Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die einkommensteuerliche Anerkennung einer handelsrechtlichen Personengesellschaft zwischen Eltern und Kindern setzt klare Rechtsverhältnisse und übereinstimmung zwischen den tatsächlichen Verhältnissen und dem Gesellschaftsvertrage voraus. Dies gilt in besonderem Ausmaße für die stille Gesellschaft.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2, § 20/1/2; StAnpG §§ 5-6

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt eine Landwirtschaft, eine Bierbrauerei und einen Gasthof mit Beherbergung. Daneben besitzt er Grundvermögen (Miethäuser) und sonstiges Vermögen. Er stellt alljährlich eine "Einheitsbilanz" auf, in der sein Gesamtvermögen enthalten ist. Dieses Gesamtvermögen ist für die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1946 wie folgt ermittelt worden:

Land- und forstwirtschaftl. Vermögen ----------- 33.400 RM, Grundvermögen (Miethäuser) ---------------------- 85.000 RM, Betriebsvermögen -------------------------------- 74.900 RM, sonstiges Vermögen ----------------------------- 198.025 RM, Rohvermögen ------------------------------------ 391.325 RM, Schulden ---------------------------------------- 37.243 RM, Gesamtvermögen --------------------------------- 354.082 RM.Der Bf. wurde 1895, seine Ehefrau, mit der er in allgemeiner Gütergemeinschaft lebt, 1898 geboren. Der einzige Sohn, geboren 1921, soll später das väterliche Geschäft übernehmen. Er ist 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und seit dieser Zeit im Braufach tätig. 1950 hat er vor der Handwerkskammer die Meisterprüfung im Brauer- und Mälzerhandwerk abgelegt und den Meisterbrief erhalten. Die beiden Töchter, geb. 1922 und 1926, arbeiten seit längerer Zeit im Haushalt und im Gasthofe mit.

Mit Vertrag vom 30. September 1947 beteiligte der Bf. mit Zustimmung seiner Ehefrau seine drei Kinder als stille Gesellschafter an seinem Unternehmen. Die Kapitaleinlagen der drei stillen Gesellschafter sollten je 30.000 RM betragen. Sie wurden dadurch geleistet, daß der Bf. und seine Ehefrau aus ihrem gemeinsamen Vermögen an jedes der Kinder eine Schenkung von 30.000 RM machten. Zu diesem Zwecke wurden 90.000 RM vom Kapitalkonto des Bf. auf die Einlagenkonten der drei stillen Gesellschafter übertragen. Die stillen Gesellschafter sollten ab 1. Januar 1947 an den Gewinnen, nicht aber an den Verlusten teilnehmen. Für ihre Kapitalbeteiligung erhalten die drei stillen Gesellschafter einen jährlichen Gewinnanteil von je 10 %. "Zur Abgleichung des Wagnisses" wird ihnen ein weiterer Gewinnanteil von je 5 % zugebilligt. Daneben wird jedem stillen Gesellschafter ein angemessenes Gehalt für seine Dienstleistung gewährt. Im Falle einer Währungsreform sollen die Geldeinlagen der stillen Gesellschafter nicht schlechter behandelt werden als das Kapitalkonto des Bf. Nach § 1 des Vertrages soll die Beteiligung des Sohnes als stillen Gesellschafters einen übergang zu seiner späteren Beteiligung als Mitunternehmer darstellen.

Nach Auffassung des Finanzgerichts waren für die Errichtung der stillen Gesellschaft ausschließlich familienrechtliche und Steuerersparnisgründe maßgebend. Die drei Kinder sollten nicht an einem Geschäft beteiligt werden, in dem sie lange Jahre mitgearbeitet hatten, sondern an dem gesamten Vermögen des Bf., also auch an seinen Miethäusern und allem sonstigen Vermögen, das später an sie vererbt werden sollte. Es sei beabsichtigt gewesen, eine künftige Vererbung vorwegzunehmen. Dies zeigten auch die übermäßig hohen Gewinnausschüttungen an die stillen Gesellschafter. Sie stünden in keinem Verhältnis zu den von diesen getätigten Leistungen. Für eine fast wertlose Geldeinlage und nur gering zu veranschlagende Arbeitsleistungen der Kinder überlasse der Bf. fast 45 % der gesamten Einkünfte seines großen Vermögens an die Kinder, die außerdem ihre Arbeitsleistungen noch besonders vergütet bekämen. Ungewöhnlich sei auch die Bestimmung hinsichtlich der Behandlung der Geldeinlagen der Kinder bei der Währungsumstellung. Sie würden Sachwerten vollkommen gleichgestellt. Unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse kam das Finanzgericht zu der Auffassung, daß eine stille Gesellschaft nicht vorliege. Der Vater werde nach wie vor den Geschäftsgewinn nach seinem Belieben bestimmen und jederzeit aus der Tageskasse entnehmen, was er wolle, während seine Kinder sich in dieser Beziehung seinen Anordnungen zu fügen hätten. Die Stellung, die den drei Kindern tatsächlich zukomme, sei nicht die Stellung eines ernstlichen stillen Gesellschafters.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist unbegründet.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951, Bundessteuerblatt 1951 Teil III S. 181, FMBl. 1951 S. 687 kann die steuerliche Anerkennung einer offenen Handelsgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft nicht lediglich mit der Begründung versagt werden, daß außerbetriebliche, z. B. steuerliche und familienrechtliche Gesichtspunkte den Abschluß des Gesellschaftsvertrages veranlaßt haben. "Grundsätzlich steht es im Belieben jedes Steuerpflichtigen, seine Angelegenheiten so einzurichten, daß er möglichst an Steuern spart" (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 38/43 vom 20. Januar 1944, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1944 S. 435). Voraussetzung für die Anerkennung derartiger Verträge ist aber, daß kein Scheingeschäft i. S. des § 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und kein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 6 StAnpG vorliegt. Es muß die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse mit der formellen Gestaltung übereinstimmen. Ob dies im einzelnen Falle gegeben ist, gehört zur Würdigung (Feststellung) des Tatbestandes.

