rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Steuerabzug aus Bauleistungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden. Haftungsinanspruchnahme beim Bestehen von Steuerschulden. Verwendung des Abzugsbetrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Haftungstatbestand nach § 48a Abs. 3 EStG ist nicht streng akzessorisch i.S. v. § 191 Abs. 5 AO in Bezug auf einen Steueranspruch gegenüber dem Leistenden. Dies ergibt sich daraus, dass eine Verknüpfung mit einem bestimmten Steuertatbestand auf Seiten des Leistenden fehlt und die Bauabzugsteuer vielmehr ein Sicherungsinstrument für ein Konglomerat von Abgaben, die allgemein aus Bauleistungen resultieren können, darstellt. Eine Akzessorietät besteht lediglich zu dem der Haftung unmittelbar zu Grunde liegenden Bausteueranspruch nach § 48 EStG. Ob Steueransprüche gegenüber dem Leistenden bestehen, ist jedoch im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen.

2. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden entfällt – bei Versagung der Freistellungsbescheinigung – die Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Vornahme des Steuerabzugs nach § 48 EStG ebenso wenig wie die Befugnis des FA, einen Haftungsbescheid nach § 48a Abs. 3 EStG zu erlassen. Ob das FA den Abzugsbetrag behalten darf oder an den Insolvenzverwalter auskehren muss, ist für die Frage der Befugnis zum Erlass eines Haftungsbescheids unerheblich (vgl. BFH. v. 13.11.2002, I B 147/02, BStBl II 2003, 716).

3. Für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme nach § 48a Abs. 3 EStG ist es jedenfalls ausreichend, dass offene Steueransprüche gegen den Leistenden in Höhe des Haftungsbetrags bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Leistende gegenüber dem FA sowohl Steuern schuldet, die in § 48c Abs. 1 EStG genannt sind, als auch anderen Steuern.

4. Das FA kann den die Anrechnungsbeträge nach § 48c Abs. 1 EStG übersteigenden Abzugsbetrag zur Tilgung offener Steuerforderungen jeglicher Art verwenden.

 

Normenkette

EStG § 48a Abs. 3, §§ 48b, 48c Abs. 1; AO § 191 Abs. 5, 1 S. 1, § 5; FGO § 102

 

Tenor

1 Die Klage wird abgewiesen.

2 Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3 Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob gegenüber der Klägerin zu Recht ein Haftungsbescheid über nicht abgeführte Bauabzugsteuer ergangen ist.

Die D-GmbH erbrachte im Jahr 2002 Bauleistungen an die Klägerin. In der Zeit von Februar bis April 2002 hat die Klägerin ihr von der D-GmbH in Rechnung gestellte Abschlagszahlungen entsprechend dem Baufortschritt in Höhe von insgesamt 94.632,68 EUR an die D-GmbH geleistet. Einen Steuerabzug gemäß § 48 Einkommen-steuergesetz (EStG) nahm die Klägerin nicht vor, obwohl die D-GmbH ihr keine Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG vorgelegt hatte. In einem an die D-GmbH gerichteten Schriftsatz ihres Rechtsanwalts wies die Klägerin selbst auf ihre Pflicht zur Vornahme des Steuerabzugs hin. Das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) forderte die Klägerin in der Folgezeit wiederholt zur Anmeldung und Abführung der Bauabzugsteuer auf und drohte ein Zwangsgeld an. Die Klägerin kam dem jedoch nicht nach. Für den Zeitraum vom 26. August 2002 bis 25. August 2003 erteilte das Finanzamt der D-GmbH eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG. Den Antrag der D-GmbH auf Erteilung einer neuen Freistellungsbescheinigung vom 2. Juni 2006 lehnte das Finanzamt mit Schreiben vom 2. August 2006 ab. Von der an die GmbH geleisteten Restzahlung in Höhe von 26.000 EUR führte die Klägerin 3.900 EUR (15 %) an das Finanzamt als Bauabzugsteuer ab. Das Finanzamt verrechnet diese Zahlung mit rückständiger Lohnsteuer 2003.

Die D-GmbH ist seit … 2004 zahlungsunfähig. Am … 2004 stellte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag. Kontopfändungen des Finanzamts blieben ohne Erfolg. Eine vom Finanzamt am 9. November 2006 vorgenommene Abfrage der Steuerrückstände der D-GmbH kam zu dem Ergebnis, dass zu diesem Zeitpunkt Rückstände einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 36.127,45 EUR bestanden haben, die u.a. auf Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer 1999 und 2000 und steuerliche Nebenleistungen entfielen. Am …November 2006 wurde über das Vermögen der D-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Nach vorheriger Ankündigung erließ das Finanzamt am 6. Dezember 2006 ein Haftungsbescheid, mit dem das Finanzamt die Klägerin wegen nicht einbehaltener und abgeführter Bauabzugsteuer in Höhe von insgesamt 14.194,90 EUR in Anspruch nahm.

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und trug vor, dass ihre Inanspruchnahme nicht ermessensgerecht erfolgt sei. Das Finanzamt habe nicht berücksichtigt, inwieweit gegenüber der D-GmbH Steueransprüche bestehen. Nach ihrem Kenntnisstand bestünden keine offenen Steuerforderungen gegenüber der D-GmbH. Zudem sei der Haftungsbescheid erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die D-GmbH erlassen worden. Nach Insolvenzeröffnung dürften Zahlungen nur an den Insolvenzverwalter erfolgen.

Mit Schreiben vom...

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