Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbprätentendenstreit. Anordnung der Nachlasspflegschaft. Schutz des Erben. Alleinerbenstellung. Nachlassinsolvenzverfahren. Verspäteter Insolvenzantrag durch Nachlasspfleger ohne Folgen für den Erben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Annahme der Erbschaft ist der Erbe trotz eines schwebenden Erbprätendentenstreits und deswegen angeordneter Nachlasspflegschaft aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, Insolvenzantrag zu stellen.

2. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB ist dem Erben die schuldhaft verspätete Stellung des Insolvenzantrages durch den Nachlasspfleger nicht gem. §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen.

3. Das Antragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO hat der Nachlasspfleger ausschließlich im Interesse des Erben zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, nicht aber auch im Interesse der Nachlassgläubiger wahrzunehmen.

 

Normenkette

BGB § 166 Abs. 1, §§ 278, 1960, 1980 Abs. 1 Sätze 1-2; InsO § 317 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 30.07.2003; Aktenzeichen 20 U 5188/02)

LG Landshut (Urteil vom 18.10.2002)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG München v. 30.7.2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil der 2. Zivilkammer des LG Landshut v. 18.10.2002 wird auch insoweit zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am 1.9.1999 verstorbenen Erblassers. Er macht Schadensersatzansprüche gem. § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB geltend gegen dessen zur Alleinerbin eingesetzte Lebensgefährtin wegen verspäteter Stellung des Insolvenzantrages.

Am 29.9.1999 nahm die Beklagte ausweislich der Niederschrift des Nachlassgerichts in den beigezogenen Nachlassakten "nach Hinweis auf die Schuldenhaftung ..." die Erbschaft an und beantragte die Erteilung eines Erbscheins. Die beiden Kinder des Erblassers fochten das Testament an und beantragten ihrerseits, ihnen als gesetzliche Erben einen entsprechenden Erbschein zu erteilen. Daraufhin ordnete das Nachlassgericht durch Beschluss v. 8.12.1999 Nachlasspflegschaft "für die unbekannten Erben" an und bestellte den Streithelfer zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Der Erbprätendentenstreit wurde durch Beschluss des BayObLG v. 24.7.2001 zu Gunsten der Beklagten entschieden. Am 14.1.2002 erhielt sie einen Erbschein. Die Pflegschaft wurde am 16.1.2002 aufgehoben.

Bereits Ende März 2000 konnten fällige Zahlungen aus dem Nachlass nicht mehr erbracht werden. Am 28.3.2001 stellte der Streithelfer Insolvenzantrag. Durch Beschluss v. 6.6.2001 wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Bis Ende 2001 konnte er den Beteiligten nicht bekanntes Auslandsvermögen des Erblassers von 650.000 DM sicherstellen. Er behauptet, bei rechtzeitiger Antragstellung hätte ein werthaltigerer Nachlass der Insolvenz zugeführt und damit eine höhere Quote der Nachlassgläubiger erreicht werden können; außerdem wären geringere Kosten für die Nachlasspflegschaft entstanden. Die sich daraus ergebende genaue Schadenshöhe stehe aber noch nicht fest.

Das LG hat seine Klage, mit der er u.a. eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt wissen will, insgesamt abgewiesen. Die Berufung hatte bezüglich des Feststellungsbegehrens Erfolg. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des LG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB besteht nicht.

I. In der Revisionsinstanz sind die Aktivlegitimation des Klägers, die Alleinerbenstellung der Beklagten und der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses Ende März 2000 nicht mehr im Streit. Nicht angegriffen ist ferner, dass der Streithelfer den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt fahrlässig nicht erkannt hat - nur mit Blick auf die angebliche Überschuldung wendet er sich dagegen, schuldhaft gehandelt zu haben - und dass die Beklagte kein eigenes Verschulden daran trifft, selbst keinen Insolvenzantrag gestellt zu haben.

