Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungs- und Ergänzungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO gelten als Erbanfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Abfindungs- und Ergänzungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO, die auf Zahlung eines Geldbetrages gegen den Hoferben gerichtet sind, haben den Charakter eines gesetzlichen Vermächtnisses und gelten als Erbanfälle i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959. Daß dabei als erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage ein höherer Wert besteuert wird als der Wert des Hofes selbst und daß der Hoferbe im Ergebnis nicht zur Erbschaftsteuer herangezogen wird, ist Folge der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe des § 23 Abs. 1 und 2 ErbStG.

2. Die Versteuerung der Ergänzungsansprüche bis zum Ablauf von 20 Jahren nach dem Erbfall ist mit dem GG vereinbar, weil der Ergänzungsanspruch eine aufschiebend bedingte Forderung darstellt und die Steuer erst mit dem Zeitpunkt des Bedingungseintritts entsteht.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 23; ErbStG 1974 § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; HöfeO §§ 12-13

 

Gründe

Am 3. November 1969 verstarb die Landwirtin A (Erblasserin). Ihr Nachlaß bestand aus einem Ehegattenhof im Sinne der Höfeordnung (in der bis zum Juli 1976 geltenden Fassung –HöfeO–). Hinsichtlich dieses Hofes war sie Vorerbin gemäß § 8 Abs. 1 HöfeO nach ihrem verstorbenen Ehemann. Als weitere Hoferben kamen die vier Kinder der beiden Schwestern ihre Ehemannes in Betracht. Zu diesen vier Geschwisterkindern gehört die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin).

Der Nachlaß der Erblasserin bestand ferner aus hoffreiem Vermögen im Werte von 213.826 DM. Dieses nahmen die Geschwisterkinder des Ehemannes der Erblasserin zu je 1/4 an sich. Bezüglich des Hofes vereinbarten sie am 1. November 1970 mit dem (wirtschaftsfähigen) Sohne eines von ihnen, daß dieser nach seiner Bestellung zum Hoferben den Hof verkaufen und daß der Kaufpreis nach Abzug von Unkosten zu je 1/5 auf die Vertragspartner verteilt werden solle. Der auf Vorschlag der Geschwisterkinder vom Landwirtschaftsgericht ernannte Hoferbe veräußerte einige Grundstücke. Aus diesen Verkäufen flossen der Klägerin 1/5 Anteil, nämlich 228.023 DM, zu.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) nahm einen steuerpflichtigen Erwerb von hoffreiem Vermögen in Höhe von 53.456 DM und von Abfindungs- bzw. Ergänzungsansprüchen gemäß §§ 12, 13 HöfeO in Höhe von 228.023 DM an. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Im Klageverfahren setzte das FA die Erbschaftsteuer durch geänderten Bescheid vom 19. Juni 1978, den die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, von 86.652 DM auf 74.700 DM herab. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen: Steuerberechnungsgrundlage sei nicht der Abfindungs- bzw. Ergänzungsanspruch, sondern der anteilige Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs (1/5 von 55.100). Die sog. weichenden Erben würden von Todes wegen zunächst unmittelbar und allein den entsprechenden Anteil am gesamten Hofvermögen erwerben. Erst nach dem Erbanfall an sämtliche Erben gehe der Hof aufgrund gesetzlicher Teilungsanordnung auf den Hoferben über. Im übrigen könne jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise und in Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ihr – der Klägerin – nur der anteilige Einheitswert des Hofes zugerechnet werden, weil sie aufgrund der Vereinbarungen mit dem Hoferben wirtschaftliche (Mit-)Eigentümerin geworden sei.

Das Finanzgericht (FG) hat unter Änderung des Steuerbescheides vom 19. Juni 1978 die Erbschaftsteuer auf 71.669 DM herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG aufzuheben und die Erbschaftsteuer auf 16.678 DM herabzusetzen. Zur Begründung führt sie aus: In Abweichung von den bisher vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen (Urteile vom 28. Juli 1976 II R 145/71, BFHE 120, 401, BStBl II 1977, 79; vom 23. März 1977 II R 35/71, BFHE 122, 537, BStBl II 1977, 730) sei vorliegend überhaupt kein ernsthafter Hoferbe vorhanden gewesen, so daß der Hof nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts an alle Geschwisterkinder gefallen wäre. Ferner verstoße es gegen das Gebot einer gleichmäßigen Besteuerung, wenn die Geschwisterkinder mit ihren Abfindungs- und Ergänzungsansprüchen, der Hoferbe im Ergebnis jedoch überhaupt nicht zur Erbschaftsteuer herangezogen würden. Schließlich sei die Versteuerung der Ergänzungsansprüche bis zum Ablauf von 20 Jahren nach dem Erbfall mit dem Stichtagsprinzip des Erbschaftsteuergesetzes nicht vereinbar. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO–).

