Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessenheit der von einer Steuerberatungs-GmbH an ihre Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Gehälter

 

Leitsatz (NV)

Trägt die klagende Kapitalgesellschaft vor, im Streitjahr habe keine Pensionszusage zugunsten ihrer Gesellschafter-Geschäfts führer bestanden, so kann das FG seine Sachaufklärungspflicht verletzen, wenn es nicht aufklärt, ob und ggf. in welcher Höhe die von ihm beim externen Betriebsvergleich berücksichtigten Geschäftsführervergütungen anderer Unternehmen den Wert von Pensionszusagen einschließen.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Diese Vergütungen setzen sich zusammen aus den Monatsgehältern 1984 bis 1987: A 15 000 DM, B 11 000 DM; Januar bis September 1988: A 20 000 DM, B 16 000 DM; ab 1. Oktober 1988: A 25 000 DM, B 21 000 DM), den Weihnachtsgratifikationen in Höhe je eines Novembergehalts und aus Prämien (1982 bis 1985 und 1988: jeweils in Höhe des Dezembergehalts, 1987 in Höhe von zwei Monatsgehältern). Die Höhe der für das Streitjahr zu zahlenden Vergütungen war am 2. Januar 1988 schriftlich vereinbart worden. Nicht in diesen Beträgen enthalten ist der Wert der privaten Nutzung der Kfz der Klägerin durch A und B.

Bei der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Ansicht, die Bezüge der Gesellschafter seien um insgesamt 146 000 DM überhöht.

Das FA berücksichtigte deshalb bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1988 eine verdeckte Gewinnausschüttung in entsprechender Höhe und stellte die Ausschüttungsbelastung her (Bescheid vom 19. Juni 1990).

Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 407 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Verfahrensvorschriften und des materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Das FG hat der Klägerin rechtliches Gehör versagt. Es hat § 96 Abs. 2 FGO verletzt, da es sein Urteil auf Tatsachen gestützt hat, zu denen sich die Verfahrens beteiligten nicht äußern konnten. Dies ist nach § 119 Nr. 3 FGO ein absoluter Revisionsgrund. Er führt dazu, daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache ohne bindende Äußerung des erkennenden Senats zur Sache selbst an das FG zurückzuverweisen ist.

Das FG hat seine Entscheidung u. a. auf die Angaben von Grätz in dessen Geschäftsführer-Gehaltsreport 1991/1992, Freiburg, 1991 (Gehaltsreport) gestützt und die Auffassung vertreten, die Zahlen des Gehaltsreports seien wesentlich aussagekräftiger als die Zahlenangaben in der von der Klägerin vorgelegten Vergütungsanalyse der ... GmbH (Vergütungsanalyse). Zu dieser Auffassung gelangte das FG aufgrund einer am 10. Dezember 1992 bei Grätz eingeholten telefonischen Auskunft, nach der den Zahlenangaben in Tabelle 3 des Gehaltsreports zur Branche Steuerberatung Daten von insgesamt 32 Unternehmen zugrunde liegen.

Das FG hat zwar den Verfahrensbeteiligten Ablichtungen des Gehaltsreports übersandt. Über die bei Grätz eingeholte telefonische Auskunft hat es die Verfahrensbeteiligten aber erst im Urteil informiert. Die Klägerin hatte dadurch keine Gelegenheit, vor der Entscheidung des FG zu der Auskunft Stellung zu nehmen und vorzutragen, aus welchen Gründen sie auch bei Berücksichtigung der ergänzenden Auskunft von Grätz die Zahlen der Vergütungsanalyse für nicht weniger aussagekräftig als die des Gehaltsreports hält.

2. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO verletzt.

Die Klägerin hat dem FG vorgetragen, daß im Streitjahr keine Pensionszusagen der Klägerin zugunsten ihrer Geschäftsleiter bestanden und daß dies bei der Prüfung der Angemessenheit der Bezüge der Geschäftsleiter zu berücksichtigen sei. Aufgrund dieses Vortrags bestand für das FG Anlaß aufzuklären, ob und ggf. in welcher Höhe die von ihm beim externen Betriebsvergleich berücksichtigten Geschäftsführervergütungen anderer Unternehmen den Wert von Pensionszusagen einschließen. Das FG ist dieser Frage nicht nachgegangen.

3. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht auch dadurch verletzt, daß es ohne Beweisaufnahme davon ausgegangen ist, A und B hätten ihre Nebentätigkeiten -- A als interner Kontrolleur und B als Geschäftsführer einer anderen GmbH -- nicht außerhalb ihrer Dienstzeiten bei der Klägerin ausgeübt und sie seien aufgrund dieser Nebentätigkeiten auch nicht zur Übernahme von Mehrarbeiten für die Klägerin in der Lage gewesen.

Die Klägerin hat behauptet und Beweis dafür angeboten, daß A und B die Nebentätigkeiten außerhalb ihrer Dienstzeiten bei der Klägerin ausgeübt haben und die Neben tätigkeiten nicht zu Lasten ihres Arbeitseinsatzes für die Klägerin gegangen seien.

Das FG hätte die angebotenen Beweise erheben und den Umfang der Nebentätigkeiten aufklären müssen, es sei denn -- was das angefochtene Urteil nicht erkennen läßt --, es hielt einen etwaigen Einfluß der Nebentätigkeiten der Geschäftsleiter auf ihre Arbeitsleistungen für die Klägerin nicht für entscheidungserheblich.

4. Ohne Bindung für das FG weist der Senat auf folgendes hin:

a) Dem erkennenden Senat ist bisher kein allgemeiner Erfahrungssatz bekannt, nach dem Geschäftsführer für temporäre Mehrbelastungen keine Erhöhung ihrer Vergütungen beanspruchen und/oder erhalten. Falls das FG auch bei seiner erneuten Entscheidung einen derartigen Erfahrungssatz berücksichtigen will, empfiehlt es sich, zum Bestehen dieses Erfahrungssatzes tatsächliche Feststellungen zu treffen, insbesondere dazu, für welche Zeiträume und in welchem Umfang von Geschäftsführern von Steuerberatungsunternehmen erwartet wird, daß sie Mehrbelastungen tragen, ohne als Ausgleich eine höhere Vergütung zu erhalten.

b) Bei der Bewertung des Gehaltsreports und der Vergütungsanalyse ist auch zu berücksichtigen, daß die im Gehaltsreport angegebenen durchschnittlichen Jahresbezüge der Geschäftsführer zwar tendenziell über dem Median der jeweiligen Gehaltsreihe liegen (s. S. 5 des Gehaltsreports), daß der in den Akten befindliche Auszug des Gehaltsreports aber -- anders als die Vergütungsanalyse -- nicht die Höhe der Bezüge des unteren und oberen Quartil erkennen läßt. Ohne Kenntnis der den Durchschnittswerten zugrunde liegenden Gehaltsreihen oder der Werte des oberen und des unteren Quartil der Gehaltsreihen, also der Spannweite der Gehälter, läßt sich in der Regel nicht sachgerecht beurteilen, ob die Bezüge eines Geschäftsleiters eines Unternehmens außerhalb des Rahmens der Bezüge der Geschäftsführer vergleichbarer Unternehmen liegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419733

BFH/NV 1995, 440

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