Entscheidungsstichwort (Thema)

Fusion durch Übernahme, Vorherige Bewilligung der Steuerverwaltung, Austausch von Anteilen von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Aufschub der Besteuerung des Wertzuwachses der eingebrachten Vermögenswerte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da durch Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, keine abschließende Harmonisierung erfolgt, erlaubt das Unionsrecht, die Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen im Hinblick auf das Primärrecht zu beurteilen, obwohl diese Rechtsvorschrift erlassen wurde, um die durch diese Bestimmung gewährte Möglichkeit in nationales Recht umzusetzen.

2. Art. 49 AEUV und Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 90/434 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die im Fall einer grenzüberschreitenden Fusion die Gewährung der gemäß dieser Richtlinie auf einen solchen Vorgang anwendbaren steuerlichen Vorteile, vorliegend der Aufschub der Besteuerung des Wertzuwachses der Einlagen, die durch eine französische Gesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft geleistet wurden, von einem Vorabbewilligungsverfahren abhängig macht, in dessen Rahmen der Steuerpflichtige für den Erhalt dieser Bewilligung nachweisen muss, dass der betreffende Vorgang durch einen wirtschaftlichen Grund gerechtfertigt ist, dass er nicht als hauptsächlichen Beweggrund oder als einen der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder -umgehung hat und dass seine Modalitäten die Sicherung der künftigen Besteuerung des Wertzuwachses, dessen Besteuerung aufgeschoben wird, erlauben, obwohl ein solcher Aufschub im Fall einer nationalen Fusion gewährt wird, ohne dass der Steuerpflichtige einem solchen Verfahren unterworfen wird.

 

Normenkette

EWGRL 434/90 Art. 11 Abs. 1 Buchst. a; AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Euro Park Service

Ministre des finances et des comptes publics

 

Verfahrensgang

Conseil d Etat (Frankreich) (Beschluss vom 30.12.2015; ABl. EU 2016, Nr. C 106/25)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Direkte Besteuerung ‐ Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ‐ Gemeinsames Steuersystem ‐ Fusion durch Übernahme ‐ Vorherige Bewilligung der Steuerverwaltung ‐ Richtlinie 90/434/EWG ‐ Art. 11 Abs. 1 Buchst. a ‐ Steuerhinterziehung oder -umgehung ‐ Niederlassungsfreiheit“

In der Rechtssache C-14/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidung vom 30. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2016, in dem Verfahren

Euro Park Service, Rechtsnachfolgerin der SCI Cairnbulg Nanteuil,

gegen

Ministre des Finances et des Comptes publics

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Euro Park Service, Rechtsnachfolgerin der SCI Cairnbulg Nanteuil, zunächst vertreten durch N. Boullez, avocat, dann durch N. Boullez und M. Castro, avocats,

‐ der französischen Regierung, zunächst vertreten durch D. Colas und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte, dann durch D. Colas, E. de Moustier und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und L. Pamukcu als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV und Art. 11 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. 1990, L 225, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Euro Park Service (im Folgenden: Euro Park) als Rechtsnachfolgerin der SCI Cairnbulg Nanteuil (im Folgenden: Cairnbulg) gegen den Ministre des Finances et des Comptes publics (Minister für Finanzen und Haushalt, Frankreich, im Folgenden: Steuerverwaltung) wegen seiner Weigerung führt, Cairnbulg die Inanspruchnahme des Aufschubs der Besteuerung des Wertzuwachses der eingebrachten Vermögenswerte dieser Gesellschaft bei einer Fusion durch die Aufnahme der Letzteren durch eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zu gewähren, da die sich verschmelzenden Gesellschaften nicht um die vorherige Bewilligung der Steuerverwaltung ersucht hätten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz....

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