Leitsatz (amtlich)

Überträgt der Hoferbe (§ 4 Satz 1 HöfeO) Grundstücke an einen weichenden Erben, ist dessen Erwerb nicht gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Auch gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG ist er jedenfalls dann nicht befreit, wenn beide sich über die Hoffolge und eine bare Abfindung des weichenden Erben bereits acht Jahre zuvor geeinigt hatten.

 

Normenkette

GrEStG § 3 Nrn. 2-3

 

Tatbestand

Dem im Jahr 1939 verstorbenen Vater der Klägerin gehörte ein Erbhof im Sauerland. Der Erbfall war bis zum 24. April 1947 nicht geregelt. Hoferbin wurde eine Schwester der Klägerin. Die Abfindung der weichenden Erben wurde im Jahr 1952 vertraglich festgelegt. Die Hoferbin verpflichtete sich in diesem Vertrag u. a. , sofern sie innerhalb der nächsten 15 Jahre Ländereien verkaufe, die Hälfte des den Einheitswert übersteigenden Erlöses an die Klägerin abzuführen.

Im Jahr 1960 hat die Hoferbin eine Anzahl Grundstücke an die Klägerin veräußert. Dadurch sollten die noch offenen Verpflichtungen aus dem Vertrag von 1952 abgegolten sein. Die Klägerin übernahm die Vertragspflicht, an eine weitere Schwester einen Ausgleichsbetrag zu zahlen.

Das FA hat gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer festgesetzt. Einspruch und Berufung führten jeweils zur Herabsetzung der Steuer. Das FG setzte den Wert der Gegenleistungen der Klägerin in Höhe des Verkehrswertes der erworbenen Grundstücke an; den Erwerb einzelner Grundstücke ließ es gemäß dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau in der Fassung vom 19. Juni 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1958 S. 282 - GVBl 1958, 282 -) von der Steuer frei. Mit der Revision beharrt die Klägerin auf ihrem Standpunkt, der Erwerb der Grundstücke sei gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Der im Jahr 1960 geschlossene Vertrag hat der Klägerin Anspruch auf Übereignung der Grundstücke verschafft; er unterlag daher der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Von dieser wird er weder durch § 3 Nr. 2 GrEStG noch durch § 3 Nr. 3 GrEStG befreit.

Die letztgenannte Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil die Hoferbin gemäß § 4 Satz 1 der Höfeordnung (HöfeO) Alleineigentümerin der Grundstücke geworden war, hinsichtlich dieser der Nachlaß also nicht mehr geteilt (vgl. § 4 Satz 2 HöfeO, §§ 2032, 2042 ff. BGB) werden konnte. Auch § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG greift nicht ein. Nach der mit dem Wortlaut des Vertrags übereinstimmenden tatsächlichen Feststellung des FG sollten die Grundstücke nicht unentgeltlich (freigebig) zugewandt sein (vgl. § 516 Abs. 1 BGB); eine Schenkung im Sinne des § 3 ErbStG liegt daher nicht vor. Der Erwerb der Grundstücke ist auch in dem weiteren Sinne des § 2 ErbStG nicht von Todes wegen erfolgt.

Im bürgerlich-rechtlichen Sinne konnte die Klägerin die Grundstücke schon deshalb nicht von Todes wegen von ihrem Vater erwerben, weil sie als Teile (§ 2 Buchst. a HöfeO) des Hofes (§ 19 Abs. 6, § 1 Abs. 1 HöfeO) kraft Gesetzes Eigentum der Hoferbin geworden waren (§ 4 Satz 1 HöfeO). Davon ist die Klägerin im Jahr 1952 selbst ausgegangen. Es unterlag nicht der freien Verfügung der Parteien, im Vertrag von 1960 von einer anderen sachenrechtlichen Lage auszugehen.

Von einer "neuen Auseinandersetzung" kann daher jedenfalls im sachenrechtlichen Sinne nicht die Rede sein. Vielmehr kann es sich allenfalls darum gehandelt haben, die - mit den Ansprüchen aus § 13 HöfeO vergleichbaren, über diese aber möglicherweise hinausgehenden - Ansprüche der Klägerin aus dem Vertrag von 1952 abzufinden. Diese richteten sich aber - ebenso wie Ansprüche aus § 13 HöfeO - nicht auf Übereignung der Grundstücke, sondern nur auf Wertausgleich.

Der von der Klägerin für entscheidend erachtete Gesichtspunkt, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Bedingung des vertraglichen Wertausgleiches (vgl. § 13 Abs. 1 HöfeO) nicht eingetreten war (§ 158 Abs. 1 BGB), ist für den Besteuerungsgrund unerheblich. Denn dieser Gesichtspunkt kann nicht aus einem entgeltlichen Geschäft zwischen Geschwistern ein unentgeltliches Geschäft oder einen Erwerb von Todes wegen nach dem Vater machen.

