Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aufhebung der Vollziehung einer Wettbürosteuer-Anmeldung in Bremen trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 des Bremischen Vergnügungssteuergesetzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zahl der Bildschirme als Bemessungsgrundlage für die Bremer Wettbürosteuer gemäß § 11 Abs. 2 VergnStG BR als örtliche Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a GG mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Ein solcher Stückzahlmaßstab ist ungeeignet für die Bemessung der Wettbürosteuer, weil ihm der erforderliche Bezug zu dem eigentlichen Steuergegenstand – dem Aufwand des Wettenden, der durch den Einsatz von privaten Mitteln zum Abschluss und der Verfolgung einer Wette in einem Wettbüro entsteht, in dem das Vermitteln und Verfolgen von Wetten möglich ist – fehlt.

2. Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts kommt eine Aufhebung der Vollziehung nur in Betracht, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt. Ein solches berechtigtes Interesse ist nicht gegeben, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Steueranmeldung auf erheblichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer der Steueranmeldung zugrunde liegenden neuen landesgesetzlichen Vorschrift beruhen, wenn bei einer neu eingeführten Steuer mit deren Erhebung nach der Gesetzesbegründung Lenkungsziele verfolgt werden (hier: „ökonomische Regulierung des ausufernden Marktes der Wettvermittlungsstellen in Bremen”), es um eine geringe Zahl von weniger als 50 Steuerpflichtigen geht, ins Gewicht fallende haushaltsrelevante Einnahmen aus der Steuer nicht erzielt werden und wenn zudem dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug keine irreparablen Nachteile drohen.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 Sätze 2, 7, Abs. 3 S. 1; VergnStG BR § 11 Abs. 2, § 8; AO § 168 S. 1; RennwLottG § 17; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a

 

Tenor

Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Wettbürosteuer-Anmeldung für den Monat August 2017 vom 5. Oktober 2017 wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf …,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin – nachfolgend abgekürzt: Ast. – begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Wettbürosteuer-Anmeldung, die nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des dieser zugrunde liegenden § 11 Abs. 2 des Bremischen Vergnügungssteuergesetzes vom 14. Dezember 1990 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen –Brem.GBl.– vom 19. Dezember 1990, 467 ff.) in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Wettbürosteuer vom 14. März 2017 (Brem.GBl. 2017, 104) – nachfolgend abgekürzt: VergnStG BR –.

Die Ast. betreibt in Bremen Wettvermittlungsstellen für den in … lizensierten Wettveranstalter V.

Der Wettveranstalter V verlangt für jeden Wetteinsatz eine „Gebühr” i. H. v. 5 % des jeweiligen Wetteinsatzes, die die Ast. beim Wettenden erheben muss. Hierbei handelt es sich um die Weitergabe der vom Wettveranstalter erhobenen, bundesgesetzlich geregelten Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG) in der Fassung des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten vom 29. Juni 2012 (BGBl I 2012, 1424). Die in den Wettvermittlungsstellen der Ast. zu jeder Wette ausgestellten Belege (Wettquittungen) weisen den Wetteinsatz sowie die darauf entfallende „Gebühr” i. H. v. 5 % Sportwettensteuer aus.

In den Wettvermittlungsstellen der Ast. befinden sich mehrere Tische mit Sitzgelegenheiten. Es besteht die Möglichkeit, Getränke zu kaufen und vor Ort zu konsumieren.

Auf den in den Wettvermittlungsstellen aufgehängten Bildschirmen werden zum Teil Sportereignisse und zum Teil Sportergebnisse und Wettquoten angezeigt. Außerdem gibt es Bildschirme an SB-Terminals, an denen die Wettenden auch die Wettergebnisse abfragen können.

Besucher der Wettvermittlungsstellen der Ast. können die Bildschirme unabhängig davon betrachten, ob sie Wetteinsätze tätigen. Für den Besuch der Wettvermittlungsstellen der Ast. wird kein Eintrittsgeld erhoben.

Nach § 8 VergnStG BR unterliegt der Besteuerung der Betrieb eines Wettbüros, in dem das Vermitteln und Verfolgen von Wetten möglich ist (Wettbürosteuer). Des Weiteren ist im VergnStG BR geregelt:

§ 9

Wettbüros, Anzeigepflichten

(1)

Wettbüros im Sinne dieses Gesetzes sind Wettvermittlungsstellen, die neben der Annahme von Wetten auch das Mitverfolgen der Wettergebnisse an Bildschirmen ermöglichen.

(2)

Wer ein Wettbüro in Betrieb nimmt, hat dies innerhalb von zwei Wochen nach Inbetriebnahme der in § 6 Absatz 2 genannten Steuerstelle schriftlich anzuzeigen.

(3)

Jede Änderung des Betriebs, die sich auf die Steuer auswirkt, ist innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Änderung der in § 6 Absatz 2 genannten Steuerstelle sch...

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