Rn 11

Voraussetzung für die Zulassung des Eröffnungsantrags und damit den Zugang zum gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren (2. Stufe) ist, dass der Schuldner zuvor ernsthaft versucht hat, mit seinen Gläubigern eine außergerichtliche Regulierung seiner Verbindlichkeiten auf der Grundlage eines "außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans" herbeizuführen. Zum Kreis der einzubeziehenden Gläubiger s.u. Rn. 21.

Das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren wird im Gesetz nur rudimentär geregelt. Es ist bei einem isolierten Gläubigerantrag nicht erforderlich. Nur wenn der Schuldner in Reaktion auf den Gläubigerantrag selbst einen Insolvenzantrag stellt, muss ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren angestrengt werden (§ 306 Abs. 3 Satz 3). In diesem Fall verlängert sich die Frist zur Nachbesserung nach Abs. 3 Satz 3 von einem auf drei Monate (Zur Fristberechnung s.u. Rn. 62 ff.). Der Gesetzgeber wollte damit einer möglichen Umgehung des obligatorischen außergerichtlichen Einigungsversuches durch die abgestimmte Antragstellung eines dem Schuldner "wohlgesonnenen" Gläubigers verhindern.[16]

 

Rn 12

Der Versuch der außergerichtlichen Schuldenbereinigung ist europarechtlich weder als "Insolvenzverfahren" gemäß Art. 2 Nr. 4 EuInsVO iVm Anhang A, noch als "Liquidationsverfahren" gemäß Art. 2 lit. c EuInsVO aF iVm Anhang B zu qualifizieren.[17]

 

Rn 13

In der Praxis führt der Versuch einer außergerichtlichen Einigung nur in seltenen Fällen zum Erfolg. Entweder kann der Schuldner überhaupt keinen relevanten Geldbetrag anbieten oder das Erfordernis einer ausdrücklichen Zustimmung aller Beteiligten verhindert die Annahme des Vergleichsvorschlags.[18] Gleichwohl bietet die außergerichtliche Schuldenbereinigung unbestreitbare Vorzüge. Aufgrund der Privilegierung des Justizfiskus ist in massearmen Verfahren zu erwarten, dass keine Masse zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger kommt. Der Schuldner muss auch im Falle einer Verfahrenskostenstundung mit einer Nachhaftung nach § 4 b rechnen.[19] Allerdings sieht sich der Schuldner im Schuldenbereinigungsverfahren einer größeren Unsicherheit ausgesetzt, als bei einer Restschuldbefreiung im regulären Verfahren. Bei letzterem erlöschen grundsätzlich auch die Forderungen nicht in das Verfahren einbezogener (vergessener) Gläubiger nach § 301. Diese bleiben beim Schuldenbereinigungsplanverfahren indes bestehen und können die Durchführung des Plans gefährden.

 

Rn 14

Einer Erhebung des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2017 zufolge, die auf einer freiwilligen Datenerhebung bei Schuldnerberatungsstellen beruht, wurden immerhin 20,1 % der Beratungsverfahren mit einer außergerichtlichen Schuldenregulierung abgeschlossen. Dabei sind aber auch Schuldner einbezogen, für die das Regelinsolvenzverfahren Anwendung findet, und an der Repräsentativität der Daten bestehen Zweifel.[20]

[16] RegE des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze, BT-Drucks. 14/ 5680 S. 28. Kritisch: Pape/Pape, ZIP 2000, 1553, 1557.
[17] Vgl. Braun-Tashiro, Art. 2 EuInsVO (2017) Rn. 11; Martini, ZInsO 2002, 905, 908.
[18] Ebenso: HK-Waltenberger, § 305 Rn. 7 (mit statistischen Zahlen zum Land Rheinland-Pfalz).
[19] Ausführlich: Uhlenbruck-Sternal, § 305 Rn. 10 m. w. N.; vgl. auch FK-Grote/Lackmann, § 305 Rn. 43.
[20] Statistisches Bundesamt, Statistik zur Überschuldung privater Personen 2017 vom 27. Juni 2018; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Überschuldung von Privatpersonen (31.10.2018), Az. WD 7-3000 -218/18, S. 29.

3.1 Durchführung des Einigungsversuchs

 

Rn 15

Der Zeitpunkt der Durchführung des außergerichtlichen Bereinigungsversuchs kann vom Schuldner frei gewählt werden. Er ist unabhängig vom Vorliegen der Insolvenzeröffnungsgründe. Damit wird dem Schuldner auch ein Raum für taktische Erwägungen geöffnet. Er kann beispielsweise die Verjährung von Forderungen abwarten.[21] Während der Durchführung des Einigungsversuchs gewährt das Gesetz keinen Vollstreckungsschutz.[22] Die Anordnung der Aussetzung der Zwangsvollstreckung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 kommt zwar auch im Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht (siehe die Kommentierung bei § 304 Rn. 70), sie setzt aber einen Insolvenzantrag voraus.

 

Rn 16

Der Schuldner kann den Versuch der außergerichtlichen Schuldenbereinigung autonom durchführen. Er ist nicht auf die Unterstützung eines Schuldnerberaters oder einer sonstigen geeigneten Person oder Stelle angewiesen.[23] Diese benötigt er allerdings zur Verfahrenseinleitung, da er eine Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuchs bei Gericht vorlegen muss (s.u. Rn. 44). Die Bescheinigung setzt wiederum voraus, dass die geeignete Person oder Stelle geprüft hat, ob der Schuldenbereinigungsversuch des Schuldners tauglich war.[24] Hat der Schuldner den Schuldenbereinigungsversuch ohne Hilfe der geeigneten Person oder Stelle durchgeführt, muss er diesen mithin hinreichend dokumentieren, um der geeigneten Person oder Stelle im Nachgang eine persönliche Beratung und Prüfung der Ernsthaftigkeit des Versuchs z...

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