Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangszeitpunkt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen für die Widerlegung der in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vermuteten Postlaufzeit.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 18.09.2009; Aktenzeichen IV B 140/08)

 

Tatbestand

Streitig ist die Auflösung einer Rücklage gemäß § 6c Abs. 1 i.V.m. § 6b Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die klagenden Eheleute wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger - von Beruf Rechtsanwalt - erzielte u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und ermittelte seine Einkünfte nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2002 verkaufte er zwei Forstflächen, die zum Betriebsvermögen seines forstwirtschaftlichen Betriebs gehörten, für 178.887,60 EUR an die Freie und Hansestadt Hamburg. Für den aus diesem Verkauf resultierenden Veräußerungsgewinn von 77.261,00 € bildete er zum 30. Juni 2002 im Verlauf des Einspruchsverfahrens bezüglich Einkommensteuer 2002 eine Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG in Höhe von 75.710 €.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 erklärte der Kläger keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Mit Bescheid vom 11.3.2005 veranlagte der Beklagte die Kläger erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer für 2003 auf 5.566 € fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung und enthielt die Aufforderung, das fortgeführte Verzeichnis über die Rücklage nach § 6b EStG zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft einzureichen. Nachdem die Kläger dieser Aufforderung trotz mehrfacher Erinnerungen des Beklagten nicht nachkamen, erließ der Beklagte am 22.11.2005 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003, mit dem er die Einkommensteuer auf 20.810 € festsetzte. Der Beklagte löste dabei die Rücklage gemäß § 6b EStG gewinnerhöhend auf unter Berücksichtigung eines Zinszuschlages gemäß § 6b Abs. 7 EStG und ermittelte einen Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 in Höhe von 86.532 €, der je zur Hälfte und damit jeweils in Höhe von 43.266 € auf die Jahre 2003 und 2004 entfiel. Dementsprechend berücksichtigte der Beklagte im Streitjahr 2003 Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 43.266 €. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 20.12.2005 Einspruch ein. Das vom Beklagten weiterhin verlangte Verzeichnis über die Fortführung der Rücklage legten die Kläger auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht vor. Der Beklagte wies daraufhin den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007 wegen des nicht vorgelegten Verzeichnisses als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am Freitag, dem 23.11.2007 Klage erhoben.

Die Kläger behaupten, die Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007 sei ihnen erst am 23.10.2007 - einem Dienstag - zugegangen. An diesem Tag habe der Kläger persönlich den Eingangstempel auf der Einspruchsentscheidung angebracht und den Ablauf der Klagefrist für den 23.11.2007 in seinem Terminkalender notiert. Die Kläger haben Kopien dieser Unterlagen und in der mündlichen Verhandlung den Terminkalender im Original vorgelegt. Die Richtigkeit des geschilderten Ablaufes versichert der Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt. Die Kläger verweisen auf wiederholt längere Postlaufzeiten bei Schreiben des Beklagten. So sei ihnen ein Schreiben mit Frankierstempel vom 17.10.2008 erst am 21.10.2008 von der Post übermittelt worden. Die Kläger vermuten eine Verzögerung im Organisationsbereich des Beklagten.

In der Sache wenden die Kläger sich gegen den Ansatz von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Der aus dem Grundstücksverkauf vom 27.3.2002 resultierende Veräußerungsgewinn und hilfsweise die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage sei mit in den Vorjahren aus Anlass von Grundstücksverkäufen erzielten Veräußerungsverlusten zu verrechnen. Hierzu führen die Kläger den Verkauf zweier Waldgrundstücke im Jahr 1997 und nachrangig den Verkauf eines Grundstücks im Jahr 2000 an, für die die Kläger jeweils einen Veräußerungsverlust errechnen. Für nähere Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 7.3.2008 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 22.11.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die Unzulässigkeit der Klage wegen Fristablaufes. Hierzu schildert der Beklagte den Ablauf bei der Versendung von Bescheiden. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 Bezug genommen. Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, der Kläger sei zum Führen eines Verzeichnisses gemäß § 6c EStG verpflichtet gewesen. Da der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei die Rücklage im Wirtschaftsjahr 2003/2004 wie vom Beklagten berechnet aufzulösen gewesen.

Dem Gericht haben zur Steuernummer .../.../... die Einkommensteuerakten I, ein Hefter mit Vorgängen aus 2002 und die Rechtsbehelfsakten zur Einkommens...

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