Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen unter denen sich ein FA die Kenntnis eines anderen FA von der Insolvenz eines Steuerpflichtigen zurechnen lassen muss. Unwirksamkeit eines nicht an den Insolvenzverwalter adressierten Einkommensteuerbescheids. Auszahlung des Einkommensteuererstattungsanspruchs bei Unkenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Eheleute. keine nochmalige Auszahlung an den Insolvenzverwalter bei Verjährung des Rückforderungsanspruchs des FA

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erlangt das für die Einkommensteuerfestsetzung von Eheleuten bisher örtlich zuständige FA nach dem Umzug der Eheleute in ein anderes Bundesland und damit einhergehendem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ehefrau, ist dem neu zuständigen FA keine Kenntnis nach § 82 InsO zuzurechnen. Dem steht § 9 InsO nicht entgegen.

2. Adressiert das über keine Kenntnis der Verfahrenseröffnung verfügende nunmehr örtlich zuständige FA den einen Erstattungsbetrag beinhaltenden Einkommensteuerbescheid der Eheleute an diese statt an den Insolvenzverwalter, erfolgt die Auszahlung der Erstattungsbeträge an die Eheleute mangels wirksamen Bescheids gem. § 37 Abs. 2 AO ohne rechtlichen Grund.

3. Ist dieser Erstattungsanspruch des FA jedoch zahlungsverjährt, besteht keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, die Unterlassung der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO durch das FA zugunsten des Insolvenzverwalters zu werten.

 

Normenkette

AO §§ 19, 37 Abs. 2, §§ 47, 218 Abs. 2; InsO §§ 82, 9, 80, 35

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen VII R 24/13)

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 31. Januar 2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen von Frau Carmen X (künftig: CX) bestellt worden (Bl. 14). Er streitet mit dem Beklagten über die Frage, ob der Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit befreiender Wirkung Zahlungen an CX geleistet hat.

Die Eheleute X wurden bis einschließlich 2002 beim Finanzamt Dortmund/Unna steuerlich geführt. Nach einem Wohnsitzwechsel nach Saarbrücken übernahm der Beklagte die Besteuerung. Die Eheleute X reichten in der Folge ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2006 beim Beklagten ein. Dabei erklärten sie jeweils ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Rbh, Bl. 83 ff.). Die entsprechenden Steuerfestsetzungen, die jeweils mit Einkommensteuerbescheiden in den Folgejahren getroffen wurden (Rbh, Bl. 14 ff.), waren an die Eheleute X adressiert und wurden diesen auch bekannt gegeben. Sie führten jeweils zu Erstattungen, die der Beklagte an die Eheleute X auszahlte.

Am 27. Juni 2008 wandte sich der Kläger an den Beklagten (Rbh, Bl. 2 f.) und machte geltend, der Beklagte habe die Steuererstattungen zu Unrecht an die Eheleute X geleistet. Der Beklagte habe nicht mit befreiender Wirkung leisten können. Deshalb stünden ihm, dem Kläger, infolge der bereits 2003 vollzogenen Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erstattungsbeträge zu.

Der Beklagte erließ am 27. bzw. 31. März 2009 jeweils Abrechnungsbescheide betreffend die Einkommensteuer 2003 bis 2006, mit denen er feststellte, dass die Erstattungsbeträge zu Recht an die Eheleute X geleistet worden seien und damit nicht mehr dem Kläger zustünden (Bl. 77, 118, 181, 207 Rbh). Die hiergegen vom Kläger eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Sie wurden vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 236 ff. Rbh).

Am 13. Oktober 2009 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1 ff.).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Abrechnungsbescheide vom 27. bzw. 31. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 dahingehend zu ändern, dass festgestellt wird, dass ihm die an die Eheleute X geleisteten Erstattungsbeträge zustehen.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe infolge der öffentlichen Bekanntgabe des Insolvenzeröffnungsbeschlusses über das Vermögen von CB Kenntnis davon haben müssen, dass er nicht mehr an die Eheleute X habe leisten können. Zumindest aber sei ihm die Kenntnis des Finanzamts Dortmund/Unna zuzurechnen.

Die Einkommensteuerbescheide seien im Übrigen nicht wirksam bekannt gegeben worden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine fehlende Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Kenntnis des Finanzamts Dortmund/Unna könne dem Übernahme-Finanzamt im Rahmen einer lediglich noch durchzuführenden Arbeitnehmer-Veranlagung nicht zugerechnet werden, da dabei eine Aktenübernahme nicht erfolge. Auch habe der Kläger von dem Wohnsitzwechsel der Eheleute X Kenntnis haben müssen. Er habe es indessen unterlassen, den Beklagten über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu informieren.

Die Bekanntgabe von Erstattungsbescheiden an die Eheleute X (statt an d...

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