Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 25.08.1980; Aktenzeichen L 10/1 Ar 202/80)

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.10.1979)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 1980 aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Auch in diesem Umfange wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 30. Oktober 1979 zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg) und höheres Arbeitslosengeld (Alg).

Der 1935 geborene Kläger verlor seine Stelle als kaufmännischer Angestellter wegen Betriebsstillegung zum 30. Juni 1976. Nach der im Februar 1976 erfolgten Kündigung erhielt der Kläger zunächst Urlaub, anschließend war er von der Arbeit freigestellt. Im Juni 1976 erhielt er neben dem festen Monatsentgelt von 1.764,– DM aufgrund eines Sozialplanes eine Abfindung von 5.196,20 DM, bestehend aus 2,5 Gehältern = 4.345,– DM, entgangener Vermögensbildung = 156,– DM und entgangener betrieblicher Sonderzahlung 695,20 DM. Zusätzliches Urlaubsgeld von 125,13 DM und 542,26 DM hatte der Kläger im Februar und März 1976 erhalten.

Mit Bescheid vom 9. September 1976 bewilligte die Beklagte für eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung, an der der Kläger vom 1. September 1976 bis 18. Januar 1978 teilnahm, Uhg, und zwar unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts von 1.764,– DM. Im Mai 1977 bat der Kläger, auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen. Die Beklagte beschied den Kläger dahin, daß die Abfindung aufgrund des Sozialplanes keinen Einfluß auf das Uhg habe; es bleibe somit bei der Entscheidung vom 8. September 1976 (Schreiben vom 4. August 1977). Den Widerspruch wies die Beklagte nach weiteren Anfragen beim Arbeitgeber als unzulässig zurück, da die bisher ergangenen Bescheide vom 8. und 15. September 1976, 16. März und 6. Juli 1977 bindend geworden seien und das Schreiben vom 4. August 1977 keinen Verwaltungsakt darstelle (Widerspruchsbescheid vom 28. November 1977). Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben.

