Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die entgeltliche überlassung der Gaststättenführung auf Schiffen der Deutschen Bundesbahn beruht auf einem Pachtvertrag im Sinne des § 8 Ziff. 8 GewStG 1955.

Die Rechtsnatur der Deutschen Bundesbahn steht der Hinzurechnung der Hälfte der Pachtzinsen zum Gewinn des Pächters aus Gewerbebetrieb nicht entgegen.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 8, § 8/7

 

Tatbestand

Der Steuerstreit geht um die Frage, ob der Bg. im Jahre 1956 5.273 DM, d. h. die Hälfte der an die Deutsche Bundesbahn (DB) für die Bewirtschaftung der Bodenseeschiffe gezahlten Pachtzinsen gemäß § 8 Ziff. 8 GewStG 1950 dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen hat. Im Einspruchsverfahren wurde dies entsprechend dem Antrag des Bg. verneint. Die dagegen eingelegte Berufung des Vorstehers des Finanzamts blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Eine Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen sei nicht möglich, wenn diese Beträge beim Empfänger zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehörten. Dies sei hier der Fall. Derartige Pachteinnahmen würden nach einer Auskunft der zuständigen Bundesbahndirektion als Einkünfte der DB aus Gewerbebetrieb (gewerbliche Nebenbetriebe) behandelt. Grundsätzlich wäre die DB auch sachlich mit diesem Gewinn gewerbesteuerpflichtig, wenn sie nicht durch § 3 Ziff. 1 GewStG persönlich von der Gewerbesteuer befreit wäre. Mit Recht habe der Bg. auf eine sachliche Rechtsänderung hingewiesen: Nach dem GewStG 1936 sei die Hinzurechnung dann unterblieben, wenn die Miet- oder Pachtzinsen beim Empfänger zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen waren, während nach der im Streitfall anzuwendenden Fassung des GewStG nur erforderlich sei, daß sie zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehörten. Da diese Voraussetzung zutreffe, habe der Steuerausschuß mit Recht von der Hinzurechnung abgesehen.

Der Vorsteher des Finanzamts hat gegen die Vorentscheidung Rb. eingelegt, die er wie folgt begründet: Der änderung des früheren Gesetzestextes, der auf die Heranziehung des Verpächters zur Steuer nach dem Gewerbeertrag abstelle, durch die hier anzuwendende Fassung, wonach die Pachtzinsen beim Empfänger zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehören müßten, komme nur redaktionelle, keine materiell-rechtliche Bedeutung zu.

Der Bg. fordert demgegenüber, der Steuerpflichtige müsse sich auf den Wortlaut des Gesetzes verlassen können, der hier sicher in der späteren Fassung eine sachliche änderung gegenüber dem GewStG 1936 beinhalte. Die wörtliche Auslegung des Gesetzes führe hier weder zu Zweifeln noch zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Eine Verschärfung der Besteuerung gegen den Wortlaut des Gesetzes sei unzulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 319/60 U vom 6. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 126, Slg. Bd. 74 S. 328, und insbesondere Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 232/60 vom 24. Januar 1962, BStBl 1962 I S. 506 ff., unter III, 3). Die vom Vorsteher des Finanzamts angestrebte Gesetzesanwendung entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes würde noch aus einem anderen Grund ein sinnwidriges Ergebnis herbeiführen. Da die Zahlungen der Inhaber von Bahnhofswirtschaften usw. an die DB nach dem Rohüberschuß bemessen werden, würde dessen Kürzung um die höheren Gewerbesteuerbeträge wegen Hinzurechnung der halben Pachtzinsen indirekt die Absicht des Gesetzgebers vereiteln, die DB von Gewerbesteuerlasten freizuhalten. Keine Stelle in dem vom Vorsteher des Finanzamts angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs I 182/57 U vom 19. August 1958 (BStBl 1958 III S. 429, Slg. Bd. 67 S. 409) stütze die Auffassung, daß bei der DB Pachteinnahmen nicht zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehören. Der Bundesfinanzhof habe in diesem Fall die Steuerbefreiung der Nebenbetriebe der DB ausgesprochen. Wäre die Hinzurechnung der Pachtzinsen zum Gewerbeertrag der Pächter beabsichtigt gewesen, so hätte sich der Bundesfinanzhof in diesem Punkt sicher anders ausgedrückt. Der Schiffsbetrieb auf dem Bodensee stelle einen gewerblichen Nebenbetrieb der DB dar, wenn er auch steuerbegünstigt sei. Im übrigen handle es sich bei dem Vertrag über die Schiffsbewirtschaftung durch den Bg. um kein Miet- oder Pachtverhältnis, sondern um einen Vertrag besonderer Art, wie aus dem zur Umsatzsteuer ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs V 338/57 vom 25. August 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz, § 35, Rechtsspruch 7, Umsatzsteuer-Rundschau 1961 S. 108) hervorgehe. Diese Frage habe das Finanzgericht überhaupt nicht näher geprüft, so daß unter Umständen die Sache schon aus diesem Grund an die Vorinstanz zurückzuverweisen sei. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung seien alle Verträge zwischen der DB und den Inhabern ihrer Nebenbetriebe, bei deren Einrichtung und Zulassung sich die DB in ihrem steuerbegünstigten Bereich halte, keine Pachtverträge. Entstehungsgrund dieser Vertragsverhältnisse sei nämlich nicht, der DB Pachteinnahmen aus ihr gehörigen Gegenständen zu verschaffen, sondern das Ziel bester Verkehrsbedienung nach § 28 des Bundesbahngesetzes (BbG), das nach § 41 BBG sogar die Einhaltung der allgemeinen Gesetze einschränke oder ausschließe, wie z. B. bezüglich der Gewerbeordnung und des Gaststättengesetzes. Das eigentliche Interesse der DB sei auch nicht darauf gerichtet, ihren "Pächtern" den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Ertrag (des Nebenbetriebes) während der Pachtzeit zu gewähren (§ 581 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern gegenüber dem reisenden Publikum ihre, der DB, gesetzlich obliegende Aufgabe bestmöglicher Bedienung durch die Nebenbetriebe als Substitute zu erfüllen. Komme der Senat gleichwohl zur Annahme von Pachtzinsen, so müsse auf die Verwaltungskostenzuschüsse hingewiesen werden, die von der DB auf Grund der Novelle zum Reichsbahngesetz (ReichsbG) vom 13. März 1930 (RGBl II S. 359) an Gemeinden bezahlt würden, in denen verhältnismäßig zahlreiche Bundesbahnbedienstete wohnen. Die dadurch bewirkte gewissermaßen pauschale Abgeltung der Gewerbesteuer durch die DB sei ein weiterer Grund, der gegen die Hinzurechnungspflicht von Pachtzinsen spreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts und der Einspruchsentscheidung.

