Leitsatz (amtlich)

Eine Klage aller Miterben auf Feststellung, daß ein vom Erblasser eingegangenes Pachtverhältnis fortbesteht, ist hinsichtlich eines Miterben unzulässig, dem gegenüber das Gegenteil bereits rechtskräftig festgestellt ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 62, 322; BGB § 2039

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 23.10.1987)

LG Oldenburg (Urteil vom 03.12.1986)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. Oktober 1987 – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. November 1987 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über das Fortbestehen des Vertrages vom 19. November 1962 und den Widerklageanspruch im Verhältnis des Beklagten zu Frau Brigitte K. entschieden hat.

In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 3. Dezember 1986 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten der Vorinstanzen tragen die Parteien je zur Hälfte. Von den Kosten des Revisionsrechtszuges tragen der Kläger 70 % und der Beklagte 30 %.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des am 16. Oktober 1984 verstorbenen Dr. Hubert Josef Bernhard K. (künftig: Erblasser). Dieser „pachtete” durch Vertrag vom 19. November 1962 zusammen mit der Firma Hubert K. GmbH & Co. KG von den Eigentümern des Anwesens B. Straße … in W. – den Rechtsvorgängern des Beklagten – ein Ladengeschäft in diesem Gebäude auf die Dauer von 25 Jahren. Nach Liquidation der Firma K. führte der Erblasser den Vertrag allein weiter. Mit Vertrag vom 21./26. April 1977 überließ er die Räume der Fa. V.-Drogerie-Discount GmbH & Co. KG als Untermieterin. Am 25. Juli 1977 übertrug er durch notariellen Vertrag seiner Ehefrau Brigitte K. schenkweise sein Nutzungsrecht an diesen Räumlichkeiten. Als am 10. November 1982 die Firma …-drogerie markt GmbH & Co. KG als Untermieterin in den Vertrag vom 21./26. April 1977 eintrat, wurde in der schriftlichen Vereinbarung hierzu Frau K. unter Hinweis auf die Schenkung vom 25. Juli 1977 als Vermieterin bezeichnet.

Nach seinem Tod am 16. Oktober 1984 hinterließ der Erblasser neben seiner Witwe, Frau K., und einer gemeinsamen Tochter weitere Abkömmlinge aus zwei früheren Ehen. Weil zwei von ihnen das hinterlassene Testament anfochten und die Erbfolge zunächst unklar blieb, wurde am 26. März 1985 der Kläger zum Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben bestellt.