Mit Bescheiden vom 7. August 1978 und 9. Januar 1979 bewilligte die Beklagte dem Kläger, der nach dem Ende der Bildungsmaßnahme erkrankt war, ab 1. Juni 1978 Alg. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit der Begründung zurück, über die Berücksichtigung des Urlaubsgeldes und der Sonderzahlung sei nicht zu befinden; gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 4b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei für die Bemessung das Arbeitsentgelt maßgebend, nach dem das Uhg zuletzt bemessen worden sei (Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1979). Der Kläger hat daraufhin eine weitere Klage erhoben, die er am 29. Mai 1979 zurückgenommen hat, da sie im Hinblick auf § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unzulässig sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30. Oktober 1979); auf die vom SG zugelassene Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) unter entsprechender Änderung des Urteils des SG und Änderung bzw Aufhebung ergangener Bescheide die Beklagte verurteilt, das Uhg ab 1. September 1976 sowie das Alg ab 1. Juni bis 30. November 1978 unter Berücksichtigung der Sonderzahlung von 695,20 DM zu zahlen, im übrigen die Berufung zurückgewiesen und die Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte vorgesehen (Urteil vom 25. August 1980).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, zwar sei der Bescheid vom 9. September 1976 bindend geworden, jedoch habe die Beklagte aufgrund bisher nicht erörterter tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte mit Bescheid vom 4. August 1977 eine Regelung getroffen, die in vollem Umfange gerichtlich nachprüfbar sei. Die Höhe des Uhg richte sich gemäß § 44 Abs. 2, § 112 AFG nach dem Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum, dh im Juni 1976. Damals habe der Kläger neben den 1.764,– DM brutto die betriebliche Sonderzuwendung in Höhe von 695,20 DM erhalten, die keine einmalige Zuwendung sei und deshalb berücksichtigt werden müsse. Die Leistung sei aufgrund des Sozialplanes vom 7. November 1974 erfolgt, wonach einem Arbeitnehmer bei Bestehen eines Anspruchs auf Abfindung außerdem die tarifliche Sonderzahlung im Jahre des Ausscheidens zu zahlen sei, sofern ein neuer Arbeitgeber diese Leistung nicht erbringen würde. Aufgrund des Tarifvertrages über die betriebliche Sonderzahlung für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende der hessischen Metallindustrie vom 13. Juli 1972 in der bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung (TV) habe der Kläger im Zeitpunkt seines Ausscheidens keinen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung gehabt, da sein Arbeitsverhältnis am 1. Oktober des Kalenderjahres, dem Auszahlungstag aufgrund einer Betriebsvereinbarung, nicht mehr bestanden (§ 2 Nr. 1 TV) und er nicht zu den Personen nach § 2 Nr. 6 TV gehört habe; jedoch habe nach dem Sozialplan den Arbeitnehmern die gleiche Leistung erbracht werden sollen, die sie bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis aufgrund des TV gehabt hätten, sofern nicht ein anderer Arbeitgeber diese Sonderzahlung übernehme. Die Sonderzahlung gehöre ihrem Wesen nach zu den laufenden, in jedem Lohnabrechnungszeitraum zu erwartenden Bezügen. Ihre Fälligkeit nur zum 1. Oktober hindere nicht, sie als Bestandteil des Lohnes in den einzelnen Monaten zu betrachten. Die Sonderzahlung sei der Höhe und Fälligkeit nach von vornherein bestimmt und sei entsprechend der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer gestaffelt (§ 2 Nr. 2 TV). Der Kläger habe jährlich Anspruch auf die Leistung und habe sich hierauf eingestellt. Die Zahlung sei, wie sich aus § 2 Nr. 6 TV ergebe, von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr geruht habe oder die aus anderen Gründen nicht gearbeitet hätten, erhielten die Sonderzahlung nicht. Habe das Arbeitsverhältnis teilweise geruht oder habe ein Arbeitnehmer unentschuldigt nicht gearbeitet, erhalte er die Zuwendung nur anteilig. Die Sonderleistung sei daher nicht wegen des bestehenden Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag erbracht worden, sondern weil während des Jahres gearbeitet worden sei. Sie sei somit eine laufende Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Daß die Zahlung für Arbeitnehmer entfiel, die am Auszahlungstag gekündigt hatten oder denen wegen Vertragsverletzung gekündigt worden sei (§ 2 Nr. 1 Satz 2 TV), schließe den Charakter als laufendes Entgelt nicht aus. Hieran habe sich dadurch nichts geändert, daß die Zahlung an den Kläger aufgrund des Sozialplanes erfolgt sei. Dieser habe die Fälligkeit nur vorverlegt? Voraussetzung sei nicht mehr gewesen, daß das Arbeitsverhältnis noch am 1. Oktober bestanden habe. Der Kläger habe sich seit November 1974 darauf einstellen können, daß er auch im Falle des Ausscheidens wegen Betriebsstillegung diese Sonderzahlung erhalten werde. Die Sonderzahlung, die im Sozialplan abgesichert gewesen sei, habe daher den Charakter eines laufenden Arbeitsentgelts und sei bei der Bemessung von Uhg und Alg in voller Höhe dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt zuzurechnen. Dagegen sei das zusätzliche Urlaubsgeld in Höhe von 667,39 DM nicht zu berücksichtigen, weil es nicht innerhalb des Bemessungszeitraums, sondern schon im Februar und März 1976 erzielt worden sei. Eine besondere Härte stelle diese Regelung für den Kläger nicht dar.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 AFG. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Sonderzahlung als einmalige Zuwendung und nicht als aufgestautes Arbeitsentgelt anzusehen. Es fehle an dem erforderlichen Anspruch auf anteilige Zahlung. Der TV enthalte eine Stichtagsregelung. Bei einem Ausscheiden vor dem Auszahlungstag gewähre der TV keinen Anspruch. Entsprechend habe dem Kläger die Sonderzahlung nach dem TV nicht zugestanden, wie das LSG zutreffend erkannt habe. Es sei zwar unschädlich, wenn der an sich gegebene Anspruch auf Sonderzahlung wegen eigener Kündigung oder infolge Kündigung des Arbeitgebers wegen Vertragsverletzung entfalle. Im gegebenen Falle hätten jedoch diejenigen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Oktober ausgeschieden seien, einen Anspruch überhaupt nicht erworben. Nach der Rechtsprechung liege aufgestautes Arbeitsentgelt nur vor, wenn der Arbeitnehmer auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Fälligkeitstermin regelmäßig einen Anspruch habe; hieran fehle es. Ebenso sei die aufgrund des Sozialplanes dem Kläger ausgezahlte Sonderleistung eine einmalige Zuwendung. Dies folge daraus, daß der Sozialplan den Charakter der Sonderleistung nicht geändert habe. Im übrigen habe die Leistung nach dem Sozialplan nur zum Ausgleich und zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile dienen sollen, die dem Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung entstanden seien.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es der Berufung stattgegeben hat, und diese in vollem Umfange zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil für zutreffend. Die Merkmale, nach denen zusätzliche Leistungen als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen seien, seien erfüllt. Unschädlich sei, daß nach dem TV beim Ausscheiden am 30. Juni 1976 kein Anspruch auf die Sonderzahlung bestanden habe. Der Sozialplan habe den TV jedoch ergänzt. Die Abfindung sei dem Kläger zwar nach dem Sozialplan vom 16. Februar 1976 gezahlt worden; der Arbeitgeber habe dem Kläger jedoch mitgeteilt, daß hinsichtlich des Ausscheidens die Bedingungen des Sozialplanes vom 7. November 1974 gelten. Damit habe schon Anfang 1976 eine Betriebsvereinbarung gegolten, die einen Anspruch auf tarifliche Sonderzahlung im Jahr des Ausscheidens vorsehe, was die Revision verkenne.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG nur insoweit, als das LSG die Beklagte verurteilt hat. Die Verurteilung der Beklagten, Uhg und Alg unter Berücksichtigung der Sonderzahlung von 695,20 DM zu zahlen, meint der Sache nach, daß beide Leistungen nach einem anfänglichen, dh ggf gemäß § 112a AFG zu dynamisierenden gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt zu gewähren sind, das aus einem Monatsentgelt von (1.764, + 695,20 DM =) 2.459,20 DM zu entwickeln ist. Soweit der Kläger mit Klage und Berufung Leistungen nach einem noch höheren anfänglichen gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt erstrebt hat, hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der Kläger hat hiergegen Revision nicht eingelegt, so daß die Entscheidung insoweit rechtskräftig geworden ist (§ 141 Abs. 1 SGG).

