Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von doppelter Haushaltsführung bei Verlobten?

 

Leitsatz (NV)

1. Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit können Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung unter den gleichen Voraussetzungen berücksichtigt werden wie bei nichtselbständig Tätigen.

2. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Orts, in dem er seinen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Einen Haushalt unterhält ein Steuerpflichtiger, wenn er eine für die Erfüllung der Lebensbedürfnisse eingerichtete Wohnung hat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem der Steuerpflichtige sich sowohl finanziell als auch durch persönliche Mitwirkung beteiligt.

3. Für einen Ledigen kann ein derartiger Hausstand nur angenommen werden, wenn er einen gemeinsamen Haushalt mit von ihm finanziell abhängigen Angehörigen, insbesondere mit Kindern, führt und dessen Kosten ganz oder überwiegend trägt. Ein gemeinsamer Haushalt von Verlobten genügt nicht.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, 5 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Facharzt selbständig tätig. Mit seiner Ehefrau bewohnte er ein Haus in M. Die Ehe wurde 1968 geschieden; die geschiedenen Eheleute hielten ihren gemeinsamen Haushalt jedoch aufrecht. Die Ehefrau ist als angestellte Ärztin tätig und sorgt allein für ihren Unterhalt. Im Jahre 1977 nahm der Kläger eine berufliche Tätigkeit in X auf und richtete sich dort eine Wohnung ein. Vom 1. Januar 1979 bis zum 31. März 1981 war er Partner in einer Gemeinschaftspraxis. Danach führte er eine Einzelpraxis. Im Dezember 1982 haben die Eheleute erneut geheiratet. Nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) haben sie den Entschluß hierzu bereits zu Beginn des Jahres 1979 gefaßt. Der Kläger machte im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung der Gemeinschaftspraxis für die Jahre 1979 bis 1981 und danach im Rahmen der gesonderten Gewinnfeststellung für die Einzelpraxis in den Jahren 1981 und 1982 Kosten der doppelten Haushaltsführung als Betriebsausgaben geltend. Nach einer Außenprüfung gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Abzug nur für Dezember 1982. Die Klage zum FG hatte dagegen Erfolg; die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 20 veröffentlicht.

Hiergegen wendet sich die vom FG zugelassene Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

1. Der Kläger erstrebt den Abzug für Mehraufwand aus einer doppelten Haushaltsführung. Dies setzt voraus, daß die fraglichen Aufwendungen aus betrieblichem Anlaß entstanden sind und Betriebsausgaben i. S. von § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen. Voraussetzungen und Folgen einer doppelten Haushaltsführung sind in den Bestimmungen über die Gewinnermittlung nicht festgelegt. Doch ist in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG der Abzug von Aufwendungen für Familienheimfahrten und in § 8a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung geregelt. Hieraus läßt sich schließen, daß im Rahmen der Gewinnermittlung Aufwendungen aus doppelter Haushaltsführung unter denselben Voraussetzungen wie bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG berücksichtigt werden sollen. Hiervon ist auch die Rechtsprechung ausgegangen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. August 1987 IV R 130/85, BFHE 151, 30, BStBl II 1988, 53, m. w. N.).

2. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Doppelte Haushaltsführung ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG gegeben, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Der Kläger müßte daher in M einen Hausstand unterhalten haben. Einen Hausstand unterhält ein Steuerpflichtiger nach gefestigter Rechtsprechung, wenn er eine für die Erfüllung seiner Lebensbedürfnisse eingerichtete Wohnung innehat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem der Steuerpflichtige sich sowohl finanziell als auch durch persönliche Mitwirkung beteiligt (BFH-Urteil vom 16. November 1971 VI R 353/69, BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132). Diese Voraussetzungen sind auf verheiratete Steuerpflichtige zugeschnitten. Für einen Ledigen kann dagegen ein derartiger Hausstand nur angenommen werden, wenn er einen gemeinsamen Haushalt mit von ihm finanziell abhängigen Angehörigen, insbesondere mit Kindern, führt und dessen Kosten ganz oder überwiegend trägt (BFH-Urteile in BFHE 103, 501, BStBl II 1972, 132; vom 20. Juni 1975 VI R 72/74, BFHE 116, 41, BStBl II 1975, 649). In diesem Fall läßt sich sagen, daß der Steuerpflichtige einen aufgespaltenen Haushalt gleichzeitig an zwei Orten führt.

Unter diesen Voraussetzungen kann die Klage schon deswegen keinen Erfolg haben, weil der Kläger im strittigen Zeitraum ledig und seine geschiedene Ehefrau finanziell nicht von ihm abhängig war.

3. Das FG ist zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil der Kläger mit seiner früheren und späteren Ehefrau im fraglichen Zeitraum bereits verlobt gewesen sei und zwischen Verlobten ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis bestehe, so daß, wie bei Verheirateten, eine finanzielle Beteiligung am gemeinsamen Haushalt genüge. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Bei einem Hausstand muß es sich in der Regel um einen ,,Familienhaushalt" handeln. Das ergibt sich bereits daraus, daß in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 und in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG von einer Familienheimfahrt die Rede ist. Verlobte, die noch nicht die Ehe eingegangen sind, bilden keine Familie im Sinne dieser Vorschrift; dies ist vom BFH sogar für Partner angenommen worden, die kirchlich, aber noch nicht standesamtlich getraut waren (Urteil vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293).

Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft kann danach einem Familienhausstand nicht gleichgestellt werden. Nach dem BFH-Urteil vom 25. März 1988 VI R 32/85 (BFHE 152, 533, BStBl II 1988, 582) ist dies anders, wenn im Haushalt ein gemeinsames Kind lebt. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416693

BFH/NV 1991, 361

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