Der Beklagte, der den Vertrag vom 19. November 1962 als Mietvertrag ansah, kündigte ihn mit Schreiben vom 23. Oktober 1984, das er an Frau K. richtete. Diese widersprach der Kündigung. Der Beklagte nahm sie daraufhin vor dem Amtsgericht Essen auf Feststellung der Beendigung des „Mietverhältnisses” in Anspruch. Das Amtsgericht wies die Klage am 11. September 1985 ab, weil die Kündigung nur gegenüber Frau K. und nicht gegenüber allen Erben erklärt worden sei. Der Beklagte ließ nunmehr mit Schreiben vom 26. September 1985 den Vertrag vom 19. November 1962 auch gegenüber dem Kläger kündigen und verfolgte sodann sein Feststellungsbegehren mit einer Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen weiter. In seinem rechtskräftigen Urteil vom 29. Januar 1986 stellte das Landgericht Essen fest, das Mietverhältnis zwischen dem Beklagten und Frau K. sei durch die Kündigung des Beklagten vom 26. September 1985 zum 31. Dezember 1985 beendet worden.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1985 hinaus fortbestehe. Er macht geltend, daß die Kündigung vom 23. Oktober 1984 unwirksam und diejenige vom 26. September 1985 verspätet gewesen sei. Da ein Pachtverhältnis bestanden habe, habe der Beklagte ohnedies kein Recht zur Kündigung gehabt. Der Beklagte hat mit der Widerklage die Zahlung von 27.000 DM nebst Zinsen als Nutzungsentschädigung (Überschuß des an den Kläger entrichteten Untermietzinses über den an den Beklagten bezahlten Pachtzins) für Januar und Februar 1986 verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 26.640,14 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. März 1986 stattgegeben. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Feststellungsklage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit seiner Revision, die nur insoweit angenommen wurde, als das Berufungsurteil das Verhältnis zwischen dem Beklagten und Frau K. betrifft, erstrebt der Beklagte im Umfang der Revisionsannahme die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Essen vom 29. Januar 1986 stehe einer erneuten Entscheidung über den Fortbestand des Vertrages vom 26. November 1962 nicht entgegen. Frau K. sei zwar in jedem Fall Mitglied der Erbengemeinschaft, als deren gesetzlicher Vertreter der Kläger den Rechtsstreit führe. Das Urteil des Landgerichts Essen binde aber nur die damaligen Prozeßparteien; seine Rechtskraft erstrecke sich nicht auf die Erbengemeinschaft. Da die Kündigung eines Vertrages über die Nutzung eines Grundstückes nur wirksam sei, wenn sie gegenüber allen Miterben erklärt werde, und da eine Klage auf Feststellung der Wirksamkeit einer solchen Kündigung gegen alle Miterben gerichtet werden müsse, könne die gegenüber nur einem Miterben getroffene gerichtliche Feststellung über die Wirksamkeit einer Kündigung keine Rechtswirkung für die Gemeinschaft haben. Anders sei die Rechtslage möglicherweise, wenn Frau K. Alleinerbin wäre. Dies sei jedoch auch bei testamentarischer Erbfolge nicht der Fall, weil dann die Tochter des Erblassers aus seiner ersten Ehe trotz der unklaren Formulierungen im Testament nicht Vermächtnisnehmerin, sondern Miterbin sei.

Die Erbengemeinschaft sei berechtigt, Rechte aus dem Vertrag vom 19. Dezember 1962 geltend zu machen. Der Erblasser habe zwar zu Lebzeiten das Nutzungsrecht an den Räumen auf seine Ehefrau übertragen; eine Vertragsübernahme habe hierdurch aber nicht stattgefunden. Der Beklagte habe den Vertrag nicht wirksam gekündigt. Dieser sei als Pachtvertrag einzuordnen. Ein Pachtvertrag gebe dem Verpächter aber kein Recht zur Kündigung beim Tod des Pächters (§§ 596 Abs. 2 a.F. bzw. 584 a n.F. BGB). Im übrigen sei die Kündigung vom 26. September 1985 auch nicht zu dem ersten Termin erfolgt, zu dem sie bei Annahme eines Mietvertrages allein zulässig gewesen wäre (§ 569 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da der Pachtvertrag fortbestehe, könne die ausschließlich auf eine Nutzungsentschädigung gerichtete Widerklage keinen Erfolg haben.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung in dem nach der Teil-Annahme verbliebenen Umfang nicht in allen Punkten stand.

II. Zur Klage

1. Die Klage ist – soweit vom Kläger für Frau K. erhoben – unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Auswirkungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Essen vom 29. Januar 1986 nicht zutreffend beurteilt. Das hat der Beklagte in der schriftlichen Revisionsbegründung zwar nicht gerügt. Eine anderweitig ergangene rechtskräftige Entscheidung über denselben Streitgegenstand ist aber auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (BGH, Urteil vom 16. März 1970 – VII ZR 125/68 = BGHZ 53, 332, 334; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 559 Rdn. 10).

2. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen nimmt das Berufungsgericht an, daß mit dem Ableben des Erblassers – unabhängig von der Frage testamentarischer oder gesetzlicher Erbfolge – eine Miterbengemeinschaft entstanden und daß Frau K. Miterbin geworden ist. Als Miterbin ist Frau K. Partei in dem vorliegenden Rechtsstreit, denn der Nachlaßpfleger führt einen Prozeß nicht als Partei kraft Amtes, sondern als Vertreter des oder der unbekannten Erben (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1967 – VII ZR 86/65 = BGHZ 49, 1, 4 ff; Urteil vom 25. September 1972 – II ZR 28/69 = LM BGB § 1914 Nr. 1 unter II). Zwischen Frau K. als Klägerin und dem Beklagten steht aber das Gegenteil des mit der Klage begehrten Rechtsfolgeausspruches fest. Das hindert grundsätzlich, wie auch das Berufungsgericht sieht, ohne weitere Sachprüfung eine erneute Entscheidung zwischen diesen Parteien (BGH, Urteile vom 27. Februar 1961 – III ZR 16/60 = BGHZ 34, 337, 339; vom 14. Februar 1962 – IV ZR 156/61 = BGHZ 36, 365, 367; vom 11. Dezember 1986 – IX ZR 165/85 = WM 1987, 367 unter 1 c). Der Umstand, daß nunmehr – im Gegensatz zum Vorprozeß – alle Miterben auf der Klägerseite vertreten sind, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

a) Die Miterbengemeinschaft ist eine Gemeinschaft zur gesamten Hand. Zwar ist zwischen dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaßvermögen und dem Eigenvermögen ihrer Mitglieder zu unterscheiden. Die Erbengemeinschaft ist aber keine eigene Rechtspersönlichkeit und als solche nicht parteifähig (für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urteil vom 26. März 1981 – VII ZR 160/80 = BGHZ 80, 222, 227). In einem Prozeß unter Beteiligung der vollständigen Gemeinschaft sind deshalb die einzelnen Miterben selbst Partei mit der Folge, daß sie als einzelne prozessualen oder materiell-rechtlichen Einwendungen ausgesetzt sein oder solche geltend machen können. Demgegenüber greift die Erwägung des Berufungsgerichts nicht durch, aus der Unwirksamkeit einer nur gegenüber einem Miterben erklärten Kündigung folge die Unwirksamkeit eines nur gegen einen Miterben ergangenen Urteils über die Folgen einer solchen Kündigung. Ebensowenig wie ein Urteil für oder gegen alle Miterben später eine erneute Entscheidung gegenüber einzelnen Miterben gestatten würde, kann ein bereits für oder gegen einen Miterben ergangenes Urteil im nachfolgenden Prozeß aller Gesamthänder unberücksichtigt bleiben. Das wird im vorliegenden Fall anhand des Rechtskraftkonfliktes deutlich, der sich ergäbe, wenn nicht auf das Rechtsverhältnis insgesamt, sondern auf dadurch begründete einzelne Rechte abgestellt wird. Würde die Entscheidung des Berufungsgerichts in vollem Umfang rechtskräftig, bliebe unklar, ob der Beklagte, gestützt auf dieses Urteil, Frau K. als Gesamtschuldnerin (§ 2058 BGB) auf Zahlung von Pachtzins in Anspruch nehmen könnte, obwohl ihr gegenüber aufgrund des Urteils des Landgerichts Essen die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31. Dezember 1985 rechtskräftig feststeht.

b) Das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Essen ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil die vom Kläger vertretenen Miterben für den geltend gemachten Feststellungsanspruch möglicherweise notwendige Streitgenossen sind (§ 62 Abs. 1, 2. Alternative ZPO), so daß an sich nur eine einheitliche Entscheidung ergehen dürfte. Ob hier eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt (vgl. dazu Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 50 III 1 a (beta); Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 62 Rdn. 21, 23, 30), ist im Hinblick auf § 2039 Satz 1 BGB zweifelhaft und könnte nicht allein daraus hergeleitet werden, daß aus Gründen der Logik eine einheitliche Entscheidung notwendig oder – wegen der aus widersprechenden Entscheidungen folgenden Schwierigkeiten – wünschenswert wäre (BGH, Urteil vom 15. Juni 1959 – II ZR 44/58 = BGHZ 30, 195, 200). Diese Frage bedarf jedoch keiner Entscheidung. Wäre sie zu bejahen, wäre gleichwohl die Rechtskraft eines gegen einen der Streitgenossen ergangenen – auch unrichtigen – Urteils zu beachten. Für den Fall eines gegen einen notwendigen Streitgenossen ergangenen Teil-Versäumnisurteils hat das Reichsgericht entschieden, ein derartiges Urteil sei trotz des Verstoßes gegen § 62 Abs. 2 ZPO nicht nichtig, sondern im Fall seiner Rechtskraft voll wirksam (RGZ 132, 349, 352; Rosenberg/Schwab aaO § 50 IV 3 b a.E.; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 62 Anm. 4 C). Vermag aber nicht einmal der gemeinsame Prozeß notwendiger Streitgenossen die Wirksamkeit einer verfahrensrechtlich unzulässigen Einzelentscheidung zu hindern, muß auch ein zeitlich früheres und rechtskräftiges Urteil Vorrang vor dem Grundsatz haben, daß die Entscheidung gegenüber notwendigen Streitgenossen einheitlich zu sein hat.

