Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlageersuchen an eine Bank ohne vorheriges Auskunftsersuchen

 

Leitsatz (redaktionell)

Sofern allein die Vorlage von Kontoauszügen für einen konkret benannten Zeitraum zur weiteren Sachverhaltsaufklärung geeignet ist, handelt das FA auch dann ermessensgerecht, wenn es die Bank ohne vorheriges Auskunftsersuchen um Vorlage der vorhandenen Unterlagen gemäß § 97 AO ersucht.

 

Normenkette

AO §§ 93, 97, 107, 92

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen II R 57/08)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines vom Beklagten an die Klägerin gerichteten Vorlageersuchens.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Bank, bei der die Steuerpflichtige Frau T ein Konto unterhält.

Im Rahmen einer Außenprüfung verlangte der Betriebsprüfer zur Klärung etwaiger nicht erklärter Einnahmen und Erstellung einer Geldverkehrsrechnung von der Steuerpflichtigen die Vorlage von Kontoauszügen für das bei der Klägerin geführte Konto. Nachdem dieses Vorlageverlangen erfolglos geblieben war, da die Steuerpflichtige angegeben hatte, nicht mehr im Besitz der Unterlagen zu sein, forderte der Beklagte mit Zustimmung der Steuerpflichtigen die Klägerin am 29.06.2007 gemäß § 97 der Abgabenordnung (AO) auf, Kontoauszüge für das Konto mit der Kontonummer … für den Zeitraum August 2002 bis September 2004 zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 18.07.2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie nach § 97 Abs. 2 S. 1 AO zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Unterlagen in der Regel erst dann verpflichtet sei, wenn sie als Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt habe. Ein Auskunftsersuchen sei aber bisher nicht an sie gerichtet worden. Die Vorlage von Kontoauszügen könne nach § 97 AO aber erst nach einem erfolglosen Auskunftsersuchen nach § 93 AO gefordert werden.

Erneute Aufforderungen des Beklagten vom 31.07. und 18.09.2007 zur Vorlage der Kontoauszüge wies die Klägerin am 09.08. bzw. 08.10.2007 ebenfalls zurück, wobei sie gleichzeitig darauf hinwies, dass sie einem Auskunftsersuchen bei Vorlage der rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich nachkommen werde.

Der Beklagte wertete das Schreiben der Klägerin vom 18.07.2007 als Einspruch und wies diesen durch Einspruchsentscheidung vom 02.11.2007 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen das Vorlageersuchen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das in § 97 Abs. 2 S. 1 AO zum Ausdruck kommende Hierarchieverhältnis zwischen den unterschiedlichen Formen des Eingriffs der Finanzverwaltung nicht eingehalten worden sei. Für den Beklagten bestehe kein Ermessen, ob er ein Auskunfts- oder ein Vorlageverlangen wähle. Der Wortlaut des Gesetzes gebe eine klare Reihenfolge der Beweismittel vor, von der hier nicht abgewichen werden könne. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führe vorliegend nicht zu einem Vorrang des Vorlageersuchens, da der Beklagte auch mit dem Auskunftsersuchen genau die Informationen und Unterlagen erhalte, die er benötige. Insbesondere erfolge eine Auskunft über Kontoumsätze regelmäßig durch Vorlage von Kopien der Kontoauszüge oder vergleichbarer Archivunterlagen. Der Vorzug eines Vorlageverlangens für den Beklagten bleibe unklar. Die Regelung des § 97 Abs. 2 S. 1 AO solle sicherstellen, dass die Finanzbehörde im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die möglichst schonendste Eingriffsart wähle. Der Beklagte könne diese vorgeschriebene Reihenfolge der Einholung von Beweismitteln nicht außer Acht lassen, um aus fiskalischen Motiven der Kostentragungspflicht bei Auskunftsersuchen zu entgehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFH vom 08.08.2006 (VII R 29/05 BStBl 2007 II, 80). Dort habe dieser gerade nicht die Frage beantwortet, ob ein Vorlageverlangen auch ohne vorheriges Auskunftsersuchen gestellt werden könne. Auch sei dieser Entscheidung keine „stillschweigende Wertung” in diesem Sinne zu entnehmen. Ferner greife eine Suspendierung der Vorschrift des § 97 Abs. 2 AO durch § 200 Abs. 1 S. 4 AO im Verhältnis zu Dritten nicht.

Die Klägerin beantragt,

die Vorlageersuchen vom 29.06.2007, 31.07.2007 und 18.09.2007 betreffend das Konto … für den Zeitraum August 2002 bis September 2004 sowie die Einspruchsentscheidung vom 02.11.2007 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte hält weiterhin an seiner Auffassung fest, dass ein Vorlageverlangen auch ohne vorhergehendes Auskunftsersuchen zulässig sei. Schon der Wortlaut der Vorschrift („soll”, „in der Regel”) mache deutlich, dass nicht in jedem Fall eines Vorlageverlangens diesem ein Auskunftsersuchen vorauszugehen habe. Vielmehr stehe es im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamtes im Rahmen einer erforderlichen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung darüber zu entscheiden, welcher Beweismittel es zur Feststellung der steuererheblichen Tatsachen bedürfe. Im vorliegenden Fall sei erst d...

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