Im vorliegenden Fall ist die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Ziff. 8 GewStG nur anwendbar, wenn die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

daß überhaupt Miet- oder Pachtzinsen bezahlt wurden und

daß diese Beträge bei der DB nicht zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehören.

Zum Begriff der Miet- und Pachtzinsen im Sinne des § 8 Ziff. 8 GewStG hat der Senat im Urteil I 50/55 U vom 23. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 306, Slg. Bd. 65 S. 189) und im Urteil I 96/59 S vom 12. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 387, Slg. Bd. 71 S. 368) ausgeführt, daß hierunter Leistungen auf Grund solcher Verträge fallen, die ihrem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach Miet- oder Pachtverträge im Sinne des bürgerlichen Rechts sind. Er hat dabei die Auffassung abgelehnt, daß die Zurechnungsvorschrift auf alle Entgelte angewendet werden dürfe, die bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Gegenleistung für die Benutzung bestimmter Wirtschaftsgüter darstellen oder die, würden sie nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs oder freien Berufs anfallen, ihrer Natur nach zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG gehörten. Die formelle und materielle Prüfung der vorliegenden Verträge zeigt in eindeutiger Weise die wesentlichen Merkmale von Pachtverträgen im Sinne der §§ 581 ff. BGB. Dem Bg. kann nicht gefolgt werden, wenn er die eigentliche Aufgabe der DB, die in der Bedienung des reisenden Publikums besteht, auf das Vertragsverhältnis zu dem Verpächter der Nebenbetriebe der DB überträgt und mit dieser Begründung das Bestehen eines Pachtverhältnisses bestreitet. Das Wesen der von der DB ausgeübten Tätigkeit spielt nur bei der rechtlichen Beurteilung der zweiten in diesem Zusammenhang zu untersuchenden Frage eine Rolle. Da die Rechtsnatur der Verträge aus den vorgelegten Akten mit Sicherheit zu erkennen ist und in tatsächlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufgetreten sind, die einer weiteren Aufklärung bedürfen, besteht kein Grund, dem Antrag des Bg. auf Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zu entsprechen. Das Finanzgericht hat zwar zur Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen dem Bg. und der DB keine Stellung genommen. Es hat das Vorliegen eines Pachtverhältnisses als so selbstverständlich angesehen, daß es sich in der Begründung seiner Entscheidung zu diesem Punkt nicht geäußert hat.

Hinsichtlich der in der Person der Verpächterin für die Zurechnung der Hälfte der Pachtzinsen beim Pächter zu erfüllenden Voraussetzung, daß die Pachtzinsen bei der DB nicht zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehören, kann es im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der anderslautenden Fassung des GewStG bis zum 31. Dezember 1950 und dann wieder ab 1. Januar 1961, wonach die Ausnahme von der Zurechnung nur dann gegeben ist, wenn die Pachtzinsen bei der Verpächterin zur "Steuer" (GewStG 1936) oder zur "Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag" (GewStG 1961) herangezogen werden, nur redaktionelle Bedeutung zukommt, wie der Vorsteher des Finanzamts meint, oder ob sie auch einen sachlichen Unterschied beinhaltet. Die Entscheidung des Falles hängt davon nicht ab.