c) Aus demselben Grund kann das Urteil des Landgerichts Essen auch nicht, wie das Berufungsgericht offenbar meint, deswegen unberücksichtigt bleiben, weil schon das Gericht des Vorprozesses rechtsfehlerhaft die nur gemeinschaftliche Passivlegitimation der Miterben und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage gegen nur einen von mehreren notwendigen Streitgenossen (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1974 – VIII ZR 186/73 = WM 1975, 77) verkannt haben könnte. Ob für Miterben auf der Beklagtenseite notwendige Streitgenossenschaft anzunehmen ist, kann ebenfalls dahinstehen (für Feststellungsklagen gegen Miterben ablehnend RG Warn.Rspr. 1908 Nr. 487; bejahend – bei Feststellung eines Rechtsverhältnisses – Rosenberg/Schwab aaO § 50 III 1 b (beta)). Das möglicherweise unrichtige, aber rechtskräftige Urteil, das im Einzelprozeß gegen einen Miterben ergangen ist, kann keine geringere Wirkung haben, als ein inhaltlich gleiches Urteil – wie ausgeführt – hätte, wenn es in einem Prozeß gegen alle Miterben ergangen wäre.

III. Zur Widerklage

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Essen steht für den Beklagten im Verhältnis zu Frau K. fest, daß der Vertrag vom 19. Dezember 1962 zum 31. Dezember 1985 beendet worden ist. In diesem Umfang kann die nach Stattgabe der Klage folgerichtige Abweisung der Widerklage durch das Berufungsgericht keinen Bestand haben. Diese Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Einer Aufhebung und Zurückverweisung bedarf es nicht, weil der Sachverhalt zur Widerklage zwischen den Parteien unstreitig und weiterer entscheidungserheblicher Sachvortrag nicht zu erwarten ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

1. Die vom Beklagten geforderte Nutzungsentschädigung ist eine Nachlaßverbindlichkeit, so daß sie gegen den Kläger, dessen Vertretungsmacht sich nur auf die Nachlaßbeteiligung von Frau K. bezieht, geltend gemacht werden kann.

a) Inwieweit und mit welcher zeitlichen Begrenzung Forderungen gegen Erben aus zunächst fortgesetzten Dauerschuldverhältnissen Nachlaßverbindlichkeiten, Eigenschulden der Erben oder beides (sogenannte Nachlaßerbenschulden) sind (Kipp/Coing, Erbrecht, 11. Bearb. § 93 III, S. 405; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl., § 1967 Rdn. 29; Staudinger/Marotzke, BGB, 12. Aufl., § 1967 Rdn. 24; MünchKomm/Siegmann § 1967, Rdn. 30), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Für Ansprüche auf Nutzungsentschädigung, die ihren Grund in einer Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses aus Anlaß des Todes des Pächters haben – davon ist hier im Verhältnis des Beklagten zu Frau K. auszugehen – und die bei Unklarheit über den Kreis der beteiligten Erben gegen den noch ungeteilten und von einem Pfleger verwalteten Nachlaß geltend gemacht werden, haftet jedenfalls der Nachlaß.