Die Beteiligten streiten u.a. weiterhin darüber, ob die Beklagte vor der Entscheidung des BayObLG im Erbscheinsverfahren bzw. vor der Erbscheinserteilung gem. § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet war, einen Insolvenzantrag zu stellen, und ob ihr in diesem Fall das Vorgehen des Nachlasspflegers zuzurechnen ist.

Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Nach dem Erbscheinsantrag habe die Beklagte persönlich ohne Einschränkung der Antragspflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB unterlegen, rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Dabei müsse sie sich die Kenntnis und das Verschulden des Nachlasspflegers im Zusammenhang mit der erst etwa ein Jahr nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfolgten, mithin verspäteten Insolvenzantragstellung zurechnen lassen.

Die Zurechnung des Wissens des Nachlasspflegers als dem gesetzlichen Vertreter des Definitiverben beruhe auf § 166 BGB, der jedenfalls analog anzuwenden sei. § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB begründe zudem ein Sonderrechtsverhältnis, innerhalb dessen § 278 BGB zur Anwendung komme. Darüber würde zwar auf "quasi indirektem Weg auch eine Pflicht des Nachlasspflegers zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrages hergestellt", die ihn eigentlich nur dem Erben, nicht aber dem Nachlassgläubiger ggü. treffen könne. Das entspreche jedoch der Systematik des Gesetzes und der Intention des Gesetzgebers. Dementsprechend habe der Erbe dafür einzustehen, dass der Streithelfer die Zahlungsunfähigkeit zumindest grob fahrlässig nicht erkannt habe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar war die Beklagte verpflichtet, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen (1). Eine Schadensersatzverpflichtung lässt sich aus der Verletzung dieser Pflicht ohne eigenes Verschulden indes nicht ableiten, weil ihr die schuldhaft verspätete Antragstellung des Streithelfers nicht zuzurechnen ist (2).

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte trotz des Erbprätendentenstreits und der deswegen erfolgten Anordnung der Nachlasspflegschaft für verpflichtet gehalten, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag zu stellen. Von dieser Pflicht ist sie - entgegen den Auffassungen der Revision und des LG - nicht als nur "vorläufige Erbin" entbunden gewesen.

a) § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB legt die Verpflichtung, ab Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, dem "Erben" auf. Darunter ist - wie allgemein im Erbrecht - jeder endgültige Erbe zu verstehen (Siegmann in MünchKomm/InsO, § 317 Rz. 7). Vorläufig ist eine materiell-rechtlich begründete Erbenstellung, sei es aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder - wie hier - auf Grund testamentarischer Einsetzung, bis zur Annahme der Erbschaft gem. § 1943 BGB. Bis dahin steht noch nicht fest, dass der so Berufene auch endgültig Erbe wird. Während dieses Zeitraums braucht er sich um den Nachlass grundsätzlich nicht zu kümmern (allg. Meinung, vgl. nur Staudinger/Marotzke, BGB, 2002, § 1980 Rz. 15, m.w.N.). Es handelt sich um einen sog. "werdenden Erben", für den auch die Insolvenzantragspflicht nicht gelten kann, weil es einen Erben i.S.v. § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB (noch) nicht gibt (vgl. KG MDR 1975, 581 f.; Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 1980 Rz. 5; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1980 Rz. 5; Bamberger/Roth/Lohmann, BGB, § 1980 Rz. 5; dem hat auch die insolvenzrechtliche Literatur einhellig zugestimmt, vgl. nur Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 217 Rz. 2; Hess, InsO, § 317 Rz. 5).

b) Dieser Schwebezustand wird durch die Annahme der Erbschaft beendet, der "werdende Erbe" wird zum endgültigen (Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 1943 Rz. 1). Seine dadurch begründete Pflichtenstellung einschließlich der Insolvenzantragspflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB wird nicht dadurch wieder infrage gestellt, dass andere (Erbprätendenten) seine Erbenstellung in Zweifel ziehen. Der wirkliche Erbe wird dadurch nicht erneut zum "werdenden Erben" im vorgenannten Sinne. Das lässt sich - entgegen der Ansicht des Streithelfers - auch nicht aus § 1960 Abs. 2 BGB ableiten.