1. Die Angriffe der Revision gegen die Berücksichtigung des Abfindungs- und Ergänzungsanspruchs als Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer sind ohne Erfolg. Wie der Senat im Urteil in BFHE 120, 401, BStBl II 1977, 79 ausgeführt hat, zählt der Abfindungsanspruch nach § 12 Abs. 1 bis 4 HöfeO zum „Erbanfall” im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz in der Fassung vom 1. April 1959 (ErbStG 1959). Denn er tritt für die weichenden Erben als Erwerb von Todes wegen „an Stelle ihres Erbteils” (§ 12 Abs. 1 HöfeO). Der Hof selbst fällt als Teil der Erbschaft kraft Gesetzes nur einem Erben (dem Hoferben) zu (§ 4 HöfeO). Die Abfindungs- und Ergänzungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO, die auf Zahlung eines Geldbetrages gegen den Hoferben gerichtet sind, haben den Charakter eines gesetzlichen Vermächtnisses. Da die weichenden Erben bezüglich des Hofes dinglich nicht in die Rechtsstellung des Erblassers nachrücken, kann eine Vereinbarung des Hoferben mit den übrigen Erben, wonach diese die tatsächliche Herrschaft über den Hof ausüben sollen, an der zivilrechtlichen Rechtsnachfolge nichts ändern. Dies gilt im Streitfall selbst dann, wenn der vom Landwirtschaftsgericht ernannte Hoferbe in Wahrheit nicht wirtschaftswillig war. Die Erben müssen sich insoweit an der gewählten rechtlichen Gestaltung festhalten lassen. Es zeigt sich im übrigen, daß die Erben den Hoffolgeanspruch des Hoferben der vierten Hoferbenfolge durchaus ernstgenommen haben, denn anderenfalls wäre es kaum verständlich, daß sie ihm im Vertrag vom 1. November 1970 einen gleichberechtigten Anteil am Erlös zugestanden haben.

Daß bei Heranziehung der Abfindungs- und Ergänzungsansprüche als erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage insgesamt ein höherer Wert besteuert wird als der Wert des Hofes selbst und daß der Hoferbe im Ergebnis nicht zur Erbschaftsteuer herangezogen wird, ist Folge der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe des § 23 Abs. 1 und 2 ErbStG. Besteuerungsgrundlage bildet jeweils nur der Vermögensanfall an den einzelnen Erwerber (§ 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Indem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) § 23 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG 1965) für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hat (Beschluß vom 10. Februar 1976 1 BvL 8/73, BVerfGE 41, 269, BStBl II 1976, 311), hat es im Ergebnis zumindest dem Grundsatz nach § 23 ErbStG im ganzen für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt (BFH-Urteil vom 16. März 1977 II R 11/69, BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640).

Die Versteuerung der Ergänzungsansprüche bis zum Ablauf von 20 Jahren nach dem Erbfall ist unter rechtsstaatlichen und systematischen Gesichtspunkten unbedenklich, weil der Ergänzungsanspruch eine aufschiebend bedingte Forderung darstellt und die Steuer erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung entsteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG 1974).

2. Das Urteil unterliegt jedoch der Aufhebung, weil das FG nicht festgestellt hat, ob die Klägerin (oder etwa der Fiskus, vgl. §§ 1936, 1964 BGB) auch Erbin bezüglich des hoffreien Vermögens war und insoweit der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorliegt. Gesetzliche Erbfolge greift nicht ein, weil die Klägerin nicht mit der Erblasserin verwandt, sondern nur verschwägert war. Ob eine testamentarische Erbeinsetzung vorliegt, läßt sich aufgrund des FG-Urteils nicht feststellen. Obwohl es im Tatbestand des angefochtenen Urteils heißt, daß „zu Erben … die 4 Geschwisterkinder … berufen” waren, ist der BFH als Revisionsgericht hieran nicht gebunden. Denn das FG hat keine Tatsachen festgestellt, die eine dahingehende rechtliche Würdigung rechtfertigen könnten. Angesichts der verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten zur Erlangung der Erbenstellung durfte das FG den Rechtsbegriff „Erbe” nicht ohne weiteres als Ersatz für eine Tatsachenfeststellung verwenden. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses die Feststellung zur Erbfolge nachholen kann.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170757

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