Leitsatz (amtlich)

Hat das FA beim Lohnsteuer-Jahresausgleich zuviel Lohnsteuer erstattet, weil der Arbeitgeber in der Lohnbescheinigung versehentlich die Arbeitslöhne um den Weihnachtsfreibetrag gekürzt hatte, so kann es den Arbeitgeber nicht nach § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG für die überhöhten Erstattungsbeträge haftbar machen.

 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 3 S. 2; LStDV § 46 Abs. 1 S. 2, § 47 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte in den ihren Arbeitnehmern erteilten Lohnbescheinigungen für 1962 irrtümlich einen um den Weihnachtsfreibetrag gekürzten Arbeitslohn eingetragen. Dadurch ergab sich bei dem vom FA für die Arbeitnehmer durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich eine zu hohe Erstattung an Lohnsteuer und Kirchensteuer. Wegen der zu Unrecht erstatteten Beträge nahm das FA nunmehr nach § 42a Abs. 2 Nr. 2 EStG die Klägerin als Haftende in Anspruch. Das FG hob den Haftungsbescheid ersatzlos auf. Es war der Auffassung, daß eine Verletzung der sich für den Arbeitgeber aus § 47 LStDV ergebenden Pflichten hinsichtlich der Ausstellungen von Lohnbescheinigungen keine Haftung gemäß § 46 Abs. 1 LStDV ergebe. Der Arbeitgeber hafte nach dieser Vorschrift lediglich für die richtige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer. Im vorliegenden Fall käme lediglich eine Haftung aus § 111 AO in Betracht; dafür seien aber die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Revision des FA rügt Verletzung geltenden Rechts. Aus der Gesetzessystematik ergebe sich, daß der Arbeitgeber nicht nur zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet sei, sondern auch dazu, daß die Lohnsteuer einbehalten bleibe. Er dürfe keine Handlungen vornehmen, die die Einbehaltung zum Teil wieder rückgängig machten. Der BFH habe deshalb auch im Urteil VI 252/57 U vom 6. Mai 1959 (BFH 69, 83, BStBl III 1959, 292) die Haftung des Arbeitgebers beim Lohnsteuer-Jahresausgleich in sinngemäßer Anwendung des § 38 EStG (§ 46 Abs. 1 LStDV) bestätigt. Für die Haftung bestehe ein Bedürfnis, da die Arbeitgeber in den Lohnbescheinigungen häufig unzulässig den Arbeitslohn um den Weihnachtsfreibetrag kürzten. Die Arbeitgeber seien darüber bereits seit 1960 durch Merkblätter unterrichtet.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Die Entscheidung des FG entspricht der sich aus § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG ergebenden Rechtslage. Das angeführte Urteil des Senats VI 252/57 U steht dem nicht entgegen. Es handelte sich damals um einen vom Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich, der zu einer Verkürzung der an das FA abzuführenden Lohnsteuer geführt hatte. Deshalb hatte der Senat es als vertretbar angesehen, die Haftungsvorschrift für unrichtige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer auch auf den vom Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich auszudehnen. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um zu hohe Erstattungen an Lohnsteuer und Kirchensteuer, die auf einem vom FA durchgeführten Lohnsteuer-Jahresausgleich beruhen. Der Arbeitgeber selbst hatte die Lohnsteuer richtig einbehalten und an das FA abgeführt. Der eindeutige Wortlaut des § 38 EStG läßt es nicht zu, aus ihm eine Haftung des Arbeitgebers auch wegen anderer als der in ihm angeführten Pflichtverletzungen abzuleiten.

Weder die Gesetzessystematik noch der Sinn der Haftungsvorschrift gebieten eine erweiternde Auslegung. Im Hinblick auf die Lohnsteuer-Abführung waren hier die Pflichten des Arbeitgebers voll erfüllt. Erst in dem danach liegenden Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren führte die fehlerhafte Angabe des Arbeitslohns zu einer falschen Steuerfestsetzung. Diese Verfahren lassen sich mit dem Veranlagungsverfahren vergleichen. Auch im Veranlagungsverfahren könnte es auf Grund unzutreffender Unterlagen zu einer unrichtigen Steuerfestsetzung kommen. Hier wie dort muß sich das FA wegen eines zu Unrecht erstatteten Betrages an den Steuerpflichtigen (Empfänger) halten.

Die Einbehaltung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber dient der Vereinfachung der Besteuerung. Ein Teil der Aufgaben, die sonst dem FA oblägen, wird mit dem Risiko der Haftung auf den Arbeitgeber überbürdet. Ist aber das FA selbst im Lohnsteuer-Jahresausgleich mit der Besteuerung des Arbeitnehmers befaßt, so handelt es sich nicht mehr um den auf den Arbeitgeber übertragenen Aufgabenbereich, wenngleich die Erteilung der Lohnbescheinigung mit diesem zusammenhängt. Es wäre jedoch nicht vertretbar, auch hier dem Arbeitgeber das Haftungsrisiko aufzubürden, wenn er - wie es auch bei anderen Mitwirkungspflichten der Fall sein kann - eine unrichtige Bescheinigung ausstellt. Soweit falsche Lohnbescheinigungen in Betracht kommen, könnte eine Haftung des Arbeitgebers nur im Fall einer Steuerhinterziehung, d. h. einer vorsätzlichen Steuerverkürzung, nach § 112 AO bejaht werden. Daß dieser Fall vorläge, hat das FA nicht geltend gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68146

BStBl II 1968, 697

BFHE 1968, 73

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