Leitsatz (amtlich)

Ein Ehemäkler, der zur Buchführung verpflichtet ist, hat Forderungen aus Ehevermittlungsverträgen in der Bilanz auszuweisen. Dem steht nicht entgegen, daß diese Forderungen nach § 656 BGB nicht einklagbar sind.

 

Normenkette

EStG § 5

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung zur Aktivierung von Forderungen eines Ehevermittlers.

Der steuerpflichtige Ehemann betrieb ein Ehevermittlungsunternehmen. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 wurde unter anderem festgestellt, daß der Stpfl. in seinen Bilanzen die Honorarforderungen aus Ehevermittlungsverträgen mit Rücksicht darauf, daß sie gemäß § 656 BGB nicht einklagbar seien, nicht aktiviert hatte. Das FA setzte diese Forderungen zum 31. Dezember 1956 mit 6 000 DM, zum 31. Dezember 1957 mit 5 000 DM und zum 31. Dezember 1958 mit 10 000 DM an. Der Ansatz in dieser Höhe wird vom Stpfl. nicht bestritten.

Der Einspruch blieb im wesentlichen erfolglos. Auch die Berufung hatte im Streitpunkt keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der steuerpflichtigen Eheleute ist nicht begründet.

Das FG hat mit zutreffender Begründung entschieden, daß Forderungen aus Ehemäklerverträgen bei der steuerlichen Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind.

Der steuerpflichtige Ehemann war zur Buchführung verpflichtet (§ 161 Abs. 1 Nr. 1 AO). Er hatte deshalb für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Satz 1 EStG). Dabei sind nach § 5 Satz 2 EStG die Vorschriften über die Bewertung in § 6 EStG zu befolgen. Die steuerlichen Bewertungsvorschriften gehen also den Bewertungsvorschriften und Bewertungsgrundsätzen des Handelsrechts vor. Das handelsrechtliche sogenannte "Niederstwertprinzip" hat für die steuerliche Gewinnermittlung nur insoweit Bedeutung, als es mit den steuerlichen Bewertungsvorschriften in Einklang steht. Danach kann eine Bewertung von Wirtschaftsgütern unter dem Teilwert mit dem Niederstwertprinzip nicht begründet werden.

Nach § 656 BGB wird durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Versprechens Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestand. Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der andere Teil zum Zweck der Erfüllung des Versprechens dem Mäkler gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis. Die Vorschriften des § 656 BGB wurden erst durch die Reichstagskommission in den Entwurf des BGB eingefügt. Maßgebend hierfür war die Erwägung, daß die große Mehrheit der Bevölkerung das Nehmen oder Geben eines Lohnes für Heiratsvermittlung als unsittlich, mindestens als unanständig betrachte. Sei diese allein mit dem sittlichen Charakter der Ehe zu vereinbarende Auffassung noch nicht in allen Kreisen durchgedrungen, so sei das um so mehr ein Grund, ihr durch die erziehliche Wirkung des BGB zum Durchbruch zu helfen (vgl. Mugdan, "Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch", S. 1271, 1293). Es mag dahingestellt bleiben, ob damit in Wahrheit zur damaligen Zeit die Auffassung der Mehrheit der Bevölkerung über das Institut der gewerbsmäßigen Eheanbahnung und Ehevermittlung wiedergegeben wurde. Das Reichsgericht hat jedenfalls schon im Urteil Rep VI 170/00 vom 12. Juli 1900 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 46 S. 177 [180]) ausgeführt, solche Verträge könnten zwar als mit einer idealen Auffassung der Ehe schwer vereinbar angesehen werden. Der Mangel idealer Anschauung sei aber noch kein Verstoß gegen die Ehrbarkeit. Mangel an Gelegenheit und Mangel an eigenen Mitteln möge zur Beschreitung eines solchen Weges, wie des der Inanspruchnahme der Dienstleistung eines bezahlten Vermittlers, drängen, ohne daß deshalb schon eine Verkennung der sittlichen Bedeutung der Ehe vorliegen müßte. Seitdem hat sich die Einstellung der Allgemeinheit zu der Institution der geschäftlichen Eheanbahnung weiter in dem Sinn entwickelt, daß ein solcher Weg weitgehend als normale geschäftliche Betätigung angesehen wird. Diese Entwicklung der Verhältnisse muß bei der Entscheidung gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG beachtet werden.