Das Verfahren der Vorinstanzen, das bei einer zugelassenen Revision im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage von Amts wegen zu prüfen ist, ist nicht zu beanstanden. Gegenstand des Rechtsstreits ist zunächst der Bescheid der Beklagten vom 4. August 1977 idF des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1977. Mit dem Schreiben vom 4. August 1977 hat die Beklagte auf das Begehren des Klägers, die ergangenen Uhg-Bescheide wegen des Bemessungsentgelts zu überprüfen, entschieden, daß es bei der bisherigen Regelung zu verbleiben habe, weil die Abfindung ohne Einfluß auf die Höhe des Uhg sei. Die Beklagte hat damit, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, eine an sich bestandskräftig gewordene Entscheidung wieder aufgegriffen und, wenn auch die früheren Entscheidungen bestätigend, neu entschieden, was der Beklagten, soweit Verwaltungsakte den Bürger belasten, nach § 77 SGG nicht versagt ist. Auch ein solcher bestätigender Zweitbescheid ist dem Widerspruch zugänglich, durch den seine Rechts- und Zweckwidrigkeit geltend gemacht werden kann, und unterliegt, wie grundsätzlich jeder Verwaltungsakt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der von ihr getroffenen Regelung der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BSGE 10, 248; 13, 48; 13, 86; 18, 22).

