Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wertfortschreibung eines Einheitswerts ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn tatsächliche Veränderungen an dem Gegenstand der Bewertung seit der letztvorangegangenen Einheitswertfeststellung nicht eingetreten sind. Es genügt demnach auch ein bloßer Rechtsirrtum bei der früheren Bewertung für die Vornahme einer Wertfortschreibung.

Der Senat hält an folgendem vom Reichsfinanzhof (Urt. III 60/38 vom 7. Dezember 1939, RStBl. 1940 S. 320) aufgestellten Grundsatz fest:

Kleine Bauwerke (z. B. Transformatorenhäuschen, Gräben, Kanäle von Elektrizitätsunternehmen), die sich weder zur Aufnahme von Menschen für einen längeren Aufenthalt noch von Vieh eignen, sind im Sinn des RBewG auf Grund der Verkehrsanschauung nicht als Gebäude, sondern als Betriebsvorrichtungen anzusehen. Nur der Grund und Boden selbst ist wie Grundvermögen zu bewerten.

 

Normenkette

BewG §§ 22, 57, 99, 50/1/2, § 68/2/2

 

Tatbestand

Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdegegnerin (Bgin) ist die Elektrizitätsversorgung. Bei Feststellung des Einheitswerts ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1946 durch das Finanzamt ..... sind ihre Bauwerke an den Kanälen, Gräben usw. mit denjenigen Einheitswerten berücksichtigt worden, die die Belegenheitsfinanzämter auf den 1. Januar 1935 für den jeweiligen Grund und Boden einschließlich der baulichen Vorrichtungen festgestellt haben.

Gegen diese Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens hat die Bgin. Sprungberufung eingelegt. Sie hat gebeten, die genannten Bauwerke nicht dem Grundvermögen hinzuzurechnen, sondern, abgesehen vom Grund und Boden, als Betriebsvorrichtungen anzusehen.

Der Senat erachtet die Sache als spruchreif im Sinne der Zurückweisung der Berufung. Wertfortschreibungen seitens der Belegenheitsfinanzämter fehlen zur Zeit hinsichtlich der Betriebsgrundstücke. Das Finanzamt ... mußte deshalb die auf den 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerte bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einsetzen.

 

Entscheidungsgründe

Eine andere hier noch nicht zu entscheidende Frage ist die, ob für die Belegenheitsfinanzämter überhaupt die Möglichkeit besteht, die Einheitswerte der in Frage kommenden Bauwerke fortzuschreiben. Es würde sich, da tatsächliche änderungen fehlen, um eine Wertfortschreibung lediglich um einer geänderten Rechtsauffassung willen handeln. Die Rechtsbeschwerde hat zwar die Auffassung vertreten, die Behandlung der Streitfrage bei der Feststellung der Einheitswerte auf den 1. Januar 1935 habe den damaligen Richtlinien entsprochen, und deshalb liege keine unrichtige Behandlung vor, die jetzt richtigzustellen sei. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Maßgebend ist vielmehr, daß die Entscheidung rechtlich begründet ist. In dieser Hinsicht muß darauf hingewiesen werden, daß der Reichsfinanzhof schon in seinem Urteil III A 11/34 vom 8. März 1934 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1934 S. 488) für kleine Transformatorenhäuser von Elektrizitätswerken die Gebäudeeigenschaft im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes verneint und an dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung festgehalten hat (vgl. z. B. Urteil III 60/38 vom 7. Dezember 1939 - RStBl. 1940 S. 320 -). Nach diesen Grundsätzen sind solche kleinen Bauwerke, die sich weder zur Aufnahme von Menschen für einen längeren Aufenthalt noch von Vieh eignen, auf Grund der Verkehrsanschauung nicht als Gebäude, sondern als Betriebsvorrichtungen anzusehen. Nur der Grund und Boden selbst stellt Grundvermögen dar. Der Senat ist entschlossen, diese Grundsätze über die Abgrenzung zwischen Grundvermögen und Betriebsvorrichtungen bei kleineren Bauwerken der hier in Frage kommenden Art aufrechtzuerhalten. So betrachtet, stellt sich die Totalbehandlung der Bauwerke als Gegenstände des Grundvermögens bei der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 als unrichtig dar.

