Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpachtung eines Hallenbades mit Saunabetrieb durch eine Gemeinde als BgA. Dauerverlustgeschäft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob sich eine Einrichtung innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person „wirtschaftlich heraushebt”, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Steuerpflicht von Betrieben gewerblicher Art (BgA) danach zu beurteilen, ob die betreffende erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand die Wettbewerbsneutralität beeinträchtigen kann.

2. Für die Beurteilung der „wirtschaftlichen Herausgehobenheit” der Tätigkeit ist im Fall der Verpachtung einer Einrichtung nicht auf das von der Körperschaft erzielte Pachtentgelt, sondern auf die Umstände in der Person des Pächters (ggf. also auf dessen Umsatzerlöse) abzustellen.

3. Eine Einrichtung ist jedenfalls bei einem nachhaltigen Jahresumsatz von (in den Streitjahren 2008 bis 2012) mehr als 30.678 Euro indiziert, sofern nicht besondere Umstände gegen eine wettbewerbsrelevante Tätigkeit von einigem Gewicht sprechen.

4. Der Umstand, dass die Gemeinde angesichts der die (nicht nur symbolischen und tatsächlich geflossenen) Pachtentgelte nachhaltig und wesentlich übersteigenden Betriebskostenzuschüsse an den Pächter keinen Überschuss aus der Verpachtung erzielen konnte, sondern es sich aus ihrer Sicht vielmehr um ein Dauerverlustgeschäft handelte, ändert am Vorliegen eines BgA nichts.

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 4, § 8 Abs. 7 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.12.2019; Aktenzeichen I R 58/17)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide über Körperschaftsteuer für 2008, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 sowie über die Ablehnung der Veranlagung zur Körperschaftsteuer für 2009, 2010 und 2011, sämtlich vom 20. September 2013, sowie des Bescheids über die Ablehnung der Veranlagung zur Körperschaftsteuer für 2012 vom 4. März 2014, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2015, verpflichtet, die Klägerin für die Jahre 2008 bis 2012 zur Körperschaftsteuer zu veranlagen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin mit einem Betrieb gewerblicher Art zur Körperschaftsteuer zu veranlagen ist.

Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie unterhielt bis zum 30. September 2007 ein städtisches Freizeitzentrum, bestehend aus einem Hallenbad, einer Sauna sowie einer Bowlingbahn. Die Einrichtung wurde von der Klägerin steuerlich als Betrieb gewerblicher Art behandelt; der Beklagte folgte dieser Handhabung.

Mit Vertrag vom 27. September 2007 verpachtete die Klägerin das Hallenbad mit sämtlichem Inventar – die Bowlingbahn ausgenommen – ab dem 1. Oktober 2007 für drei Jahre an die B… GmbH (nachfolgend: „GmbH”). Diese 1998 durch mehrere natürliche Personen errichtete Gesellschaft verpflichtete sich, die gepachtete Einrichtung für öffentliche Zwecke zu betreiben. Die Nutzung durch Schulen und Vereine war sicherzustellen; im Übrigen unterlag der Badebetrieb der freien Gestaltung der Pächterin. Die Pächterin verpflichtete sich ferner zur Zahlung einer Pacht in Höhe von jährlich 5.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer; außerdem oblagen ihr erforderliche Ausbesserungen und Reparaturen der Pachtsache bis zu einer Höhe von jährlich 12.000 EUR. Die Klägerin als Verpächterin verpflichtete sich ihrerseits, der GmbH in monatlichen Raten einen fortlaufenden Betriebskostenzuschuss zu zahlen, der sich im ersten Vertragsjahr auf 310.000 EUR, im zweiten Vertragsjahr auf 256.760 EUR und im dritten Vertragsjahr auf 236.760 EUR belief. Zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehörten auch die Pacht sowie die Aufwendungen für Ausbesserungen und Reparaturen. Die Klägerin war berechtigt, den Betriebskostenzuschuss einzubehalten, wenn die GmbH ihre vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllte; die GmbH war ihrerseits zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrages berechtigt, falls die Klägerin mit der Zahlung des Zuschusses in Höhe von zwei Monatsbeträgen in Verzug geraten sollte. Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten auf den Pachtvertrag Bezug.

Für den anschließenden Zeitraum 1. Oktober 2010 bis 30. September 2013 schlossen die Klägerin und die GmbH am 21. September 2010 einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Pachtvertrag, der sich bei ausbleibender Kündigung um jeweils zwei weitere Jahre verlängerte. Die jährlich zu zahlende Pacht betrug weiterhin 5.000 EUR, der Betriebskostenzuschuss wurd...

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