Leitsatz

1. Die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen ist vom Anlass der Darlehensaufnahme abhängig.

2. Der Fremdvergleich ist strikt vorzunehmen, wenn die Darlehensmittel dem Darlehensgeber zuvor vom Darlehensnehmer geschenkt worden sind. Gleiches gilt, wenn in einem Rechtsverhältnis, für das die laufende Auszahlung der geschuldeten Vergütung charakteristisch ist, die tatsächliche Auszahlung durch eine Darlehensvereinbarung ersetzt wird.

3. Dient das Angehörigendarlehen hingegen der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern und ist die Darlehensaufnahme daher unmittelbar durch die Einkunftserzielung veranlasst, tritt die Bedeutung der Unüblichkeit einzelner Klauseln des Darlehensvertrags zurück. Entscheidend ist in diesen Fällen vielmehr die tatsächliche Durchführung der Zinsvereinbarung und die fremdübliche Verteilung der Vertragschancen und -risiken.

4. Maßstab für den Fremdvergleich sind jedenfalls bei solchen Darlehensverträgen zwischen Angehörigen, die nicht nur dem Interesse des Schuldners an der Erlangung zusätzlicher Mittel außerhalb einer Bankfinanzierung dienen, sondern auch das Interesse des Gläubigers an einer gut verzinslichen Geldanlage berücksichtigen, nicht allein die Vertragsgestaltungen, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind, sondern ergänzend auch Vereinbarungen aus dem Bereich der Geldanlage (gegen BMF-Schreiben vom 23.12.2010, BStBl I 2011, 37, Rz. 4 Satz 3).

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb eine Bäckerei. Mit Kaufvertrag vom 1.10.1993 erwarb er von seinem Vater (V) Anlagevermögen zu einem Preis von 94.100 DM netto zzgl. 14.115 DM Umsatzsteuer. Ebenfalls am 1.10.1993 schlossen V und der Kläger einen schriftlichen Darlehensvertrag über die Bruttokaufpreisforderung i.H.v. 108.215 DM. Das Darlehen war mit 8 %, beginnend ab 1.10.1993, zu verzinsen. Verzinst wurde jeweils der Restsaldo zum 31.12. eines jeden Jahres. Die Zinsen wurden dem Darlehen zum Ende des Jahres zugeschlagen. Das Darlehen war von beiden Seiten mit einer Frist von sechs Monaten kündbar; Kündigungen konnten auch in Teilbeträgen erfolgen.

Ebenfalls am 1.10.1993 gab V gegenüber den noch minderjährigen Kindern der Kläger das privatschriftliche Schenkungsversprechen ab, dass er ihnen die Kaufpreisforderung zu gleichen Teilen schenke. Die Kläger als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder nahmen die Schenkung an. Der Kläger richtete in seiner Buchführung für seine Kinder je ein Konto ein. Diese Konten erhöhten sich in den Jahren 1993 bis 2004 jeweils um die thesaurierten Zinserträge. Tatsächliche Auszahlungen aufgrund der Darlehensverträge erfolgten jedenfalls bis Ende 2004 nicht. Das FA erkannte den geltend gemachten Zinsaufwand nicht an. Einspruch und Klage hinsichtlich der Zinsaufwendungen hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, der Darlehensvertrag sei ertragsteuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil die Vertragsbedingungen in wesentlichen Punkten einem Fremdvergleich nicht standhielten (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.6.2010, 4 K 12348/07).

 

Entscheidung

Die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen ließen weder einen sicheren Schluss auf eine private noch auf eine betriebliche Veranlassung des vom Kläger gebuchten Zinsaufwands zu. Daher musste der Rechtsstreit vom BFH an das FG zurückverwiesen werden.

 

Hinweis

Dieses Urteil ist im Zusammenhang mit der Senatsentscheidung vom 17.7.2013, X R 31/12 (BFH/PR 2014, 1) zu den Arbeitsverträgen zwischen nahen Angehörigen zu sehen.

1.Wieder betont der X. Senat, dass für die Beurteilung, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen durch die Einkunftserzielung veranlasst oder aber durch private Zuwendungs- oder Unterhaltsüberlegungen ­motiviert sind, der Anlass des Vertragsschlusses maßgeblich ist. Ist – wie im Streitfall – ein Darlehensvertrag betrieblich begründet, weil er z.B. dem Erwerb von Investitionsgütern dient, ist die Prüfung des Fremdvergleichs weniger strikt vorzunehmen. Damit hindern auch eher unübliche Regelungen (z.B. fehlende Absicherung, Höhe des Zinssatzes, Aus­zahlungsmodalitäten) die steuerliche Anerkennung des Vertrages nicht, solange Chancen und Risiken fremdüblich verteilt sind.

2. Im Gegensatz zur Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 37, Rz. 4 Satz 3) sind dabei nicht ausschließlich diejenigen Vertragsgestaltungen Vergleichsmaßstab, die zwischen Darlehensnehmern und Kreditinstituten üblich sind. Vielmehr können jedenfalls dann, wenn der Vertrag nicht allein dem Interesse des Schuldners an der Erlangung zusätzlicher Mittel außerhalb einer Bankfinanzierung dient, sondern angesichts der attraktiven Verzinsung zugleich auch das Interesse des Gläubigers an einer gut verzinslichen Geldanlage berücksichtigt, ergänzend auch Vereinbarungen herangezogen werden, die im Bereich der Geldanlage üblich sind. Auch dies entspricht dem Grundsatz, wonach die Ausgewogenheit von Chancen und Risiken ein wesentliches Element im Rah...

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