Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld; Verfristung eines Einspruchs; fehlende Voraussetzung für eine Sachprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage nach der fristgerechten Einlegung des Einspruchs stellt eine bei der Sachentscheidung zu beachtende materiell-rechtliche Vorfrage dar.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 27.04.2011; Aktenzeichen III B 207/10)

 

Tatbestand

Streitig ist zunächst, ob der Einspruch gegen den Bescheid vom 17.10.2008 verfristet war und damit die Voraussetzung für eine Sachprüfung fehlt.

Mit Bescheid vom 17.10.2008 wurde gegenüber der Klägerin die Bewilligung von Kindergeld für das Kind A ab Januar 2009 aufgehoben, weil A das 25. Lebensjahr vollendet hatte. Der Bescheid wurde ordnungsgemäß bekanntgegeben.

Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 17.10.2008 hat folgenden Wortlaut:

"Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung durch eingeschriebenen Brief gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung mit Zustellungsurkunde oder gegen Empfangsbekenntnis ist der Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung."

Ein Aktenvermerk vom 07.11.2008, gefertigt von der Beklagten und unterschrieben von Frau Z mit dem Betreff Kindergeld für Sohn A, hat folgenden Wortlaut:

"Herr B. (Vater des Kindes) teilte der Familienkasse mit, dass Sohn A 30 % behindert ist und dass er noch weiter über das 25. Lebensjahr Kindergeld beantragen möchte. Sowohl H. X als auch Frau Z informierte ausführlich Herrn B. über die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Kindergeldes. Herr B. wollte umgehend Einspruch gegen den Kindergeldbescheid vom 17.10.2008 zur Fristwahrung einlegen. Weitere Begründung sollte umgehend folgen."

Erst mit Schreiben vom 19.12.2008 –eingegangen bei der Beklagten am 22.12.2008– legte die Klägerin Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 17.10.2008 zur Fristwahrung ein. Angaben, warum der Einspruch erst jetzt eingelegt wurde, fehlen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31.05.2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von A nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht vorliegen.

Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, vertreten durch die Prozessbevollmächtigten, den Aufhebungsbescheid vom 17.10.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 31.05.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für A über das 25. Lebensjahr hinaus weiter zu bewilligen.

Die Klägervertreterin ist vom Berichterstatter am 21.10.2010 telefonisch darüber informiert worden, dass der Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid vom 17.10.2008 erst am 22.12.2008 und damit wohl verfristet eingelegt worden ist. Auf den entsprechenden Aktenvermerk wird Bezug genommen.

Die Prozessbevollmächtigten nahmen dazu schriftsätzlich wie folgt Stellung:

Der Einspruch sei zwar erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden, der Ehemann der Klägerin habe sich aber kurz vor dem 19.12.2008 im Auftrag seiner Ehefrau mit dem Leiter der Familienkasse, Herrn X, in Verbindung gesetzt um nachzufragen, ob ein Vorgehen gegen den Bescheid noch möglich wäre oder ob dies schon zu spät sei. Herr X hätte in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass die Klägerin noch Einspruch einlegen könne, da das Kindergeld erst ab dem 25. Geburtstag des Sohnes A am 22.12.2008 eingestellt würde. Wenn er also bis zum 22.12.2008 Einspruch einlegen würde, wäre dies in Ordnung. Die Einspruchsfrist sei daher im Einvernehmen beider Parteien bis zum 22.12.2008 verlängert worden. Im Übrigen sei es Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Einspruchsbehörde auch über einen verspäteten Einspruch sachlich entscheiden dürfe und damit den Weg zur gerichtlichen Sachprüfung öffnen könne. Aufgrund der vorliegenden Einspruchsentscheidung vom 31.05.2010 sei eine mögliche Verspätung des Einspruchs unbeachtlich. Der Einspruch der Klägerin vom 19.12.2008 müsse als Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts umgedeutet werden. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne aber jederzeit, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, aufgehoben werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch den zum Berichterstatter bestell...

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