b) Die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag vom 19. November 1962 sind in den Nachlaß gefallen. Die Revision greift zwar – in anderem Zusammenhang – die nicht näher begründete Auffassung des Berufungsgerichts an, die schenkweise Übertragung der Nutzungsrechte durch den Erblasser am 25. Juli 1977 habe nicht zu einer Vertragsübernahme durch Frau Kogge geführt. Abgesehen davon jedoch, daß eine Schenkung schon gegen eine Belastung von Frau K. auch mit den Pflichten aus dem Nutzungsverhältnis spricht, hätte eine vollständige Vertragsübernahme der Zustimmung des Vermieters/Verpächters bedurft (Senatsurteil vom 12. April 1967 – VIII ZR 122/66 = WM 1967, 796 unter I; BGH, Urteil vom 7. November 1962 – V ZR 120/60 = WM 1963, 217 unter I 3). Eine Genehmigung des Beklagten könnte zwar darin liegen, daß er sich auf die Vertragsübernahme im vorliegenden Rechtsstreit berufen und daraus für sich günstige Rechtsfolgen (Wirksamkeit der nur gegenüber Frau Kogge erklärten Kündigung) abgeleitet hat. Dem steht aber entgegen, daß er die Widerklage gegen die vom Kläger vertretenen Miterben insgesamt gerichtet hat und damit von einer Nachlaßverbindlichkeit ausgegangen ist. Sieht man in der Schenkung, wie die Revision hilfsweise annimmt, eine Abtretung nur der Rechte des Erblassers, so ändert sich an der Haftung des Nachlasses für dessen Verpflichtungen – dazu gehört ebenso wie die Rückgabe des Objekts eine aus der Nichterfüllung dieser Pflicht abgeleitete Nutzungsentschädigung – nichts.

2. Infolge der im Verhältnis zwischen dem Beklagten und Frau K. feststehenden Beendigung des Vertrages vom 19. November 1962 – den das Berufungsgericht aufgrund einer auf tatrichterlichem Gebiet liegenden, vertretbaren und von der Revision nicht ausdrücklich angegriffenen Würdigung als Pachtvertrag eingestuft hat – war Frau K. ab 1. Januar 1986 zur Räumung verpflichtet (§§ 581 Abs. 2, 556 Abs. 1 BGB). Gleichwohl liegen die Voraussetzungen für einen auf Verzug mit der Rückgabepflicht beruhenden Schadensersatzanspruch (§§ 597 BGB a.F., 286 BGB) nicht vor. Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich nicht, daß er im Fall der Rückgabe – sei es durch Eigennutzung, sei es durch erneute Vermietung oder Verpachtung – einen Gewinn in Höhe der Widerklageforderung erzielt hätte. Der Beklagte stützt seinen Anspruch nur darauf, daß der Nachlaß einen Betrag in dieser Höhe vereinnahmt habe.

3. Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung steht dem Beklagten aber aus ungerechtfertigter Bereicherung zu (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB). Frau K. hat das Pachtobjekt über den 31. Dezember 1985 hinaus als Miterbin durch die fortbestehende und auf dem Nutzungsrecht des Erblassers beruhende Untervermietung weiter genutzt. Für diese Nutzung bestand im Verhältnis zum Beklagten kein Rechtsgrund mehr, ohne daß es auf die Weitergeltung des Pachtvertrages gegenüber den übrigen Miterben ankäme.

a) Ansprüche aus § 812 BGB nach beendetem Pachtverhältnis waren durch den bis 30. Juni 1986 geltenden § 597 BGB a.F. (jetzt § 584 b BGB) nicht ausgeschlossen. Das hat der Senat sowohl für die übereinstimmende Rechtslage bei Mietverträgen (Urteil vom 10. November 1965 – VIII ZR 12/64 = BGHZ 44, 241; Urteil vom 23. Januar 1974 – VIII ZR 219/72 = WM 1974, 260 unter I 2) als auch für § 597 BGB a.F. entschieden (Urteil vom 28. Juni 1967 – VIII ZR 59/65 = LM BGB § 597 a.F. Nr. 2 unter 3). Derartige Bereicherungsansprüche werden auch nicht durch die §§ 987 ff BGB verdrängt (Senatsurteil vom 28. Juni 1967 aaO unter 3 a).