Ebenso bestehen keine Bedenken, daß die Vorinstanzen auch über die Alg-Bewilligung gemäß § 96 SGG als weiteren Gegenstand des Verfahrens entschieden haben. Zwar kommt eine unmittelbare Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG nicht in Betracht, weil die Alg-Bewilligung die Uhg-Bewilligung weder abändert noch ersetzt. Gleichwohl ist § 96 Abs. 1 SGG entsprechend anzuwenden, weil die Einbeziehung der Alg-Bewilligung in das laufende Gerichtsverfahren Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht; es ist jedenfalls unbedenklich, weil dies hier dem ausdrücklichen Willen der Beteiligten entspricht (vgl. BSGE 47, 168, 171 = SozR 1500 § 96 Nr. 13; SozR 1500 § 96 Nr. 18). Wie der Senat schon entschieden hat, ist § 96 Abs. 1 SGG entsprechend anwendbar, wenn der Bezug von Alg, Uhg und wiederum Alg aneinander anschließen und streitig ist, nach welchem einheitlichen Arbeitsentgelt beide Leistungen zu bemessen sind (BSGE 45, 49 = SozR 1500 § 96 Nr. 6). Der Kläger hat nach Abschluß der Fortbildungsmaßnahme nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Für die Bemessung des Alg ist gemäß § 107 Nr. 5 und § 112 Abs. 2,3 und 5 Nr. 4 Buchstabe b AFG (in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes –HStruktG-AFG– vom 18. Dezember 1975, BGBl I 3113) das Arbeitsentgelt maßgebend, nach dem das Uhg zuletzt bemessen worden ist. Damit ist die Rechtmäßigkeit der Alg – Bewilligung hinsichtlich der Höhe davon abhängig, ob die Klage auf die Gewährung höheren Uhg Erfolg hat. Allerdings folgt – anders als dem in BSGE 45, 49 = SozR 1500 § 96 Nr. 6 entschieden Fall – das Alg nicht unmittelbar auf das Uhg; jedoch schließt dies die Anwendung des § 96 SGG nicht aus, wenn der nachgehende Bescheid aus den gleichen Gründen wie der frühere Bescheid angefochten wird (BSGE 47, 201 = SozR 1500 § 96 Nr. 14 mwN).

In der Sache ist dem LSG dagegen nicht zu folgen. Der Bemessung der beiden Leistungen ist nicht mehr als das Arbeitsentgelt von 1.764,– DM (= 1.738,– DM + 26,– DM vermögensbildende Leistungen) vor den allfälligen Dynamisierungen gemäß § 112a AFG zugrundezulegen, die die Beklagte den Leistungen tatsächlich zugrundegelegt hat.

Nach § 44 Abs. 2 AFG (idF HStruktG-AFG) beträgt das Uhg in bestimmten Fällen 80 vH, im übrigen gemäß § 44 Abs. 2a AFG 58 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iSd § 112 AFG. Das der Bemessung zugrundezulegende Arbeitsentgelt ist somit das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der durch Art. 27 Nr. 9 Buchstabe b des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974, BGBl I 3556, geänderten ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969, BGBl I 582); Bemessungszeitraum sind die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs. 3 Satz 1 AFG). Das ist hier der Juni 1976. Dieser Lohnabrechnungszeitraum ist nach den Feststellungen des LSG zuletzt abgerechnet worden. In diesem Monat bestand die die Beitragspflicht begründende Beschäftigung auch fort, obwohl der Kläger seit Frühjahr 1976 von der Arbeit freigestellt war. Wird bis zum Ende eines Arbeitsverhältnisses weiter Entgelt gezahlt, besteht das die Beitragspflicht begründende Beschäftigungsverhältnis jedenfalls fort, so lange der Arbeitnehmer dienstbereit und der Arbeitgeber verfügungsbefugt ist (vgl. BSGE 37, 10, 13f; SozR 2200 § 1227 Nr. 4; Urteil vom 4. September 1979 – 7 RAr 51/78 – USK 79 268; Urteil vom 13. Mai 1981 – 7 RAr 39/80 –). Wird der Arbeitnehmer bis zum bevorstehenden Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freigestellt, macht der Arbeitgeber damit von seiner Verfügungsbefugnis Gebrauch (BSGE 36, 161, 164). Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers wäre daher nur vor dem Arbeitsverhältnis beendet worden, wenn der Kläger nicht mehr dienstbereit gewesen wäre. Da hierfür nach den Feststellungen des LSG kein Anhalt besteht, ist nicht etwa auf den im März 1976 zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum abzustellen.

