Typisch stille Beteiligung von Kindern an einer Arztpraxis
Hintergrund: Beteiligung minderjähriger Kinder als stille Gesellschafter einer Arztpraxis
Zu entscheiden war, ob Gewinnbeteiligungen aus stillen Gesellschaften, die der Zahnarzt Z an seine minderjährigen Kinder gezahlt hat, als Betriebsausgaben abziehbar sind.
Z räumte seinen drei (in den Streitjahren minderjährigen) Kindern mit notarieller Erklärung jeweils schenkweise eine stille Beteiligung in Höhe von 50.000 EUR an seiner Zahnarztpraxis ein. Für die Kinder war ein Ergänzungspfleger bestellt worden.
Nach den Gesellschaftsverträgen galten ergänzend die §§ 230 ff. HGB. Die Einräumung der stillen Beteiligung erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Gegenleistungen waren nicht zu erbringen. Den Gesellschaftern stand (soweit mit der ärztlichen Schweigepflicht des Z vereinbar) ein Kontrollrecht (entsprechend § 233 HGB) zu. Die Geschäftsführung lag ausschließlich bei Z. Jeder stille Gesellschafter war mit 10 % am Gewinn beteiligt, höchstens aber mit 15 % der Einlage (= 7.500 EUR). Am Verlust sollte der Gesellschafter ebenfalls mit 10 %, höchstens mit seiner Einlage, beteiligt sein.
Im Zusammenhang mit der Schenkung bzw. Gründung der Gesellschaften erfolgten keine tatsächlichen Zahlungen in das Betriebsvermögen des Z. Z zahlte jährlich Gewinnbeteiligungen in Höhe von jeweils 7.500 EUR (gesamt 22.500 EUR) auf Bankkonten seiner Kinder, über die er selbst und die Mutter der Kinder Verfügungsmacht besaßen.
Das FA und ihm folgend das FG lehnten den Betriebsausgabenabzug ab. Es handele sich um Privataufwendungen.
Entscheidung: Die Würdigung muss das Gesamtergebnis des Verfahrens ausschöpfen
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte des Streitfalls ermittelt und seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt.
Innengesellschaft
Mangels Betriebs eines Handelsgewerbes i.S. des § 230 HGB hat Z zivilrechtlich wirksam je eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, auf die die Grundsätze für die Anerkennung einer stillen Gesellschaft entsprechend anwendbar sind.
Verträge zwischen nahen Angehörigen
Die steuerliche Anerkennung setzt voraus, dass die Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ist, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entspricht und auch wie unter Dritten vollzogen wird (BFH v. 14.5.2003, X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547). Dabei schließt nicht jede geringfügige Abweichung vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dahin zu beurteilen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen (z.B. BFH v. 28.10.2020, X R 1/19, BStBl II 2021, 283).
Gesellschaftsverträge zwischen Eltern und Kindern
Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen können auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind, vorausgesetzt, die vorgenannten allgemeinen Bedingungen (zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, Durchführung) sind erfüllt (z.B. BFH v. 12.5.2016, IV R 27/13, BFH/NV 2016, 1559).
Fremdvergleich
Verträge zwischen Eltern und Kindern über eine Innengesellschaft entsprechen dem inhaltlichen Fremdvergleich, wenn dem Kind wenigstens annäherungsweise die Rechte eingeräumt werden, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut des HGB typischerweise zukommen (z.B. BFH v. 14.5.2003, X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547). Einschränkungen dieser Rechte, insbesondere hinsichtlich der Gewinnauszahlung, der Kontroll- und Informationsrechte, der Kündigungsmöglichkeiten sowie Widerrufs- oder Rückfallklauseln können zur Nichtanerkennung führen (BFH v. 16.5.1989, VIII R 196/84, BStBl II 1989, 877).
Vollziehung des Vertrags
Hier sind insbesondere die Einlagebestimmungen, die Gewinnbeteiligungsregelungen und die Informations-/Kontrollrechte von Bedeutung. Übt bei minderjährigen Kindern ausschließlich der Unternehmer selbst die dem Kind zustehenden Informations- und Kontrollrechte aus oder verwaltet er die auf das Konto des Kindes überwiesenen Gewinnbeteiligungen nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen, ist dies im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.
Fehlerhafte Würdigung des FG
Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die Gesellschaftsverträge zwar zivilrechtlich wirksam. Die vom FG vorgenommene Würdigung zur Fremdüblichkeit und zur Durchführung der Verträge ist jedoch lückenhaft:
- Bei der Fremdüblichkeit hat das FG nicht die Informations-/Kontrollrechte der Kinder geprüft. Auch hat es sich nicht mit weiteren Punkten befasst wie Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Versterben eines Beteiligten, Inhaberwechsel, Auseinandersetzung nach Auflösung und Widerrufsmöglichkeiten des Z.
- Auch die Feststellungen zur Vertragsdurchführung sind nicht ausreichend. Unklarheiten bestehen über die Auszahlung der Gewinnbeteiligungen, die Ausübung der Informations-/Kontrollrechte, die Verfügbarkeit der Gewinnbeteiligungen für die Gesellschafter. Diese würde fehlen, wenn Z das Guthaben nicht wie fremdes, sondern wie eigenes Vermögen behandelte.
- Das FG hat die entsprechenden Feststellungen nachzuholen.
Hinweis: Gesamtwürdigung der Tatumstünde
Die Entscheidung verdeutlicht, dass gegen das vielfach praktizierter "Steuersparmodell" grundsätzlich nichts einzuwenden ist, solange die angeführten Aspekte beachtet sind. Der BFH hebt dazu besonders hervor, dass Gesellschaftsverträge zwischen nahen Angehörigen auch dann anerkannt werden können, wenn - wie im Streitfall - die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel unentgeltlich zugewendet wurden, sofern die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen (zivilrechtliche Wirksamkeit, Fremdüblichkeit, Durchführung) erfüllt sind (BFH v. 12.5.2016, IV R 22/13, BFH/NV 2016, 1559; BFH v. 17.4.2017, IV R 52/11, BFH/NV 2014, 1949). Der Zuführung von Mitteln kann es gleichstehen, wenn vom Kapitalkonto des Geschäftsherrn Beträge zur Erfüllung der Einlageverpflichtung der Gesellschafter umgebucht werden und diese während der Dauer der Gesellschaft der Verlustverrechnung unterliegen.
Aus der Entscheidung ergibt sich auch, dass eine gesellschaftsrechtliche Gestaltung unter Angehörigen nicht mehr oder weniger pauschal, sondern nur aufgrund einer fundierter Gesamtwürdigung der Einzelumstände beurteilt werden kann. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt des Streits damit auf der Ebene der Tatsachen. Diese sollten möglichst vollständig dargelegt werden.
BFH Urteil vom 23.11.2021 - VIII R 17/19 (veröffentlicht am 03.03.2022)
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