b) Die nach Bereicherungsgrundsätzen geschuldete Nutzungsentschädigung ist anhand des objektiven Miet- oder Pachtwertes zu ermitteln (Senatsurteile vom 19. Januar 1966 – VIII ZR 1/64 = WM 1966, 479 unter III 2 a; vom 23. Januar 1974 aaO unter I 2). Zu diesem fehlt es zwar sowohl an Parteivortrag als auch an Feststellungen des Berufungsgerichts. Im Fall einer Untervermietung bzw. -verpachtung liegt aber die Annahme nahe, daß in der Regel – wenn die Höhe des Untermietzinses nicht auf der besonderen Geschäftstüchtigkeit des Untervermieters beruht – der Untermietzins dem objektiven Miet- oder Pachtwert der Räumlichkeiten entspricht (so für das Vertragsangebot eines Untermieters Senatsurteil vom 19. Januar 1966 aaO unter III 2 b; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 5. Aufl., Rdn. 306). Entsprechend hat auch das Landgericht, das der Widerklage stattgegeben hat, mit der Begründung, der Kläger schulde eine am „objektiven Mietwert orientierte Nutzungsentschädigung”, als deren Betrag ohne weiteres die Einnahme aus der Untervermietung zugrunde gelegt. Gegen diese Ausführungen zur Höhe hat der Kläger im Berufungsrechtszug nichts erinnert.

Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß auch im vorliegenden Fall der Untermietzins dem objektiven Pachtwert entsprach. Unstreitig betrug der Untermietzins für Januar und Februar 1986 insgesamt 33.960,14 DM und hat der Beklagte einen Betrag in Höhe des Pachtzinses für diesen Zeitraum (7.320,– DM) bereits erhalten. Danach schuldet Frau Kogge den Differenzbetrag in Höhe von 26.640,14 DM.

4. Für diesen Betrag stehen dem Beklagten auch die geforderten Zinsen zu. Die Fälligkeit eines auf die §§ 812 ff BGB gestützten Anspruchs auf Nutzungsentschädigung richtet sich nach den Vereinbarungen zur Fälligkeit des Miet- oder Pachtzinses (Senatsurteil vom 23. Januar 1974 aaO unter III 3), der hier aufgrund von § 2 des Pachtvertrages monatlich zu zahlen war und damit für den streitigen Zeitraum jedenfalls am 3. März 1986 fällig gewesen wäre (§§ 581 Abs. 2, 551 BGB). Danach befand sich Frau K. hinsichtlich der Nutzungsentschädigung ohne Mahnung in Verzug (§ 284 Abs. 2 BGB) und schuldet Zinsen in gesetzlicher Höhe (§ 288 Abs. 1 Satz 1 BGB).

IV. Sonach war das Berufungsurteil, soweit es Frau K. betrifft, aufzuheben und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat die Beteiligung von Frau K. am Rechtsstreit mit 50 % bemessen. Das entspricht der geringstmöglichen Erbquote für Frau K., wenn von gesetzlicher Erbfolge und gesetzlichem Güterstand – Abweichendes ist nicht vorgetragen – ausgegangen wird (§§ 1931 Abs. 1 und 3, 1371 Abs. 1 BGB) und führt zu einer Kostenteilung in den Vorinstanzen. Für den Revisionsrechtszug war zu berücksichtigen, daß seit der Teil-Annahme der Revision nur noch Ansprüche von und gegen Frau K. im Streit waren. Die seit der Teil-Annahme entstandenen Kosten fallen deshalb allein dem Kläger zur Last.

 

Unterschriften

Braxmaier, Wolf, Treier, Dr. Brunotte, Dr. Paulusch

 

Fundstellen

Haufe-Index 946094

NJW 1989, 2133

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