Unklarheiten über den endgültigen Erben i.S.v. § 1960 Abs. 1 BGB können zwar gem. § 1960 Abs. 2 BGB als Sicherungsmaßnahme u.a. auch eine Nachlasspflegschaft erfordern. Die Anordnung einer solchen Pflegschaft bildet aber kein die Endgültigkeit der Erbenstellung ausschließendes oder aufhebendes Hindernis. Die Bestellung eines Nachlasspflegers "für denjenigen, der Erbe wird", erfolgt gerade auch für den aus tatsächlichen Gründen noch unbekannten Erben, bei dem die Annahme naturgemäß noch ausstehen muss. Diesen Fall eines noch "werdenden Erben" hat ersichtlich auch der Streithelfer im Blick. Er trifft damit aber nicht die hier gegebene Situation, in der die durch Annahme endgültig begründete Erbenstellung des (wahren) Erben von dritter S. bezweifelt wird und der Streit darüber einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden muss. Wortlaut und Regelungsgehalt des § 1960 Abs. 2 BGB geben nichts dafür her, dass die Erbenstellung in diesen Fällen wieder nur als vorläufige zu behandeln sein sollte. Auch § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB erlaubt insb. wegen der damit sonst verbundenen Rechtsunsicherheit keine Unterscheidung danach, ob eine Erbenstellung unangefochten besteht oder ob der Erbe in einem Prätendentenstreit befangen ist. Es wäre nicht gerechtfertigt, ihn allein deswegen von seinen gesetzlichen Pflichten als Erben zu entbinden, weil die Wirksamkeit seiner Erbschaftsannahme, von der er selber ausgeht, in Zweifel gezogen wird und dadurch eine Nachlasspflegschaft erforderlich wird. Fehlen ihm dann die erforderlichen Kenntnisse, hat er für eine dadurch begründete Nichterfüllung seiner Pflichten nicht einzustehen. Hat er sie aber, gibt es keinen Grund, warum er seinen Pflichten - unter dem Druck sonst gegebener Ersatzpflichten - nicht nachzukommen hätte.

2. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht den Nachlasspfleger als gesetzlichen Vertreter des Erben angesehen. In dieser Eigenschaft und nicht etwa als Vertreter des Nachlasses bzw. treuhänderische Amtsperson hat er nach nahezu einhelliger richtiger Auffassung seiner Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, für den wirklichen Erben nachzukommen mit nach außen grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis (vgl. BGH v. 14.5.1985 - IX ZR 142/84, BGHZ 94, 312 [314] = MDR 1985, 842; BGHZ 49, 1 [5]; Urt. v. 21.12.1988 - VIII ZR 277/87, MDR 1989, 443 = JR 1990, 458, unter II 2; v. 6.10.1982 - IVa ZR 166/81, MDR 1983, 206 = NJW 1983, 226; v. 22.1.1981 - IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299, unter II; Beschl. v. 20.2.1968 - V BLw 34/67, RdL 1968, 98, unter II 1b; RGZ 151, 57 [62]; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1960 Rz. 25, 34; Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 1960 Rz. 19; Staudinger/Marotzke, BGB, 2000, § 1960 Rz. 23; Leipold in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1960 Rz. 29; a.A. Draschka, Rpfleger 1992, 281 [282 f.]).