Zu Unrecht hat das LSG angenommen, der dem Kläger (mit der restlichen Abfindung) zugeflossene Betrag von 695,20 DM sei zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt. Was Arbeitsentgelt iS des § 112 Abs. 2 AFG ist, hat das AFG im einzelnen nicht geregelt. Ob die 695,20 DM (wie auch die restliche Abfindung) bei der Leistungsbemessung schon deshalb außer Betracht zu bleiben haben, weil Arbeitsentgelt nur ist, was der Lohnsteuer unterliegt (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 Rdnr 10 ff, August 1972; Krebs, Kommentar zum AFG, § 112 Rdnr 3 ff, März 1981), Abfindungen bis 24.000,– DM wegen einer vom Arbeitgeber veranlaßten Auflösung des Dienstverhältnisses aber steuerfrei sind (§ 3 Nr. 9 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes idF des Einkommensteuerreformgesetzes vom 5. August 1974, BGBl I 1769), läßt der Senat offen (vgl. dazu BFHE 122, 478; 126, 399, 129, 479); denn die 695,20 DM können nicht berücksichtigt werden, weil einmalige Zuwendungen nach § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG außer Betracht bleiben.

Für die Frage, welche Leistungen des Arbeitgebers als einmalige Zuwendungen außer Betracht zu bleiben haben, ist vom Sinn und Zweck der Bemessungsvorschriften auszugehen. Das Uhg soll – wie das Alg – dem Empfänger ermöglichen, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war. Entsprechend knüpft das Gesetz die Höhe der Leistungen im Grundsatz an das bisher erzielte Arbeitsentgelt an, wobei in der Regel – auch aus Vereinfachungsgründen – das zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erzielte Arbeitsentgelt maßgebend ist. Einmalige Zuwendungen müssen deshalb außer Betracht bleiben, weil ihre Berücksichtigung den Durchschnittsverdienst verfälschen würde. Einmalige Zuwendungen sind daher Bezüge, die nicht in ständiger Wiederholung gezahlt, den Arbeitnehmern in der Regel aus besonderen Anlässen gewährt werden und vielfach der Höhe nach nicht von vornherein bestimmt sind, ferner Bezüge, deren Fälligkeit nicht feststeht.

