Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ist auch gegeben, wenn jemand ermächtigt wird, ein Grundstück für eigene Rechnung zu verwerten.

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. August 1950 erteilte die Ehefrau Anna B. als alleinige Eigentümerin eines Grundstücks dem Bf. eine nicht übertragbare, unwiderrufliche Vollmacht "zur Stellvertretung, soweit eine solche gesetzlich überhaupt zulässig ist". Der Bevollmächtigte war gemäß Ziff. II der Vertragsurkunde "insbesondere berechtigt, das Grundstück zu verkaufen, zu belasten, die Auflassung zu erklären, wie auch alle sonstigen Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben, diesbezügliche Verträge abzuschließen, Kaufpreise entgegenzunehmen und darüber zu quittieren". Von den Beschränkungen des § 181 BGB war der Bf. befreit. Nach Ziffer VI der Notariatsurkunde hatte der Bf. der Ehefrau B. und ihrem Ehemann im Juni 1949 ein Darlehen von 5.500 DM gewährt; die Vollmacht sollte die Möglichkeit geben, die Erfüllung seiner Ansprüche in die Wege zu leiten.

Am 17. Juli 1952 erklärte die Ehefrau B. zu Protokoll des Finanzamts, sie habe sich, um ihr 1948 abgebranntes Anwesen wiederaufbauen zu können, durch Abgabe von Grundstücken Geld beschaffen müssen. Der Bf. habe ihr und ihrem Ehemann 6.000 DM geliehen und unter dem Hinweis, daß dadurch Steuern gespart werden könnten, ein Schreiben aufgesetzt. Der Sinn des Schreibens sei gewesen, daß ihnen der Bf. Geld für das Grundstück lieh, dafür aber über das Grundstück allein verfügen dürfe.

Das Finanzamt zog den Bf. durch Bescheid vom 29. Juli 1952 gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 6.000 DM zur Grunderwerbsteuer heran.

Der Bf. macht geltend, er habe sich die Vollmacht nur geben lassen, weil er den Eheleuten B. im voraus 5.500 DM als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte. Er habe dann das Grundstück in zwei Abschnitten an zwei andere Personen verkauft. Er selbst habe nie einen notariellen Kaufvertrag abgeschlossen und sei somit nie Besitzer des Grundstücks gewesen. Die notarielle Vollmacht sei nur zur Sicherung seiner Darlehnsgewährung erteilt worden. Insgesamt habe er 6.500 DM für das Grundstück erhalten und an die Voreigentümerin abgeführt.

Der Einspruch war dem Grunde nach erfolglos. Jedoch wurde die Steuer unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 6.500 DM festgesetzt.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch solche Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Lediglich die Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht genügt jedoch nicht, um einen derartigen Tatbestand bejahen zu können, und zwar selbst dann nicht, wenn dem Bevollmächtigten durch die Vollmacht weitestgehende Rechte eingeräumt werden. Andernfalls wäre es nötig, in jedem Fall der Erteilung einer unbeschränkten Vollmacht einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG anzunehmen. Ein solches Ergebnis war aber bei Schaffung der bezeichneten Vorschrift zweifelsfrei nicht gewollt.

Eine abweichende Rechtslage ist jedoch dann gegeben, wenn der Bevollmächtigte ermächtigt ist, das Grundstück für eigene Rechnung zu verwerten. Dies war im § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919 / 1927 bestimmt. Die bezeichnete Vorschrift ist zwar nicht in das GrEStG 1940 übernommen worden. Wie jedoch die Begründung zu § 1 Abs. 2 ergibt (RStBl 1940 S. 387, 391), bestand bei Schaffung des GrEStG 1940 die Auffassung, daß die Vorschrift des § 1 Abs. 2 künftig die des § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919 / 1927 mitumfassen würde. Der Senat tritt der in der Begründung zum GrEStG vertretenen Rechtsansicht grundsätzlich bei.

Eine Ermächtigung im Sinne des § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919 / 1927 wurde als gegeben erachtet, wenn der erzielte Mehrerlös ganz oder im wesentlichen dem Ermächtigten zufließen sollte, nicht aber schon dann, wenn dem Ermächtigten eine gewisse Selbständigkeit eingeräumt, wenn eine hohe Vergütung oder anstatt einer festen Vergütung eine prozentuale Beteiligung vereinbart wurde. Dagegen handelt der Ermächtigte nicht auf eigene Rechnung, wenn er als Gläubiger des Eigentümers sich wegen seiner Forderung befriedigen, den verbleibenden Betrag aber an den Eigentümer abführen sollte. über die Anwendungsfälle des § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919 / 1927 siehe insbesondere das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 21/33 vom 12. Juli 1933 (RStBl 1933 S. 1148, Slg. Bd. 34 S. 93), sowie Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl., 1936, S. 181.

Da eine Sicherungsübereignung nicht vorliegt, kann im Streitfall eine Steuerpflicht nur dann bejaht werden, wenn ein Tatbestand gegeben ist, der dem Tatbestand des § 5 Abs. 4 Nr. 5 GrEStG 1919 / 1927 ungefähr entspricht.

Der Sachverhalt bedarf näherer Aufklärung. Das Finanzamt hat im Schreiben an das Finanzgericht vom März 1954 behauptet, daß das Grundstück für insgesamt 8.000 DM verkauft worden sei.

Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409631

BStBl III 1960, 254

BFHE 1961, 19

BFHE 71, 19

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