Rn 6

Nach dem Wortlaut des § 63 wird zwar nicht ausdrücklich, aber doch mittelbar durch Anknüpfung an den Begriff des Regelsatzes auch der Grundsatz der Gewährung einer Staffelvergütung festgeschrieben. Eine solche Staffelvergütung war bereits in der früheren Vergütungsverordnung für Konkursverwalter aus dem Jahre 1960 vorgesehen. Zwar wurden in den Vorberatungen im Rahmen der Insolvenzrechtsreform andere Systeme und Regelungsmöglichkeiten erörtert, jedoch beließ man es dann bei der in der Praxis gewohnten Staffelvergütung. Allerdings stellte die formelle "Regelvergütung" der VergVO aus dem Jahre 1960 zum Zeitpunkt der Insolvenzrechtsreform Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts schon lange nicht mehr die tatsächliche Vergütung eines Normalfalls dar. Als tatsächliche Regelvergütung oder besser Normalvergütung hatte sich bis dahin im Anwendungsbereich der Konkursordnung ein vierfacher Regelsatz des § 3 VergVO und im Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung (wegen Tabellenführung) sogar ein fünffacher Regelsatz aus der genannten Vorschrift für den Normalfall eingebürgert[22]. Insofern erscheint es realitätsfremd, wenn es in der Begründung zum Entwurf der InsVV heißt, dass die Regelvergütung angehoben worden sei. Vielmehr weichen die Wertgrenzen und die Höhe der Vom-Hundert-Sätze in der Verordnung bei Teilungsmassen bis 500 000 EUR erheblich von der bisher geltenden Verordnung zuungunsten des Verwalters ab. Daraus ergibt sich eine Tarifverschlechterung gegenüber dem bisherigen Recht, die im unteren Bereich etwa bei 15 %liegt und bei Insolvenzmassen von 500 000 EUR zu einer Minderung des Vergütungsanspruchs bis zu 8,6 % führt.[23] Demgegenüber kommt es mit den neuen Staffelsätzen bei hohen Teilungsmassen sogar zu einer Vergütungserhöhung von knapp 7 %, die nach der allgemeinen Begründung zum Entwurf der InsVV gerade vermieden werden sollte. Der Verordnungsgesetzgeber konnte sich aber nicht entschließen, die schon seit 1989 unverändert geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben[24] bis zum Erlass der InsVV vollständig zu berücksichtigen, so dass die Verordnung bereits bei Inkrafttreten hinter dem zu diesem Zeitpunkt bereits in der Praxis anerkannten Vergütungsniveau eines Normalfalles zurückblieb. Um dieses Regelniveau wenigstens wieder zu erreichen, musste also von Anfang an auch in Normalfällen bei Ermittlung einer Vergütung nach InsVV mit zwangsläufigen Zuschlägen gearbeitet werden.[25] Darüber hinaus ergab sich durch die Umstellung von DM auf Euro eine weitere, wenn auch nur geringfügige Verschlechterung der Vergütung, da die bisherigen DM-Wertgrenzen der einzelnen Berechnungsstufen nicht nach dem amtlichen Umrechnungskurs, sondern im Verhältnis 1:2 umgerechnet wurden. Eine erste zuvor prognostizierte einschneidende gerichtliche Korrektur der InsVV erfolgte durch die Entscheidung des BGH vom 15.1.2004,[26] mit der die Regelungen der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters und Treuhänders ab 1.1.2004 als verfassungswidrig erklärt wurden und der Verordnungsgeber zu einer Anpassung der Verordnung aufgefordert wurde, die dann mit der Verordnung vom 4.10.2004[27] erfolgt ist.

 

Rn 7

Obwohl also die Regelvergütungssätze der InsVV bereits bei ihrem Inkrafttreten auf dem zehn Jahre älteren Lohnniveau des Jahres 1989 beruhten,[28] sind diese Regelsätze in der Folgezeit bis heute nicht erhöht worden. Allein in der Zeit seit Inkrafttreten der InsVV bis in das Jahr 2013 war eine kumulierte Inflation von über 20 % zu verzeichnen. Parallel dazu haben sich die Aufgaben des Verwalters und Belastungen im Verfahren ständig erweitert. Erwähnt werden darf beispielhaft nur die intensive Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Umsatzsteuer, das Insolvenzstatistikgesetz, eine fortschreitende Ausweitung der sog. Regelaufgaben durch die Rechtsprechung, Tabellenführung nach dem Berichtstermin, etc. Gleichzeitig stiegen die beruflichen Anforderungen in erheblichem Umfang. Professionelle Verwalter betreiben mittlerweile intensive und regelmäßig unabhängig zertifizierte Qualitätssicherung im Interesse der Verfahrensbeteiligten, durch die ebenfalls in erheblichen Umfang Personal- und Sachkosten entstehen, die auch noch aus den bisherigen Vergütungen abgedeckt werden müssen. Die Situation stellt sich also derzeit ähnlich dar, wie zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur insolvenzrechtlichen Vergütung.[29] Auch dort wurde bestätigt, dass dem Verwalter, der im öffentlichen Interesse im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Anspruch genommen wird, ein verfassungsrechtlich aus Art. 12 GG abgeleiteter Anspruch auf eine angemessene Vergütung zusteht, die auch eine Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten auffangen muss. Daran ändert auch der Gesichtspunkt nichts, dass inflationsbedingt auch die nominalen Berechnungsgrundlagen höher werden, denn durch das System der prozentualen Staffelsätze bei gleichzeitiger Degression wirkt sich eine entsprechende Erhöhung der Berechnungsgrundlagen nicht annäher...

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