Allerdings sind nach der Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, vertraglich vereinbarte zusätzliche Leistungen keine einmaligen Zuwendungen, wenn der Arbeitnehmer auf sie einen Anspruch hat, dessen Höhe und Fälligkeit von vornherein feststeht und die Leistung in der Weise Bestandteil des festen Jahresgehalts ist, daß demjenigen, der im Laufe des Kalenderjahres in den Betrieb eintritt oder demjenigen, der aus dem Betriebe während des Kalenderjahres ausscheidet, ein Anspruch auf anteilige Zahlung der Leistung zusteht, der der Zeit entspricht, die der Betreffende als Arbeitnehmer im Betrieb verbracht hat (vgl. für viele BSG SozR 4100 § 112 Nr. 11 mwN). Ob die betriebliche Sonderzahlung, wie sie im TV vorgesehen ist, diesen Anforderungen entspricht, bedarf hier keiner Entscheidung; denn der Kläger hat aufgrund des TV im Juni 1976 keine Zahlungen erhalten.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Arbeitgeber die 695,20 DM nicht aufgrund des TV, sondern als Ersatz für die dem Kläger entgehende betriebliche Sonderzahlung geleistet, wie dies im Sozialplan vom 7. November 1974 festgelegt war. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden, da die Beteiligten keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht haben (§ 163 SGG). Das LSG hat hierzu ausgeführt, daß dem Kläger allein aufgrund des TV ein Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung nicht zugestanden habe. Es kann dahingesellt bleiben, ob der Senat gemäß § 202 SGG, § 562 Zivilprozeßordnung, § 162 SGG an die Entscheidung des LSG über das Bestehen und den Inhalt des TV gebunden ist, weil der TV kein Bundesrecht ist und sein Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (vgl. BSGE 6, 41, 43; BSG SozR 4100 § 112 Nr. 14 und § 117 Nr. 3); denn diese Ausführungen des LSG, von der auch die Revisionserwiderung des Klägers ausgeht, sind zutreffend. Der Kläger hat nicht, wie dies nach § 2 Nr. 1 Satz 1 TV erforderlich ist, am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Der Satz 2 des § 2 Nr. 6 Abs. 3 TV, nach dem Arbeitnehmern, die bis zum 30. Juni des Auszahlungsjahres ausscheiden, die halbe Sonderzahlung erhalten, kann sich nur auf die Gruppe der vor dem Auszahlungstag ausscheidenden Rentner beziehen, zu deren Gunsten § 2 Nr. 6 Abs. 3 TV vom Stichtagserfordernis absieht. Somit standen dem Kläger erst aufgrund seines Ausscheidens nach Maßgabe des Sozialplans die 695,20 DM zu. Der Kläger hat in seiner Revisionserwiderung bestätigt, daß hinsichtlich des Ausscheidens die Bedingungen des Sozialplans vom 7. November 1974 gegolten hätten, dh auch die Klausel hinsichtlich der Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung. Es ist daher ohne Bedeutung, wenn die Abfindung tatsächlich aufgrund eines weiteren Sozialplanes von 16. Februar 1976 gezahlt worden ist, wie der Kläger erstmals im Revisionsverfahren (und damit im übrigen verspätet) vorbringt.

Erhielt der Kläger erst aufgrund des Ausscheidens nach Maßgabe des Sozialplans die 695,20 DM, ist für die Frage ob die Leistung ihrem Wesen nach zu den laufenden oder nicht zu den laufenden Bezügen gehörte, die rechtliche Ausgestaltung aufgrund des Sozialplans maßgebend. Nach dem Sozialplan aber ist die dort vorgesehene Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung – nicht anders als die Abfindung in Höhe von 2,5 Monatsgehältern und die Zahlung eines Betrages bis zu 156,– DM für einen evtl. Ausfall an Arbeitgeber bei trägen zur Vermögensbildung – eine einmalige Zuwendung, nämlich eine sich nicht wiederholende Leistung anläßlich einer aus Rationalisierungsgründen erforderlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die im Sozialplan vorgesehene Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung an Abfindungsberechtigte hat formal weder den Tarifvertrag noch die Betriebsvereinbarung über den Auszahlungstag (1. Oktober), der für das Entstehen des Anspruches von Bedeutung ist, abgeändert. Es trifft auch nicht zu, wie das LSG gemeint hat, daß der Sozialplan inhaltlich die Fälligkeit (gemeint: den Auszahlungstag) des tariflichen Anspruches vorverlegt habe. Das ergibt sich schon daraus, daß die Zahlung nach dem Sozialplan nicht in jedem Falle zu erfolgen hatte, sondern davon abhängig war, daß ein neuer Arbeitgeber die betriebliche Sonderleistung nicht erbringen würde. Hieran wird deutlich, wie das LSG selbst zum Ausdruck gebracht hat, daß mit der im Sozialplan vorgesehenen Zahlung der Abfindungsberechtigte dafür entschädigt werden sollte, wenn er infolge seines Ausscheidens im Jahre des Ausscheidens einen tarifrechtlichen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung weder bei dem bisherigen noch bei dem neuen Arbeitgeber erwerben kann. Die Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung aufgrund des Sozialplans ist daher ihrem Wesen nach eine einmalige Entschädigung für entgehendes Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis, nicht aber nach Maßgabe des Lohn- und Gehaltsanspruchs verdientes Arbeitsentgelt. Es liegt auf der Hand, daß einmalige Entschädigungen für entgehendes Arbeitsentgelt, werden sie bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt zugeschlagen, den Durchschnitt verfälschen. Die 695,20 DM müssen daher – ebenso wie Lohnnachzahlungen, die schon früher hätten erfolgen müssen, und Vorauszahlungen (vgl. Urteil des Senats vom 10. Dezember 1981 – 7 RAr 6/81 –) – außer Betracht bleiben.