Auch im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG liegt kein Erwerb von Todes wegen vor. Die Übereignung der Grundstücke ist weder eine "Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch" noch "für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses gewährt".

Ob diese - auf die später ergangene Höfeordnung selbst nicht abgestimmte - Vorschrift im Rahmen des § 3 Nr. 2 GrEStG zugunsten des Steuerpflichtigen sinngemäß angewendet werden könnte, wenn einem weichenden Erben (§ 12 Abs. 1 HöfeO) anläßlich der Auseinandersetzung des freien Nachlasses (§ 2042 BGB) und über den Hofwert (§§ 12, 4 Satz 2 HöfeO) ein Hofgrundstück übereignet würde, kann dahingestellt bleiben.

Der vorliegende Fall wird jedenfalls von dem Sinn dieser Vorschrift nicht umfaßt. Denn für die Ausschlagung eines Vermächtnisses gilt zwar nicht die in § 1954 BGB für den Erben vorgeschriebene Befristung (§ 2180 Abs. 3 BGB); sie ist aber ausgeschlossen, wenn der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten (§ 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB) angenommen hat (§ 2180 Abs. 1 BGB). Sofern eine entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG im Bereiche des § 12 HöfeO oder darüber hinaus des § 13 HöfeO möglich wäre, stünde ihr im vorliegenden Fall entgegen, daß die Klägerin im Jahre 1952 rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben hat, welche - auf § 2180 BGB projiziert - einer Annahmeerklärung gleichstehen. Die Erwähnung des Pflichtteils in § 2 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG hängt dagegen mit dessen von der Regel (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in dessen Obersatz) abweichender Behandlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und § 24 Abs. 6 ErbStG zusammen; die Fälle der §§ 12, 13 HöfeO sind nicht vergleichbar. Die Besteuerung ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Höhe nach hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Die Höhe der festgesetzten Steuer ist aber von Amts wegen zu überprüfen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO), soweit die Klägerin durch fehlerhafte Rechtsanwendung (§ 118 Abs. 1, § 155 FGO, § 550 ZPO) beschwert sein könnte (§ 40 Abs. 2 FGO).

Mit Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der Besteuerung die Gegenleistung der Klägerin für den Erwerb der Grundstücke zugrunde zu legen ist (§ 10 Abs. 1 GrEStG). Diese ist aber nur hinsichtlich des Betrages eindeutig, den die Klägerin auf Rechnung der Hoferbin an ihre andere Schwester zu zahlen hatte. Hauptleistung war indessen ihr Verzicht, bei dem von der Hoferbin beabsichtigten Verkauf der Hofgrundstücke an deren Erlös beteiligt zu werden. Diese Anwartschaft hatte unmittelbaren und gegenwärtigen Geldwert. Dieser läßt sich nicht rechnerisch genau ermitteln. Auch Rückschlüsse von den Preisen, welche die Hoferbin bei etwaigen späteren Verkäufen erzielt hat, wären nur bedingt schlüssig. Somit bleibt nur der Weg der Schätzung (§ 217 Abs. 1 AO).

Das hat das FG nicht verkannt. Es hat den Verkehrswert der von der Klägerin erworbenen Grundstücke in der seiner Überzeugung entsprechenden Höhe nicht als solchen, sondern deshalb angesetzt, weil es in tatsächlicher Beziehung davon ausging, daß die Vertragschließenden Leistung und Gegenleistung ausgleichen wollten und ausgeglichen haben. Der Verkehrswert der Grundstücke repräsentiert daher in der Betrachtung des FG sowohl den Wert des Verzichts als auch den Wert der anderen Teile der Gegenleistung, somit auch der an die dritte Schwester zu leistenden Zahlung. Von dieser aus den Verkehrswerten aller Grundstücke entnommenen Gesamtgegenleistung hat das FG zulässigerweise (vgl. Urteil des BFH II 150/64 vom 20. Februar 1968, BFH 91, 494 [496]) den Verkehrswert der steuerbefreit erworbenen Grundstücke abgezogen und aus dem Rest die Grunderwerbsteuer errechnet. Damit sind § 10 Abs. 1, § 11 GrEStG beachtet.

Das FG hat die bei einer Schätzung gemäß § 217 Abs. 1 AO gebotene Vorsicht nicht außer acht gelassen. Es hat ausdrücklich hervorgehoben, daß bei seiner Berechnung der Klägerin ein geringerer Wert zugerechnet wurde als der Abfindungsbetrag, den die Hoferbin am gleichen Tag der anderen Schwester eingeräumt hat.

Die Schätzung führt somit zu einem möglichen Ergebnis. Etwaige Beanstandungen hätten daher nur mit einer Verfahrensrüge (§ 290 Abs. 1 AO a. F.) vorgetragen werden können (§ 118 Abs. 2 FGO, § 296 Abs. 2 Satz 1 AO a. F.). Eine solche ist nicht erhoben.

Demnach war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 462

BFHE 1971, 123

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