Aus dieser Vertreterstellung des Nachlasspflegers allein lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch nicht ableiten, dass dem Erben seine Beteiligung bei der Frage, ob und ggf. wann Insolvenzantrag zu stellen ist, über §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zuzurechnen ist. Beide Zurechnungsnormen setzen voraus, dass der Dritte - Vertreter bzw. Gehilfe - im Pflichtenkreis des Schuldners ggü. seinem Gläubiger eingesetzt ist. Das ist hier indes nicht der Fall. Der Streithelfer hat nicht die der Beklagten den Nachlassgläubigern ggü. obliegende Aufgabe, rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen, wahrzunehmen und auch nicht wahrgenommen. Er ist insoweit auch nicht aus einer vom Erben abgeleiteten oder eigenen Pflichtenstellung den Nachlassgläubigern ggü. damit befasst gewesen. Danach scheidet eine Zurechnung aus.

a) Nach ganz herrschender und zutreffender Meinung ergibt sich aus der Aufgabenstellung des Nachlasspflegers, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, nicht, dass auch er aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB den Nachlassgläubigern ggü. verpflichtet ist; das ist allein der Erbe persönlich (vgl. KG MDR 1975, 581 f.; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1960 Rz. 34, § 1980 Rz. 9; Staudinger/Marotzke, BGB, 2002, § 1980 Rz. 20; Leipold in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1960 Rz. 50; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., § 49 IV 3; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 19; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 12. Aufl., § 317 Rz. 3, 7; Nerlich/Römermann/Riering, § 317 InsO Rz. 7; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., §§ 217-220 Anm. 24; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 217 KO Anm. 2; a.A. Draschka, Rpfleger 1992, 281 [282 f.]; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozesspflegschaft, S. 163). Nur für die Nachlassverwaltung als Sonderfall der Nachlasspflegschaft (vgl. §§ 1975 BGB, 317 Abs. 1 InsO, 780 Abs. 2 ZPO, 106 Abs. 1 S. 1 KostO) ordnet § 1985 Abs. 2 BGB eine entsprechende Anwendung des § 1980 BGB an, weil auch nur der Nachlassverwalter und nicht der allgemeine Nachlaßpfleger gem. § 1975 BGB verpflichtet ist, die Nachlassgläubiger zu befriedigen. Der Nachlasspfleger ist gem. § 2012 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Nachlassgläubigern Auskunft über den Nachlassbestand zu erteilen. Aus seiner Berechtigung gem. § 317 Abs. 1 InsO, die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen, kann er im Innenverhältnis zum Erben bei Meidung einer Schadensersatzpflicht dazu sogar verpflichtet sein, um eine Verkürzung des Nachlasses und damit einen Schaden des Erben abzuwenden (einhellige Ansicht, vgl. nur Leipold in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1060 Rz. 60; Siegmann in MünchKomm/InsO, § 317 Rz. 7; Staudinger/Marotzke, BGB, 2002, § 1980 Rz. 20; FK-InsO/Schallenberg/Rafiqpoor, § 317 Rz. 20; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozesspflegschaft, S. 162 f.). Eine Pflichtenstellung im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern wird darüber hingegen weder originär noch derivativ begründet.

b) Bei dieser gesetzlich festgelegten Aufgabenbeschreibung und -wahrnehmung des Nachlasspflegers fehlt es an der von beiden Vorschriften für eine Zurechnung vorausgesetzten Risikozuordnung auf Grund arbeitsteiligen Einsatzes Dritter für den Schuldner. Der Nachlasspfleger wird insoweit gerade nicht wie ein Vertreter für den Erben tätig und er nimmt auch nicht tatsächlich eine ähnliche Stellung wie ein Vertreter ein (vgl. BGH v. 25.3.1982 - VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293 [296] = MDR 1982, 661; BGHZ 55, 307 [311]). Er handelt auch nicht faktisch als Hilfsperson für den Erben im Zusammenhang mit der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit; seine Rechtsbeziehung zu dem Erben spielt - was ganz generell für das rechtliche Verhältnis zwischen Schuldner und Gehilfen gilt - diesbezüglich keine Rolle (vgl. BGHZ 62, 119 [124]). Lag aber die Erfüllung der Pflicht des Erben aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB nicht im Aufgabenbereich des Nachlasspflegers, der mithin gegenüber den Nachlassgläubigern auch nicht "pflegerisch" tätig zu werden hatte, kann die Nichterfüllung durch ihn dem Erben nicht schaden, die Grundsätze des § 278 BGB können dann nicht zum Tragen kommen (so schon RGZ 159, 337 [352] für den Testamentsvollstrecker). Tritt er insofern nicht im Rechtsverkehr ggü. den Nachlassgläubigern für den Erben auf, wenn er den Insolvenzantrag stellt oder ihn nicht stellt oder ihn herauszögert und verspätet stellt, ist es auch nicht möglich, sein entsprechendes Wissen und Verhalten dem Erben zuzurechnen.