Eine Forderung ist in der Regel erzwingbar; dem Gläubiger wird Schutz durch Klage und Vollstreckungsmöglichkeit gewährt. Fehlen diese Möglichkeiten, so spricht man von "unvollkommenen Verbindlichkeiten" oder "Naturalobligationen". Auch in solchen Fällen bestehen nach der herrschenden zivilrechtlichen Meinung echte Forderungen und echte Schulden, aber ohne Erzwingbarkeit. Es handelt sich um echte Forderungen im Sinn des § 40 Abs. 3 HGB. Sie rechnen auch zu den Wirtschaftsgütern im Sinn des Steuerrechts, die in die Vermögensaufstellung am Schluß des Wirtschaftsjahres aufzunehmen sind. Entgegen der Ansicht der Stpfl. stehen dem Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nicht entgegen. Diese Grundsätze verwehren es zwar dem Kaufmann, seine Vermögenslage günstiger darzustellen als sie ist. Davon kann aber keine Rede sein, wenn er in seine Bilanz Forderungen aufnimmt, die zwar nicht erzwingbar sind, mit deren Eingang er aber rechnet und bei gehöriger Sorgfalt auch rechnen darf. Bei dieser Beurteilung darf die allgemeine Einstellung zur geschäftlichen Ehevermittlung nicht außer Betracht bleiben, da sich hieraus die Einstellung zu den Verbindlichkeiten ergibt. Es kann nicht angenommen werden und der Stpfl. selbst nimmt nicht an, daß sich auch nur ein erheblicher Teil seiner Kunden ihren Verpflichtungen unter Hinweis auf § 656 BGB entziehen würde. Die wirtschaftliche Bedeutung des § 656 BGB kann demnach nicht allzu hoch veranschlagt werden, jedenfalls nicht so hoch, daß aus diesem Grunde von der Aktivierung der Forderungen aus Ehemäklerverträgen abgesehen werden müßte. Die Nichterzwingbarkeit der Forderungen kann dagegen durchaus Einfluß auf die Höhe der Bewertung haben.

Entgegen der Ansicht des Stpfl. ist ein Absehen von der Aktivierung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes geboten. Wer einem Ehevermittlungsunternehmen Kredit gewährt, weiß, daß dessen Forderunden aus Ehemäklerverträgen nicht einklagbar sind.

Zu Unrecht nimmt der Stpfl. an, eine Aktivierung müsse ausscheiden, weil es an der Bewertbarkeit der einzelnen Forderungen fehle; denn die Begleichung hänge von dem nicht erkennbaren guten Willen des Schuldners ab. Insoweit besteht kein entscheidender Unterschied gegenüber normalen einklagbaren Forderungen. Auch bei ihnen zeigt sich die Zahlungswilligkeit des Schuldners erst im Zeitpunkt der Zahlung, und der Erfolg von Maßnahmen zur zwangsweisen Eintreibung der Forderungen bei fehlender Zahlungswilligkeit zeigt sich erst nach deren erfolgreicher Durchführung. Die Nichterzwingbarkeit wirft also in Wahrheit nicht die Frage auf, ob zu bewerten ist, sondern nur, wie zu bewerten ist.

Die Ansetzung eines Pauschaldelkrederes beim Gesamtbestand an Forderungen bedeutet rechtlich die Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Da der Forderungsbestand ein wesentlicher Bestandteil des Betriebs ist, muß angenommen werden, daß ein an der Veräußerung des Betriebs interessierter Betriebsinhaber das Ansinnen eines Erwerbsinteressenten, der die besondere Art der in diesem Betrieb entstehenden den Forderungen als Naturalobligationen kennt, die Forderungen ohne Vergütung zu übernehmen, mit Recht und Erfolg zurückweisen würde.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 79

BFHE 1968, 319

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