"Die im wirtschaftlichen Leben geltende Vertragsfreiheit hat steuerlich nur da ihre Grenze, wo die getroffenen Maßnahmen nicht ernstlich gemeint sind, oder wo festzustellen ist, daß die getroffenen Maßnahmen den wahren wirtschaftlichen Absichten der Beteiligten nicht entsprechen, sondern durch Vorschützen formeller Verträge auf einem rechtsgeschäftlichen Schleichwege etwas ganz anderes erreicht werden soll, als es nach dem Vertrage erscheint" (III 38/43). Die Berechnung des Einkommens richtet sich nicht danach, was hätte sein sollen, sondern danach, was tatsächlich geschehen ist (Entsch. des Reichsfinanzhofs VI 231/38 vom 6. September 1939, RStBl. 1939 S. 1008).

Im vorliegenden Falle handelt es sich um die steuerliche Anerkennung einer stillen Gesellschaft. Sie unterscheidet sich wesentlich von den Kapitalgesellschaften und von den handelsrechtlichen Personengesellschaften. Die Kapitalgesellschaft (Aktiengesellschaft, GmbH, Genossenschaft) entsteht durch ihre Eintragung in das Handelsregister. Es wird eine neue Rechtsperson, eine juristische Person, geschaffen. Es treten hierdurch ohne weiteres bestimmte handelsrechtliche und steuerliche Wirkungen ein. Das Vermögen der Kapitalgesellschaft wird von dem Vermögen der Gesellschafter getrennt und haftet den Gläubigern der Gesellschaft. Es entsteht die Körperschaftsteuerpflicht. Auch bei der OHG und bei der KG treten, wenn auch in vermindertem Ausmaße, Rechtswirkungen nach außen ein. Hieraus ergibt sich, daß bei diesen Gesellschaftsformen in einem größeren Ausmaße die Vermutung dafür spricht, daß die tatsächlichen Verhältnisse der formellen Gestaltung entsprechen, als bei der stillen Gesellschaft, die nach außen hin keine Rechtswirkungen zeigt. Es müssen deshalb bei der stillen Gesellschaft in besonderem Ausmaße eine klare Rechtsgestaltung und klare Verhältnisse gefordert werden. Die Steuerpflichtigen können sich nicht darüber beklagen, wenn aus unklaren Rechtsverhältnissen für sie ungünstige Schlüsse durch die Finanzämter gezogen werden. Die Vorbehörden haben mit Recht darauf hingewiesen, daß im vorliegenden Falle eine ungewöhnliche Rechtsgestaltung gegeben ist. Nach dem Vorbringen des Bf. in dem Schreiben vom 2. Juli 1948 erstreckt sich die stille Gesellschaft auch auf die Landwirtschaft und auf das sonstige Vermögen, insbesondere die Mietgrundstücke. Hierzu kommt, daß dies nach dem Vertrage vom 30. September 1947 nicht ohne weiteres angenommen werden kann. In dem Vorspruch zu dem Vertrage wird ausgeführt, daß der Bf. als Einzelunternehmer der alleinige Inhaber der Firma Brauerei X sei. Mit Zustimmung seiner Frau nehme er seine Kinder als stille Gesellschafter auf. Diese Fassung spricht im Gegensatze zu dem späteren Vorbringen des Bf. dafür, daß es sich ursprünglich nur um eine stille Gesellschaft hinsichtlich des Betriebsvermögens gehandelt hat, wie sie in §§ 335 f. des Handelsgesetzbuches geregelt ist. Eine weitere Unklarheit enthält § 2 des Vertrages. Nach dieser Bestimmung nehmen die stillen Gesellschafter nicht am Verlust teil. Im Gegensatz dazu wird in dem Schreiben vom 2. Juli 1948 und in der Begründung des Einspruchs vom 13. April 1949 ausgeführt, daß die stillen Gesellschafter auch am Verlust beteiligt seien.

Unter diesen unklaren Verhältnissen können keine Bedenken dagegen geltend gemacht werden, wenn das Finanzgericht bei seiner Tatsachenwürdigung zu der Feststellung kam, daß eine stille Gesellschaft tatsächlich nicht gegeben ist und es sich wirtschaftlich betrachtet um Einkünfte des Bf. handelt.

Die Rb. muß somit als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407293

BStBl III 1951, 223

BFHE 1952, 548

BFHE 55, 548

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