Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO, daß Gesellschafter, die zur Geschäftsführung nicht berufen sind, weder das Rechtsmittel gegen einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb einlegen noch einem derartigen Rechtsmittel beitreten können, wird durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht berührt.

 

Normenkette

AO § 239 Abs. 1 Nr. 3, § 233/1/3; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) war bis zum 29. August 1955 alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft. Die Niederschrift über eine an diesem Tage abgehaltene Gesellschafterversammlung enthält folgenden Beschluß:

"Herr X, dessen Kündigung zum 31. Dezember 1956 den Gesellschaftern vorlag, erklärte sich aber Herrn Rechtsanwalt Z gegenüber bereit, mit einer sofortigen Beurlaubung einverstanden zu sein.

Die anwesenden Gesellschafter beschlossen, die Kündigung von Herrn X. anzunehmen.

Die Gesellschafter-Versammlung beschloß darauf, Frau Y die einstweilige Geschäftsführung zu übertragen."

Am 23. September 1955 wurde von dem jetzigen Rechtsvertreter des Bf. im Namen der Kommanditgesellschaft und deren Gesellschafter Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung (AO) wegen Nichtverbuchung von Geschäftseinnahmen im geschätzten Höchstbetrag von 30.000 DM erstattet. Der Bf., der die nichtverbuchten Beträge vereinnahmt hatte, erklärte in einem Schreiben an das Finanzamt vom 26. September 1955, daß es sich seiner Schätzung nach dabei um nicht mehr als 20.000 DM gehandelt habe. Unter Zugrundelegung eines "betriebsarteigenen" Reingewinns von 7 % bei der Kommanditgesellschaft führte eine anschließend vorgenommene Betriebsprüfung zu einer Hinzurechnung von 60.000 DM, verteilt auf die Wirtschaftsjahre 1952 bis 1954, wobei in geringem Umfang auch weitere Beanstandungen des Prüfers bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern und der Absetzung von Betriebsausgaben berücksichtigt wurden. Die sich aus den Zuschätzungen ergebenden Mehrgewinne verteilte das Finanzamt dem Beteiligungsverhältnis entsprechend auf die sämtlichen Gesellschafter der Kommanditgesellschaft. Während die Kommanditgesellschaft auf Rechtsmittel gegen die einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide verzichtete, legte der Bf. Sprungberufung ein. Das Finanzamt wies das Rechtsmittel des Bf. im Einspruchsverfahren als unbegründet zurück. Das Finanzgericht zog die Kommanditgesellschaft gemäß § 239 Abs. 3 AO zu dem Verfahren hinzu, die die Aktivlegitimation des Bf. zur Rechtsmitteleinlegung bestritt, und verwarf unter Bezugnahme auf § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO die Berufung des Bf. als unzulässig.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird die Berechtigung des Bf. zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Gewinnfeststellungsbescheide auf Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) gestützt. Wenn auch die zugeschätzten Gewinnbeträge dem Bf. nicht allein, sondern nach dem Gewinnverteilungsschlüssel allen Gesellschaftern zugerechnet seien, so würden doch seine Mitgesellschafter auf Grund der getroffenen Feststellungen gegen ihn Ansprüche erheben, zumal in der übersicht über die Entwicklung der Kapitalkonten (Anlage 3 zum Betriebsprüfungsbericht) ihm diese Beträge voll zugerechnet seien. Die Schätzung der Vorinstanzen sei willkürlich. Sachverständige, deren Anhörung er beim Finanzgericht beantragt habe, würden bestätigen, daß bei der Kommanditgesellschaft nur ein Reingewinn von 3 v. H. des Umsatzes in Frage käme. Auch könnten ihm die zugeschätzten Beträge insoweit nicht zugerechnet werden, als sie auf anderen Gründen als seinen OR-Geschäften beruhten. Das Finanzamt habe sich zu seinem Nachteil, ohne ihn zu hören, mit seinen Mitgesellschaftern über die Schätzung verständigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bf. greift die gemäß § 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO einheitlich vorgenommenen Gewinnfeststellungen an, weil das Finanzamt den Gewinn der Kommanditgesellschaft zu hoch geschätzt habe. Sein Angriff richtet sich weder gegen die Verteilung der festgestellten Gewinne, noch betrifft er einen Punkt, der ihn für seine Person angeht. Er kann daher seine Berechtigung zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Feststellungsbescheide nicht aus § 239 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO herleiten. Da nach § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO im übrigen nur zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen einheitliche Feststellungsbescheide über Einkünfte aus Gewerbebetrieb berechtigt sind, hat das Finanzgericht zu Recht die Aktivlegitimation zur Führung des von ihm eingelegten Rechtsmittels nach der AO verneint.

Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide über Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehört in den Aufgabenkreis der zur Geschäftsführung einer Personengesellschaft berufenen Gesellschafter. Diese vertreten dabei die übrigen Beteiligten auf Grund der ihnen mit der übertragung der Geschäftsführung erteilten Vollmacht. Der Bf. muß es nach außen gegen sich gelten lassen, wenn die geschäftsführende Gesellschafterin gegen die Feststellungsbescheide kein Rechtsmittel einlegt. Ist er der Auffassung, daß das Verhalten der Geschäftsführerin unrichtig ist und seinen Wünschen und Interessen widerspricht, so handelt es sich um das interne Gesellschaftsverhältnis betreffende bürgerlich-rechtliche Fragen, die die Gesellschafter unter sich ausmachen müssen. Art. 19 Abs. 4 GG bietet keine Grundlage, entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO ein Einspruchsrecht des Bf. anzuerkennen. § 239 Abs. 1 Ziff. 3 AO entspricht den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts und ist durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht überholt. Der Bf. ist in der Anfechtung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids beschränkt, weil er selbst durch die bürgerlich-rechtliche Gestaltung die Grundlage dazu geschaffen hat.

Etwaige zivilrechtliche Ansprüche des Bf. gegen die Kommanditgesellschaft oder deren geschäftsführende Gesellschafterin aus unsachgemäßer Geschäftsführung werden durch dieses Verfahren ebensowenig berührt wie solche der Kommanditgesellschaft gegen ihn aus seiner Geschäftsführung hinsichtlich der von ihm getätigten OR-Geschäfte.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 436

BFHE 1958, 529

BFHE 65, 529

StRK, AO:239 R 2

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