Zwar steht es außer Zweifel, daß die DB mit den Einkünften aus der Verpachtung ihrer Nebenbetriebe gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 KStG nicht der Körperschaftsteuer unterliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs I 182/57 U vom 19. August 1958, BStBl 1958 III S. 429, Slg. Bd. 67 S. 409, bezüglich der Bahnhofsgaststätten). Damit stimmt die entsprechende Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 1 GewStG für die Gewerbesteuer überein. Der erkennende Senat hat im Urteil I 83/61 U vom 4. September 1962 (BStBl 1962 III S. 514, Slg. Bd. 75 S. 679) die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb des Pächters auch dann hinzugerechnet, wenn diese Zinsen zum gewerblichen Gewinn eines der inländischen Besteuerung nicht unterliegenden ausländischen Empfängers gehören. Ob ebenso bei einem nur von der Gewerbesteuer befreiten inländischen Empfänger zu entscheiden wäre, ist zweifelhaft. Dieser Zweifel braucht aber, wie bereits ausgeführt worden ist, hier nicht entschieden zu werden, weil von der DB vereinnahmte Miet- oder Pachtzinsen überhaupt nicht zum Gewinn aus Gewerbebetrieb gehören.

Die DB ist unter Wahrung der deutschen Volkswirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BBG vom 13. Dezember 1951, BGBl I S. 955). Die entsprechende Vorschrift des § 28 Abs. 1 BBG in der durch Art. I Nr. 3 des Gesetzes vom 1. August 1961 (BGBl I S. 1161) geänderten Fassung lautet: "Die Deutsche Bundesbahn ist unter der Verantwortung ihrer Organe wie ein Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung nach kaufmännischen Grundsätzen so zu führen, daß die Erträge die Aufwendungen einschließlich der erforderlichen Rückstellungen decken; eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals ist anzustreben. In diesem Rahmen hat sie ihre gemeinwirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen." Daraus geht hervor, daß die DB kaufmännische Erfolgswirtschaft mit gemeinnütziger Zielsetzung verbinden muß (Haustein-Mayer, Bundesbahngesetz 1952, Anm. 1 zu § 4). Zwar enthält das BBG im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 ReichsbG von 1939 keine ausdrückliche Bestimmung, daß die DB kein Gewerbebetrieb ist. Jedoch ist dies aus § 6 Abs. 3 BBG abzuleiten, wonach die Erfüllung der Aufgaben der DB - wie nach § 3 Abs. 3 ReichsbG 1939 - "öffentlicher Dienst", d. h. nach Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., 1931, S. 20 ff., "schlichte Hoheitsverwaltung" ist (vgl. hierzu Finger, "Eisenbahngesetze", 4. Aufl., 1962, Anm. 5 a zu § 6 Abs. 3 und Anm. 3 a zu § 41 BbG). Auch eine nur auf die verpachteten Nebenbetriebe beschränkte rechtliche Würdigung führt zum gleichen Ergebnis. Das oben angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs I 182/57 U hat es abgelehnt, in der Verpachtung einer Bahnhofswirtschaft einen subjektiv körperschaftsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der DB im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG zu erblicken. Es kann dahingestellt bleiben, ob hier begrifflich schon deshalb keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, weil die DB nur ihr Vermögen verwaltet (Hinweis auf Abschn. 15 GewStR und das Urteil des Reichsfinanzhofs I 230/39 vom 11. Juli/31. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 347, wonach sogar die Vermietung eines ganzen Versorgungsbetriebs durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts keinen Gewerbebetrieb darstellt). Auf jeden Fall fehlt die Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr als wesentliche Voraussetzung des Gewerbebetriebs (§§ 1 und 2 GewStDV). Die Verpachtung der hier in Betracht kommenden Nebenbetriebe dient dem gemeinwirtschaftlichen Ziel bester Verkehrsbedienung (§ 28 BbG) einschließlich der Versorgung der Reisenden (§ 41 BbG) durch die DB.

Im Streitfall wird durch die Anwendung des § 8 Ziff. 8 GewStG auf die Hälfte der Pachtzinsen der Grundgedanke aller Zurechnungsvorschriften des GewStG erfüllt, nämlich den objektiven Ertrag des Betriebs zu erfassen, d. h. den Pächter von Wirtschaftsgütern bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht besser zu stellen, als wenn ihm diese Wirtschaftsgüter zu eigen zuzurechnen wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411258

BStBl III 1965, 655

BFHE 83, 433

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