Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Anerkennung von Treuhandverhältnissen beim Erwerb von Zwischenscheinen. wirtschaftliches Eigentum. Unbeachtlichkeit einer kurzzeitigen wesentlichen Beteiligung im Rahmen eines Gesamtskonzepts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwischenscheine verbriefen das volle, durch Eintragung entstandene Mitgliedschaftsrecht bis zur endgültigen Ausgabe der Aktien vorläufig. Der Zweck von Zwischenscheinen ist es, den Aktionären schon vorher vorläufige verkehrsfähige Urkunden über ihr Mitgliedschaftsrecht ausstellen zu können. Ein Zwischenschein muss auf den Namen des Berechtigten lauten. Zwischenscheine sind geborene Orderpapiere, die wie Namensaktien zu behandeln und unter Angabe des Namens, Wohnort und Beruf des Inhabers in das Aktienbuch der Gesellschaft einzutragen sind.

2. Zwischenscheine können wie Namensaktien durch Indossament übergeben, aber auch durch Abtretung des verbrieften Rechts übertragen werden.

3. Bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Kommt der Steuerpflichtige seiner Nachweispflicht nach § 159 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AO nicht nach, werden die Rechte oder Sachen grundsätzlich dem Treuhänder zugerechnet.

4. Eine wesentliche Beteiligung i. S. v. § 17 EStG ist dann nicht anzunehmen, wenn im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis unterhalb dieser Grenze beteiligt sein soll. Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i. S. d. § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum.

5. Wirtschaftliches Eigentum erlangt, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrecht, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 Sätze 1, 4; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1-2, § 159 Abs. 1 S. 1; AktG § 8 Abs. 4, § 10 Abs. 3, § 67 Abs. 1, 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.11.2017; Aktenzeichen IX R 35/15)

BFH (Urteil vom 08.11.2017; Aktenzeichen IX R 35/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Besteuerung eines Gewinns aus dem Verkauf von Anteilen an der J. Holding AG (J.).

Die Kläger sind in Gütertrennung lebende Ehegatten, die zunächst entsprechend den Angaben in ihrer 1998 für das Streitjahr 1996 eingereichten Einkommensteuererklärung veranlagt wurden. Der Kläger zu 1) erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen wobei im Anhang zur Anlage KSO die zu versteuernden Einnahmen aus Aktien der J. mit 0 DM angegeben wurden. Zudem erklärte er steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aus der Schweiz und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Klägerin zu 2) erklärte nur negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus ihrer Tierarztpraxis. Weiterhin erklärte sie auf der Anlage FW Schuldzinsen für das ihr gehörende Wohnhaus i. H. v. 38.519 DM, die zum Großteil auf ein Baudarlehen i. H. v. 600.000 DM entfallen.

Die Einkommensteuer 1996 wurde auf 15.286 DM festgesetzt. Die Festsetzung (Bescheid vom 4. August 1998) wurde bestandskräftig.

In der ersten Hälfte des Jahres 2001 ermittelte die Steuerfahndung gegen andere Aktionäre der J. und führte umfangreiche Durchsuchungsmaßnahmen durch. Am 8. August 2001 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung das Strafverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung für die Jahre 1998 und 1999 ein und begann am 13. August 2001 beim Kläger zu 1) eine Fahndungsprüfung (Bericht vom 15. Oktober 2003). Die Steuerfahndung stellte fest, dass der Kläger zu 1) einer der Gründungsaktionäre der J. war und dem Vorstand ab 1993 angehörte. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug bei Gründung 1 Mio. DM. Der Kläger zu 1) war am Grundkapital zunächst mit 250.000 DM (25%) beteiligt. Die J. war nicht an der Börse notiert und hatte keine Aktien ausgegeben. Statt der Aktien wurden in unregelmäßigen Abständen jeweils Namenszwischenscheine erstellt, die die Mitgliedschaftsrechte auswiesen. Im Sommer 1994 erfolgte eine Kapitalerhöhung um 4 Mio. DM auf 5 Mio. DM (eingeteilt in 100.000 auf den Inhaber lautende Stammaktien zu je 50 DM, verbrieft durch Zwischenscheine), nach der der Kläger zu 1) nur noch mit 1,2 Mio. DM (24.000 Aktien, 24%) an der J. beteiligt war. Nach der Kapitalerhöhung war die Familie B. mit insgesamt 35,5% an der Gesellschaft beteiligt, wovon 24% (24.000 Aktien, 1.200.000 DM) von M. B. und 11,5% (11.500 Aktien, Nennwert 575.000 DM) von dessen Schwester K. gehalten wurden. Letztere soll das Aktienpaket von ihrem Vater Dr. B. übertragen bekommen haben, der zum Jahresende 1995 aus dem Aufsichtsrat der J. ausscheiden sollte. Die Beteiligungen waren in zwei Zwischenscheinen vom 30. September 1994 lautend auf M. B. bzw. Dr. B. verbrieft,...

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