkeitsvermerk
Schlimmer geht immer! Dieser Gedanke dürfte so manchem Steuerpflichtigen kommen, wenn Post von der Finanzverwaltung im Briefkasten liegt und der ursprüngliche Steuerbescheid zu seinen Ungunsten angepasst wurde. Da ist es nur allzu verständlich, dass sich die Frage stellt, ob ein solcher Schritt überhaupt zulässig ist. Dies gilt auch, wenn die Steuerfestsetzung in einzelnen Punkten vorläufig erfolgte. Genau darüber hat in einem Fall zuletzt der Bundesfinanzhof ( BFH, Urteil v. 29.4.2025, VI R 14/23) entschieden.
Fälschlich anerkannte Zweitausbildung
In ihren Einkommensteuererklärungen für 2015 und 2016 hatte eine junge Frau Kosten für ihr Medizinstudium steuerlich geltend gemacht. Obwohl die dem Studium vorangegangene dreimonatige Ausbildung zur Rettungssanitäterin die Voraussetzungen für eine Erstausbildung nicht erfüllten, erkannte das zuständige Finanzamt die erklärten Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten für eine Zweitausbildung an. Die Steuerbescheide enthielten jedoch einen Vorläufigkeitsvermerk in Bezug auf die Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung. Grund dafür war die ausstehende Entscheidung zur Vereinbarkeit des Steuergesetzes mit höherrangigem Recht durch das Bundesverfassungsgericht.
Nachdem das höchste deutsche Gericht § 9 Abs. 6 EStG für verfassungsgemäß erklärt hatte, änderte die Finanzbehörde schließlich die beiden Einkommensteuerbescheide der jungen Frau. Diese Änderung fiel zu ihren Ungunsten aus, da der Sachbearbeiter das Medizinstudium nun als Erstausbildung einstufte. Entsprechend konnten die geltend gemachten Aufwendungen nicht mehr als vorweggenommene Werbungskosten, sondern nur noch als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Als Folge entfiel damit die steuermindernde Wirkung der Ausbildungskosten.
Änderung zu Lasten der Steuerpflichtigen nicht möglich
Gegen die für sie negative Änderung der Bescheide legte die junge Frau erfolglos Einspruch ein. Recht bekam sie danach jedoch vor dem Finanzgericht Köln. Auch die Richter am Bundesfinanzhof bestätigten in der anschließenden Revision noch einmal die Rechtsauffassung der Vorinstanz. Demnach durfte das Finanzamt die beiden Einkommensteuerbescheide nicht in dieser Form ändern, da die Korrektur den Inhalt des Vorläufigkeitsvermerks sprengte. Eine Anpassung wäre also nur dann möglich gewesen, wenn das Bundesverfassungsgericht das betreffende Steuergesetz als nicht verfassungsgemäß eingestuft hätte.
In ihrer Entscheidung stützten die Richter sich auf den Wortlaut des Gesetzes. Darin wird der Rahmen für Änderungen sehr eng gesteckt, wenn die Finanzverwaltung eine Steuer mit Vorläufigkeitsvermerk festsetzt. Dabei ist es sogar unerheblich, ob die Anpassung zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen erfolgen würde. Ergibt sich Korrekturbedarf aus anderen Gründen, ist zu prüfen, ob eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit oder Bekanntwerden neuer Tatsachen möglich ist. Ansonsten wird der Steuerbescheid bestandskräftig.
Bedeutung des Vorläufigkeitsvermerks
Der Vorläufigkeitsvermerk soll lediglich dazu dienen, die Beteiligten im Steuerverfahren zu entlasten. Denn nur so besteht die Möglichkeit, bereits einen Steuerbescheid zu erlassen und darin einzelne Punkte offen zu halten. Auf diese Weise müssen Steuerpflichtige nicht unnötig lange warten, bis sie ihren Einkommensteuerbescheid erhalten. Gleichzeitig bleiben aber auch die Finanzämter vor unzähligen Rechtsbehelfen und die Finanzgerichte vor zahlreichen Musterverfahren verschont.
Praxis-Tipp: Unterschied zwischen vorläufiger Steuerfestsetzung und Vorbehalt der Nachprüfung
Neben dem Vorläufigkeitsvermerk verfügt die Finanzverwaltung über ein weiteres Instrument, das Korrekturen erlaubt. So kann sie Steuern unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festsetzen. Anders als bei der Vorläufigkeit wird hiervon jedoch der gesamte Bescheid erfasst. Das Ziel hinter der Maßnahme ist jedoch das gleiche: die steuerliche Veranlagung zu beschleunigen. So werden Abschlagszahlungen früher fällig. Gleichzeitig erhalten Steuerpflichtige schneller eine Erstattung, wobei allerdings das Risiko einer möglichen Rückzahlungspflicht besteht.
Eine Begründung erfordert der Vorbehalt der Nachprüfung nicht. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass ein Sachverhalt des Steuerfalles noch nicht abschließend geprüft worden ist. Dies darf jedoch nicht als bloße erleichterte Korrekturmöglichkeit von der Behörde missbraucht werden. Mit Ablauf der regulären Festsetzungsfrist entfällt zudem der Nachprüfungsvorbehalt.
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