Ob allein wegen einer Unrichtigkeit, also ohne tatsächliche Veränderung des zu bewertenden Gegenstands, ein Einheitswert fortgeschrieben werden kann, wenn der gegenwärtige von dem früher festgestellten Wertbetrag abweicht, ist nach § 22 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) zu entscheiden. Diese Frage hat der Reichsfinanzhof (vgl. z. B. Urteil III 303/37 vom 31. März 1938 - Slg. Bd. 43 S. 325 ff. - RStBl. 1938 S. 601 -) auf Grund der Fassung von § 22 Absatz 1 RBewG 1934 bejaht. § 22 Absatz 1 RBewG schreibt nicht ausdrücklich vor, daß Voraussetzung einer Wertfortschreibung eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten Einheitswertfeststellung sei. Es wird lediglich gefordert, daß der neue von dem alten Wert abweicht. Dieser Wortlaut deckt die Auslegung durch den Reichsfinanzhof und fällt umsomehr ins Gewicht, als in der dem Reformwerk von 1934 vorangegangenen Fassung der einschlägigen Vorschrift des Reichsbewertungsgesetzes eine Veränderung des Wertes gefordert worden ist. Welche Absichten auch immer der änderung der Fassung in der Vorstellung des Gesetzgebers zugrundegelegen haben mögen: die Fassung ist neu, und hieran kann man bei der Auslegung des Gesetzes nicht vorbeigehen. Nach Auffassung des erkennenden Senats berechtigt die neue Fassung zu der Auslegung, daß eine Wertfortschreibung keine tatsächliche änderung des zu bewertenden Gegenstands voraussetzt.

Diese Auslegung liegt im Interesse sowohl der Steuerpflichtigen als auch der Verwaltung. Auf den Einheitswertfeststellungen beruht die Festsetzung von Abgaben. Es liegt gegenwärtig besonders nahe, hierbei an die Soforthilfeabgabe und an die spätere Lastenausgleichsabgabe zu denken. Da zwischen den Hauptfeststellungszeitpunkten ein längerer Zeitraum liegt, würde eine unrichtige Einheitswertfeststellung, wenn der Einheitswert nicht fortgeschrieben werden kann, zur Folge haben, daß Jahre lang Abgaben u. U. auf unrichtige Grundlage festgesetzt würden. Dies würde gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen. Es fällt allerdings auf, daß die amtliche Begründung zum Reichsbewertungsgesetz 1934 zu der neuen Fassung des § 22 Absatz 1 RBewG keine Stellung nimmt, und daß in § 22 Absatz 2 RBewG und § 225 a AO wieder das Wort "änderung" gebraucht ist. Angesichts der klaren Fassung von § 22 Absatz 1 RBewG kann indessen nur angenommen werden, daß der Wortlaut der erwähnten Vorschriften noch nicht in Einklang mit der neuen Fassung von § 22 Absatz 1 a. a. O. gebracht worden ist.

Hiernach besteht gegen Wertfortschreibungen nach § 22 Absatz 1 RBewG jedenfalls in Einzelfällen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 116/50 S vom 7. Mai 1951 - Bundessteuerblatt 1951 III S. 116 -) kein Bedenken, selbst wenn keine tatsächlichen Veränderungen des zu bewertenden Gegenstands in Betracht kommen. Mißbräuchlicher Anwendung der Wertfortschreibung müßte jedoch entgegengetreten werden. Ein solcher Mißbrauch liegt indessen im Streitfall nicht vor.

Im vorliegenden Falle werden die Wertfortschreibungen der Einheitswerte der in Betracht kommenden Bauwerke wegen Unrichtigkeit der Einheitsbewertung 1935 von den Belegenheitsfinanzämtern grundsätzlich zuzulassen sein, insoweit sogenannte Betriebsvorrichtungen vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt auf § 307 AO. Der Wert des Streitgegenstandes ist nach freiem Ermessen festgestellt.

 

Fundstellen

BStBl III 1952, 84

BFHE 1953, 209

BFHE 56, 209

StRK, BewG:22 R 2

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