Auch aus anderen Gründen erweist sich die Verurteilung der Beklagten, das Uhg nach einem höheren Bemessungentgelt zu gewähren, nicht als zutreffend. Ebenso wie die 695,20 DM sind die dem Kläger ausgezahlten Beträge von 4.345,– DM (= 2,5 Monatsgehälter) und 156,– DM (entgehende Vermögensbildung) aus den gleichen Gründen einmalige Zuwendungen. Wie das LSG ferner zutreffend erkannt hat, ist das Urlaubsgeld nicht zu berücksichtigen. Anders als § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG in der hier nicht anwendbaren, seit dem 1. Januar 1981 geltenden, inzwischen mit Wirkung vom 1. Januar 1982 durch Art. 1 § 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) wieder geänderten Fassung des Art. II § 2 Nr. 10, des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) nach der unabhängig von der tatsächlich erfolgten Zahlung mindestens jährlich wiederkehrende Zuwendungen bestimmter Art. anteilig zu berücksichtigen sind, setzt § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der hier maßgebenden Fassung voraus, daß das der Bemessung zugrundezulegende Arbeitsentgelt, dh sowohl der „reguläre” Lohn als auch Sonderleistungen wie Urlaubsgeld, im maßgeblichen Bemessungszeitraum erzielt ist. Erzielt ist nach der Rechtsprechung des Senats nur solches Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer zufließt, so daß er darüber verfügen kann (vgl. Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 57/77 – DBl BA R AFG § 112 Nr. 2381a = USK 78 203; SozR 4100 § 112 Nr. 11; Urteil vom 7. August 1979 – 7 RAr 17/78 – USK 79 159; Urteil vom 14. August 1980 – 7 RAr 103/79 –; vgl. ferner SozR 4100 § 44 Nr. 10); die in den Urteilen vom 11. Februar 1976 – 7 RAr 71/74 und 7 RAr 72/74 – DBl BA R AFG § 112 Nr. 2008a = USK 7668 gebilligte Praxis, Teile des Jahresarbeitsentgelts wie Urlaubs- und Weihnachtsgelder, auch wenn sie nicht im Bemessungszeitraum zufließen, als anteilig im Bemessungszeitraum erzielt zu berücksichtigen, hat der Senat damit aufgegeben. Das Erfordernis des Zufließens im Bemessungszeitraum, an dem grundsätzlich festzuhalten ist (vgl. Urteil des Senats vom 10. Dezember 1981 – 7 RAr 6/81 –), ist hinsichtlich des Urlaubsgeldes nicht erfüllt; die 667,39 DM sind dem Kläger nicht im Juni 1976, sondern schon vorher zugeflossen.

Da für die Bemessung des Alg nach § 112 Abs. 5 Nr. 4b AFG das Arbeitsentgelt maßgebend ist, nach dem das Uhg zuletzt bemessen worden ist, ist auch die Bemessung des Alg nicht zu beanstanden.

Auf die Revision der Beklagten ist daher das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, und auch insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI924032

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