Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung des Veräußerungsfreibetrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch den in der Überleitungsvorschrift zu § 16 Abs. 4 EStG verwendeten Begriff "Veräußerung" wird für die zeitliche Anwendung mit hinreichender Deutlichkeit auf das Erfüllungsgeschäft und nicht auf den Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts abgestellt.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.01.2010; Aktenzeichen VIII R 49/07)

BFH (Urteil vom 19.01.2010; Aktenzeichen VIII R 49/07)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob die Klägerin Anspruch hat auf Ansatz eines Freibetrags nach § 18 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 4 EStG aus Anlass der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen veranlagt. Die Klägerin ist im März 1940 geboren. Die Eheleute betrieben eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, an der sie zunächst je zur Hälfte beteiligt waren. Mit Wirkung vom 1. Januar 1996 trat ein Dritter Gesellschafter (Dr. E X) in die Gemeinschaftspraxis ein. In der dazu abgeschlossenen privatschriftlichen Vereinbarung zur „Übertragung von ideellen Praxisanteilen” vom 27. Dezember 1995 heißt es unter § 1:

  1. ”Dres. X übertragen am 1.1.1996 um 12 Uhr je 2/12 ihrer ideellen Anteile verbunden mit dem anteiligen Gewinnbezugsrecht, dem anteiligen Eigentum am Patientenstamm und der Praxiseinrichtung.
  2. Dr. E X nimmt diese Übertragung hiermit an.”

In einem am 1. Januar 1996 gefertigten Protokoll heißt es:

”Wir haben heute die vertragliche Vereinbarung vom 27.12.1995 (Praxiskaufvertrag) durch Übertragung vollzogen”.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 1996 beantragte und erhielt die Klägerin in Bezug auf den entstandenen Veräußerungsgewinn einen Freibetrag nach § 18 Abs.3 in Verbindung mit § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 60.000 DM wegen Vollendung des 55. Lebensjahres.

Mit Vereinbarung vom 9. November 2000 veräußerten die Kläger ihre verbliebenen Gesellschaftsanteile mit Wirkung zum 1. Januar 2001 und schieden vollständig aus der Gesellschaft aus. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2001 wurde hieraus ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 283.985 DM für die Klägerin und in Höhe von 620.208 DM für den Kläger festgestellt.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2001 beantragte die Klägerin, ihr (erneut) einen Freibetrag nach §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 4 EStG in Höhe von 100.000 DM zu gewähren. Dies lehnte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) mit Einkommensteuerbescheid vom 23.07.2003 ab unter Hinweis darauf, dass seit dem 1.1.1996 jeder Steuerpflichtige den erwähnten Freibetrag nur einmal in Anspruch nehmen könne. Der dagegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 21.01.2004 zurückgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen (Bl. 11-15 d.A.).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage verweisen die Kläger auf die Vorschrift des § 52 Abs. 19 a Satz 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1999. Darin sei geregelt, dass die Vorschrift des § 16 Abs. 4 EStG erstmals auf Veräußerungen anzuwenden ist, die nach dem 31.12.1995 „erfolgen”. Im Streitfall beruhe die erstmalige (Teil-)Veräußerung aber auf dem Veräußerungsvertrag vom 27. Dezember 1995, somit auf einem Vorgang, der vor dem 1. Januar 1996 liege. Da gemäß dem BFH-Urteil vom 21.09.1995 IV R 1/95, BStBl II 1995, 893 für die zeitliche Zuordnung das Kausalgeschäft maßgebend sei, sei diese Veräußerung also vor dem 1. Januar 1996 „erfolgt” und die Klägerin könne den Freibetrag erneut in Anspruch nehmen. Dafür spreche auch die Verwendung des Begriffs „erfolgt” in § 23 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Durch die Rechtsprechung sei seit langem geklärt, dass für die Feststellung des Veräußerungszeitpunktes das zugrunde liegende obligatorische Geschäft maßgebend sei.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 23.07.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2004 abzuändern und die Einkommensteuer für 2001 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsfreibetrages in Höhe von 100.000 DM herabzusetzen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2001 den Freibetrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) versagt, weil die Klägerin bereits einmal einen Veräußerungsfreibetrag erhalten hat. Die dem zugrunde liegende Veräußerung „erfolgte” entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor dem 1. Januar 1996, so dass die Überleitungsvorschrift des § 52 Abs. 19 a Satz 2 EStG (in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995, BGBl. I, S. 1250, BStBl I, S. 438; gleichlautend in der Fassung vom 16.4.1997, BGBl I S. 821, BStBl I S. 15; jetzt § 52 Abs. 34 Satz 5 EStG in der derzeitig...

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