c) Schutzwürdige Belange der Nachlassgläubiger werden dadurch nicht berührt.

Nachlassgläubiger können nicht darauf vertrauen, dass Nachlasspfleger ohne entsprechenden Auftrag in ihrem Interesse tätig werden, zumal eine sofortige Einleitung eines Insolvenzverfahrens etwa bei nur kurzfristiger Zahlungsunfähigkeit mit Blick auf die Gefahr einer ungünstigen Verwertung von Nachlassgegenständen zu diesem Zeitpunkt keineswegs stets auch den Vermögensinteressen des Erben entsprechen muss. Auf die Tätigkeit des Nachlasspflegers hat der Erbe ohnehin keine Einflussmöglichkeiten.

Aus der Sicht des Insolvenzgerichts kann sich dieser Erbe als bloßer Erbprätendent darstellen, der ein Antragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO nicht hat. Er dürfte deshalb auch kaum in der Lage sein, ein Insolvenzverfahren in Gang zu setzen, weil es nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts ist, die Erbenstellung zu klären (Singmann in MünchKomm/InsO, § 317 Rz. 2; vgl. auch OLG Düsseldorf v. 18.3.1998 - 3 Wx 14/98, OLGReport Düsseldorf 1998, 385 = ZIP 1998, 870 [871 f.]; LG Wuppertal v. 10.8.1999 - 6 T 630/99, ZIP 1999, 1536). Müsste sich der Erbe das Pflegerwissen und -verhalten indes zurechnen lassen, bedeutete dies tatsächlich eine Haftungsverschärfung. Ohne Pflegschaftsanordnung wäre ihm eine vom Insolvenzgericht akzeptierte Antragstellung nicht möglich und er wäre insoweit haftungsfrei. Die Nachlasspflegschaft wird aber gerade nicht zum Schutz von Vermögensinteressen Dritter eingerichtet, sondern sie soll allein die des Erben schützen.

Die Nachlassgläubiger können dagegen der Pflegschaftseinrichtung entnehmen, dass die Erfüllung der Antragspflicht aus § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB derzeit nicht unbedingt gewährleistet ist. Den damit verbundenen Gefahren können sie mit ihrem Auskunftsanspruch aus § 2012 Abs. 1 S. 2 BGB und ihrem eigenen Antragsrecht aus § 317 Abs. 1 InsO begegnen.

Für eine Ausweitung der Haftung des Erben über eine (entsprechende) Anwendung der §§ 166 Abs. 1 S. 1, 278 BGB besteht danach weder ein rechtliches noch ein praktisches Bedürfnis.

 

Fundstellen

BGHZ 2005, 281

NJW 2005, 756

BGHR 2005, 508

EBE/BGH 2005, 3

FamRZ 2005, 446

WM 2005, 237

ZAP 2005, 385

ZEV 2005, 109

ErbBstg 2005, 68

NZI 2005, 162

Rpfleger 2005, 194

ZInsO 2005, 375

ZErb 2005, 131

ZNotP 2005, 187

ZVI 2005, 21

ZVI 2006, 19

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