Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung des Prüfungsumfangs ist kein Widerruf der ursprünglichen Prüfungsanordnung. Einspruch gegen die Prüfungsanordnung bei Auftragsprüfung. Zuständigkeit für die Einspruchsentscheidung. Ermessen. keine Heilung nach § 127 AO bei unwirksamem Prüfungsauftrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anordnung, durch die der Prüfungsumfang erweitert wird, ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, in dem kein Widerruf der ursprünglichen Prüfungsanordnung (§ 131 AO) liegt.

2. Erlässt ein vom zuständigen Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragtes Finanzamt eine Prüfungsanordnung, so ist der Einspruch gegen die Anordnung der Außenprüfung bei diesem – dem beauftragten – Finanzamt einzulegen.

3. Das mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Finanzamt ordnet die Außenprüfung „aufgrund gesetzlicher Vorschrift” im Sinne des § 367 Abs. 3 Satz 1 AO für das zuständige Finanzamt an. Zuständige Finanzbehörde für die Entscheidung über den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ist das beauftragende Finanzamt.

4. Die Beauftragung ist Ermessensentscheidung. Deshalb wird, wenn kein wirksamer Prüfungsauftrag vorliegt und ein unzuständiges Finanzamt prüft, der Fehler nicht nach § 127 AO geheilt.

 

Normenkette

AO § 195 S. 2, §§ 196, 357 Abs. 2, § 367 Abs. 3 S. 1, §§ 5, 127, 131, 118

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.05.2009; Aktenzeichen II R 56/08)

BFH (Urteil vom 18.11.2008; Aktenzeichen VIII R 16/07)

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beklagte ist örtlich zuständig für die × GmbH und die xx GmbH, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Kläger war bzw. ist. Bei diesen GmbHs wurde eine Außenprüfung angeordnet.

Darüber hinaus wurde der Beklagte von dem für den Kläger örtlich zuständigen Finanzamt gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO 1977) mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt. Er erließ daraufhin am 25.07.2005 gegenüber dem Kläger eine Prüfungsanordnung nach §§ 193 Abs. 2 Nr. 2 und § 194 Abs. 2 AO 1977. Die Anordnung erstreckte sich auf die Einkommensteuer (ESt) 2000 bis 2002 sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31.12.2000, 31.12.2001 und 31.12.2002.

Mit Prüfungsanordnungen vom 20.09.2005 bzw. 09.11.2005 erweiterte der Beklagte die Außenprüfung wegen des Verdachts einer Steuerstraftat auf die ESt 1994 bis 2003, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31.12.1994 bis 31.12.2003 sowie die Vermögensteuer auf den 01.01.1994, 01.01.1995 und 01.01.1996. Die dagegen gerichteten Einsprüche wies er als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006).

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er hat zunächst weiterhin die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnungen gerügt und die Beiziehung (auch) der Prüferhandakten beantragt. Auf den richterlichen Hinweis, der Beklagte sei für die Entscheidung über die Einsprüche nicht zuständig gewesen, begehrt er nun in erster Linie, die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben.

Der Kläger beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständig war, die Prüfungsanordnungen vom 20.09.2005 und vom 09.11.2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 aufzuheben, wiederum hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf das Schreiben des Betriebsprüfers vom 02.02.2006 und die eingereichten Schriftsätze.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte war zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 örtlich nicht zuständig. Die Einspruchsentscheidung ist daher isoliert aufzuheben, damit das zuständige Finanzamt gem. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 über die Einsprüche des Klägers gegen die Prüfungsanordnungen des Beklagten vom 20.09.2005 bzw. 09.11.2005 entscheiden kann.

1. Der Kläger hat seine Einsprüche gegen die Prüfungsanordnungen vom 20.09.2005 bzw. 09.11.2005 zutreffend beim Beklagten eingelegt.

Die den Prüfungsumfang erweiternden Anordnungen sind selbständige Verwaltungsakte. Soll eine Prüfung über den in der ursprünglichen Prüfungsanordnung angegeben Umfang hinaus ausgedehnt werden, muss die Prüfungsanordnung erweitert werden. In der Erweiterung liegt kein Widerruf der ursprünglichen Prüfungsanordnung nach § 131 AO 1977, sondern ein selbständiger, neuer Verwaltungsakt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 196 AO Tz. 30 mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Kläger hat seine Einsprüche zutreff...

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