Freibetrag für Urenkel bei der Erbschaftsteuer

Ob Urenkeln, deren Eltern und Großeltern zum Zeitpunkt des Erbanfalls bereits verstorben sind, ein höherer als der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausgewiesene Freibetrag von 100.000 EUR zusteht, ist umstritten.

Auffassung des BFH im Aussetzungsfall

Der BFH hat in einem Beschwerdeverfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) die Auffassung vertreten, dass Urenkeln jedenfalls dann lediglich der Freibetrag in Höhe von 100.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zusteht, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind (BFH, Beschluss v. 27.7.2020, II B 39/20 (AdV), BStBl 2021 II S. 28).

Fall des Niedersächsischen FG

In einem Fall des FG Niedersächsischen FG ist die Klägerin die Stief-Urenkelin der am 28.6.2020 verstorbenen Erblasserin. Bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigte das Finanzamt einen Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i. H. v. 100.000 EUR. Gegen den Erbschaftsteuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie machte einen höheren Freibetrag über 200.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG geltend, da sowohl ihr Vater als auch ihre Großmutter bereits verstorben seien. Der Freibetrag für Kinder verstorbener Kinder gelte auch für Urenkel. Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG gelte nur für Enkelkinder. Urenkel zählten dazu nicht.

Entscheidung des FG

Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass das Finanzamt zu Recht nur einen Freibetrag i. H. v. 100.000 EUR berücksichtigt hat (Niedersächsisches FG, Urteil v. 28.2.2022, 3 K 210/21). Nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes meint der Begriff "Kinder" in § 16 Abs. 1 ErbStG nicht Kindeskinder oder weitere Abkömmlinge. Das gilt im Falle des § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch für die doppelte Verwendung des Wortes "Kinder", so dass "Kinder der Kinder" ausschließlich die Enkel, nicht aber die Urenkel sind.

Revision zugelassen

Das Niedersächsische FG hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und der Fortbildung des Rechts dient. Die Frage, ob Urenkeln ein höherer als der in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausgewiesene Freibetrag zusteht, wenn Eltern und Großeltern zum Zeitpunkt des Erbanfalls bereits verstorben sind, sei bisher nicht abschließend geklärt. Die zugelassene Revision wurde nicht eingelegt. Das Urteil ist rechtskräftig.

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