Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zustellung von Schriftstücken. Einwöchige Frist für die Ausübung des Rechts auf Verweigerung der Annahme des Schriftstücks. Beschluss über eine Zwangsvollstreckung, der in einem Mitgliedstaat erlassen und in einem anderen Mitgliedstaat nur in der Sprache des erstgenannten Mitgliedstaats zugestellt wird. Regelung des erstgenannten Mitgliedstaats, die für die Erhebung eines Einspruchs gegen diesen Beschluss eine Frist von acht Tagen vorsieht. Einspruchsfrist, die zur gleichen Zeit wie die Frist für die Ausübung des Rechts auf Verweigerung der Annahme des Schriftstücks zu laufen beginnt. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 8 Abs. 1; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47

 

Beteiligte

LKW WALTER

LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG

CB

DF

GH

 

Tenor

Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass

er einer Regelung des Mitgliedstaats, zu dem die Behörde gehört, die ein zuzustellendes Schriftstück ausgestellt hat, entgegensteht, wonach der Beginn der einwöchigen Frist nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007, innerhalb deren der Empfänger eines solchen Schriftstücks die Annahme aus einem der in dieser Bestimmung vorgesehenen Gründe verweigern kann, mit dem Fristbeginn für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Schriftstück in diesem Mitgliedstaat zusammenfällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bezirksgericht Bleiburg (Österreich) mit Entscheidung vom 6. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Januar 2021, in dem Verfahren

LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG

gegen

CB,

DF,

GH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG, von CB, DF und GH, vertreten durch Rechtsanwältin M. Erman, Rechtsanwalt R. Grilc, Rechtsanwältin S. Grilc, Rechtsanwalt J. J. Janezic, Rechtsanwältinnen M. Ranc, G. Schmidt und M. Škof sowie Rechtsanwalt R. Vouk,
  • der slowenischen Regierung, vertreten durch A. Vran als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. März 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV, von Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79) sowie von Art. 36 und 39 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 4 Abs. 3 EUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der LKW Walter Internationale Transportorganisation AG auf der einen Seite sowie CB, DF und GH auf der anderen Seite wegen eines Schadenersatzbegehrens, das deren Haftung als Rechtsanwälte für die nicht fristgerechte Erhebung eines Einspruchs gegen einen von einem slowenischen Gericht erlassenen Beschluss über eine Zwangsvollstreckung betrifft.

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 10 und 12 der Verordnung Nr. 1393/2007 lauteten:

„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden.

(10) Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, sollte die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt werden.

(12) Die Empfangsstelle sollte den Zustellungsempfänger schriftlich unter Verwendung des Formblatts darüber belehren, dass er die Annahme des Schriftstücks bei der Zustellung oder dadur...

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