Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 92 Abs. 3 AO gilt nicht für Versehen der Steuerpflichtigen.

 

Normenkette

AO § 92 Abs. 3, § 92/2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Steinbruchbesitzer. Bei einer Betriebsprüfung wurde die formelle und sachliche Ordnungsmäßigkeit seiner Buchführung verneint. Der Betriebsprüfer ermittelte infolgedessen den Gewinn aus Gewerbebetrieb im Wege der Schätzung. Er ging hierbei vom Rechnungsausgang aus, ermittelte unter Berücksichtigung der Anfangs- und Endaußenstände eine Isteinnahme und stellte diese den gebuchten Einnahmen gegenüber. Hierdurch ergaben sich Mehreinnahmen für II/1948 in Höhe von 1.882 DM und für 1949 in Höhe von 5.994 DM. Diese rechnete der Prüfer dem Rohgewinn zu, welcher sich auf Grund der Buchführung ergeben hatte.

Das Finanzamt hat den Bf. entsprechend dem Vorschlag des Prüfers zur Einkommensteuer II/1948 und 1949 veranlagt. Die Veranlagungen sind rechtskräftig. Mit Schreiben vom 30. Mai 1953 stellte der Bf. den Antrag, die Veranlagungen auf Grund des § 92 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) wegen offenbarer Unrichtigkeit zu berichtigen. Er begründete dies damit, daß offensichtlich übersehen worden sei, die Mindererlöse, die durch Rabatte, Zahlungsabzüge, Rechnungsberichtigungen usw. entstehen, bei der Gewinnermittlung abzusetzen. Gegen die Abweisung des Antrages hat der Bf. Sprungberufung eingelegt. Sie blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß die Nichtbeachtung gewinnmindernder Umstände ein Teil des Schätzungsvorganges sei. Der Prüfer hat hierbei eine Wertung wirtschaftlicher Gegebenheiten unterlassen, die je nach Art des Erwerbszweiges und nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes völlig verschieden sein könnten. Er habe damit eine an sich angebrachte tatsächliche überlegung nicht angestellt. Dies sei jedoch kein mechanisches Versehen wie etwa ein Fehlgreifen in der Wahl der Steuerklasse oder ein Irrtum bei der Benutzung der Steuertabelle.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Steuerpflichtige damit begründet, daß als Rechenfehler im Sinne des § 92 Abs. 3 AO nicht nur solche zu betrachten seien, die bei Anwendung der Steuertabelle oder bei der Zusammenrechnung der Einkünfte, also innerhalb des Berechnungsbogens auftreten, sondern auch solche, die bei der Berechnung der einzelnen Einkunftsarten unterlaufen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.

In der Entscheidung IV 320/53 U vom 18. Februar 1954 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1954 III S. 133) hat der erkennende Senat ausgeführt, daß die Anwendung des § 92 Abs. 3 AO in allen Fällen ausscheidet, in denen Mängel bei der Bildung des Entscheidungswillens vorliegen; nur bei Mängeln in der Erklärung des Entscheidungswillens könne der § 92 Abs. 3 AO zum Zuge kommen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfalle der Betriebsprüfer und ihm folgend das Finanzgericht bewußt die Berücksichtigung von Mindererlösen unterlassen haben, weil sie der Auffassung waren, daß Mindererlöse nicht vorliegen. Selbst wenn man aber ein Versehen des Finanzamts unterstellt, so handelt es sich um einen Mangel bei der Bildung des Entscheidungswillens, nämlich bei der Schätzung, nicht dagegen bei der Erklärung des Entscheidungswillens. Es wäre Sache des Steuerpflichtigen gewesen, rechtzeitig gegen die Veranlagungen Einspruch einzulegen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Sollte im übrigen der Steuerpflichtige etwa der Auffassung sein, daß ihm selbst ein Versehen unterlaufen ist, so muß darauf hingewiesen werden, daß § 92 Abs. 3 AO nach seinem Sinn und Wortlaut nicht bei Fehlern und offenbaren Unrichtigkeiten von Steuerpflichtigen gilt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424089

BStBl III 1954, 265

BFHE 1955, 146

BFHE 59, 146

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