Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verstoß des festgestellten Grundstückswerts gegen das Übermaßverbot bei Überschreitung des nachgewiesenen gemeinen Werts um 21,7 %

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der kurze Zeit nach dem Erbanfall veräußerten land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen wesentlich niedriger ist als der nach § 166 BewG ermittelte Liquidationswert, kann der niedrigere gemeine Wert nach § 9 Abs. 2 BewG als Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer festgestellt werden.

2. Das Übermaßverbot ist nur verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Dies erfordert den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes, der den festgestellten Grundstückswert so erheblich unterschreitet, dass sich der festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale Maß hinausgehend erweist. Dies wurde im Streitfall bei einer Überschreitung des gemeinen Werts um 21,7 % verneint.

 

Normenkette

BewG § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 158 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, §§ 162, 166, 9 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2022; Aktenzeichen II R 39/20)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 4.256,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die am 18. September 2015 verstorbene Erblasserin, Frau A, war u. a. Eigentümerin der im Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke … Diese wurden teilweise als Ackerland genutzt. Das Flurstück … ist mit Ruinen, die Flurstücke … sind mit Schuppen bzw. Ställen und die Flurstücke … sind mit Einfamilienhäusern bebaut.

Der Kläger ist der Alleinerbe der Erblasserin (Erbschein des AG D vom 17. November 2015 Az.: …). Mit Kaufvertrag vom 17. Februar 2016 (UR-Nr. … der Notarin E) veräußerte er sämtliche Grundstücke zu einem Kaufpreis i. H. v. 292.000,00 EUR.

Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt D forderte den Beklagten auf, die Grundbesitzwerte zum Todestag für Zwecke der Erbschaftsteuer festzustellen. Eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes gab der Kläger nicht ab.

Mit Bescheiden über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 18. September 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 15. Juni 2016 stellte der Beklagte die Grundbesitzwerte für die Flächen, Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke … mit einer Gesamtfläche von 7.747 m² i. H. v. insgesamt 95.870,00 EUR fest. Die Bescheide wurden nach Aktenlage nicht angefochten.

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerte s auf den 18. September 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 20. Juli 2016 stellte der Beklagte einen Grundbesitzwert für die landwirtschaftlich genutzten Flächen, Grundbuch von B, Gemarkung C, verzeichneten Grundstücke Flur … mit einer Gesamtfläche von 173.617 m² i. H. v. 238.668,00 EUR fest. Dabei behandelte der Beklagte, da die Nutzungsüberlassung am Bewertungsstichtag weniger als 15 Jahre betrug, die Grundstücke als land- und forstwirtschaftliches Vermögen und legte den vom Gutachterausschuss zuletzt festgelegten Bodenrichtwert zugrunde. Von diesem Wert nahm er einen Abschlag von 10 % für Liquidationskosten vor.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass für die Höhe des festzustellenden Grundbesitzwertes auf den erzielten Verkaufspreis abzustellen sei. Bei den streitbefangenen Flächen handele es sich um landwirtschaftliches Vermögen gemäß § 158 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG), nicht jedoch um einen landwirtschaftlichen Betrieb. Daher sei nach § 164 Abs. 2 BewG die Mindestbewertung durchzuführen. Der Mindestwert könne nicht über dem im Kaufvertrag vom 17. Februar 2016 vereinbarten Kaufpreis liegen. Unter Berücksichtigung der auf die übrigen Grundstücke entfallenden Kaufpreisanteile ergebe sich für die streitbefangenen Grundstücke ein anteiliger Kaufpreis i. H. v. 180.304,00 EUR. Dies ergibt für die insgesamt veräußerte Fläche von 173.617 m² einen durchschnittlichen Kaufpreis von 1,04 EUR je m². Der Beklagte gehe zu Unrecht von einem durchschnittlichen Kaufpreis von 1,38 EUR je m² aus.

Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Wertfeststellung im Streitfall unabhängig von dem im Grundstückskaufvertrag vom 17. Februar 2016 erfolge. Die streitbefangenen Grundstücke seien auch nicht als sog. Stückländereien i. S. d. § 160 Abs. 7 BewG zu qualifizieren, da sie zum Bewertungsstichtag nicht mindestens 15 Jahre an einen anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft verpachtet worden seien.

Im Streitfall sei dem Beklagten vor der erstmaligen Feststellung des Grundbesitzwertes nach § 151 Abs.1 Nr. 1 BewG bekannt gewesen, dass die Voraussetzung zur Anwendung des Liquidationswertes gemäß § 162 Abs. 3 und 4 BewG vorliegen. Denn die streitbefangenen Flächen seien innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren nach dem Bewertungssticht...

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